Ex-Medienchef der WM:"In völliger Dunkelheit in Einzelhaft"

Ex-Medienchef der WM: Abdullah Ibhais.

Abdullah Ibhais.

(Foto: Sportschau/WDR)

Abdullah Ibhais war der Kommunikationschef des WM-Organisationskomitees, nun sitzt er im Gefängnis. Und seine Familie erhebt schwere Vorwürfe: Ibhais sei gefoltert worden.

Von Sebastian Fischer, Doha

Sein Bruder war sich schon länger sicher, dass Abdullah Ibhais in Katar aus Gründen im Gefängnis sitzt, die über das hinausgehen, was ihm vorgeworfen wird. "Er ist da, weil er zum Schweigen gebracht werden muss", sagte Ziad Ibhais im November der ARD. Nun hat die Familie des ehemaligen Kommunikationschefs des WM-Organisationskomitees (OK) die schweren Anschuldigungen gegen das Emirat mit neuen Schilderungen unterfüttert: Abdullah Ibhais, heißt es in einem durch die Menschenrechtsorganisation Fair Square veröffentlichten Statement, sei gefoltert worden.

Ibhais, 36, sitzt seit rund einem Jahr in Haft. Weil er sich bei einer Auftragsvergabe für eine Social-Media-Kampagne hat korrumpieren lassen, sagt ein katarisches Gericht. Weil ihn die Bedingungen für Arbeitsmigranten auf den Baustellen zu sehr bewegten, legen Berichte von Menschenrechtsorganisationen nahe.

Die Situation der Bauarbeiter in Katar ist das wichtigste Argument der Kritiker des Turniers. Auf den unzähligen Baustellen im Land sind Menschen ausgebeutet worden und ums Leben gekommen, das hat inzwischen auch OK-Chef Hassan al-Thawadi zumindest in Teilen zugegeben. Reformen seien notwendig gewesen und geschätzt zwischen 400 und 500 Menschen seien beim Bau für WM-Infrastruktur gestorben, sagte er nach WM-Beginn in einem TV-Interview. 414 "arbeitsbedingte Todesfälle" habe es landesweit zwischen 2014 und 2020 in "allen Sektoren" gegeben, teilte kurz darauf das Komitee mit. Eine SZ-Nachfrage, warum diese hochumstrittene Zahl erst jetzt mitgeteilt wurde, blieb bislang unbeantwortet.

Katars WM-Organisatoren antworten nicht auf drängende Fragen

Wie das Organisationskomitee das Schicksal der Arbeiter kommuniziert, das spielt auch im Fall Abdullah Ibhais eine wichtige Rolle: Al-Thawadi wollte 2019 offenbar kritische Berichterstattung verhindern - so legen es Protokolle eines WhatsApp-Chats mit Ibhais nahe, über die die ARD-Sportschau berichtet hatte, als Ibhais bereits verurteilt, aber noch auf freiem Fuß war. "Wir waren dazu da, ein PR-Image zu produzieren, unabhängig von den Fakten", sagte Ibhais. Er habe sich für streikende Arbeiter eingesetzt und sich damit gegen den WM-Chef gestellt. Das WM-Komitee wies die Vorwürfe als "lächerlich, diffamierend und absolut falsch" zurück.

Die Schilderungen der Familie befeuern die Vorwürfe erneut. Anfang November habe Ibhais vier Tage "in völliger Dunkelheit in Einzelhaft verbracht, nachdem er körperlich angegriffen worden war". Er soll sich demnach in einer zweimal ein Meter großen Zelle mit einem Loch im Boden als Toilette und "bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt" befunden haben.

In dem Brief richtet sich Ibhais' Familie auch an die Fifa, kritisiert das "Schweigen" und die "Gleichgültigkeit" des Weltverbandes und fordert die sofortige Freilassung. Ibhais ist zu drei Jahren Haft verurteilt.

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