Abby Ehler, Weltumseglerin :"Frauen-Teams sind emotionaler - und unruhiger"

Lesezeit: 3 Min.

45.000 Kilometer, einmal rund um die Erde: Abby Ehler stellt sich der größten Herausforderung im Segelsport. (Foto: Anna-Lena Elled/Getty Image)

Die 38-Jährige nimmt seit Oktober am Volvo Ocean Race teil - im einzigen rein weiblichen Team. Das Abenteuer endet an diesem Sonntag.

Von Thomas Becker

Abby Ehler (38), segelt seit dem Start am 11. Oktober in Alicante beim Volvo Ocean Race mit, als eine von zehn Seglerinnen im SCA-Team, dem einzigen reinen Frauen-Team unter sieben teilnehmenden Crews. Die Strecke: 45.000 Kilometer, einmal rund um die Erde, eine der härtesten Herausforderungen im Segelsport. Die Südengländerin aus Plymouth ist mit dem deutschen Ex-Profi-Segler Thomas Ehler aus Flensburg verheiratet und hat mit ihm den dreijährigen Sohn Harley. Das Rennen endet an diesem Sonntag in Göteborg.

SZ: Frau Ehler, wie geht's einem nach neun Monaten auf See?

Abby Ehler: Ganz gut. Ich werde nur definitiv immer müder. Ich merke schon, dass es Richtung Ende geht. Man kann so was ja auch nicht ewig machen.

Wie war Ihr Trip bisher so?

Ein bisschen was von allem. Teilweise sehr lange Etappen, alle möglichen Wetterbedingungen. Es wird einem schon einiges abverlangt.

Das glauben wir Ihnen direkt. Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis?

Südasien war schon besonders. Das waren Etappen, die man einfach überleben musste. Die Bedingungen waren schlichtweg entsetzlich, was Wellenhöhe oder Windstärke angehen. Das war genau das, worum es bei diesem Rennen geht: solche Bedingungen zu überstehen, das Boot und die Crew in einem Stück zu erhalten. Eine unglaubliche Erfahrung.

Wo hat es Ihnen besonders gut gefallen?

Asien! Bei meinem letzten Rennen 2001 verlief die Route wesentlich südlicher, diesmal ging es viel näher an der Küste entlang: von Abu Dhabi nach Sanya in China, entlang der Küste von Pakistan und Iran. Wir hatten Kontakt mit Fischern - das werden wir nie vergessen. Allein all die verschiedenen Arten zu fischen! Und wie unterschiedlich die auf uns reagiert haben! Herrlich!

Wo war es besonders gefährlich?

Wieder Südasien. Es hat uns daran erinnert, was für einen gefährlichen Sport wir betreiben. Mitte November sind wir da ziemlich übel gekentert. Das hat uns gezeigt, dass wir unsere Grenze erreicht haben. Das hat schon Angst gemacht, dass das Boot so lange brauchte, um sich wieder aufzurichten. Eine Weile lang erschien mir das alles unmöglich zu meistern. Aber in diesem Moment war auch klar: Du kannst dich jetzt nicht hängen lassen! Erst im Nachhinein wird einem klar, wie gefährlich das war.

Haben Sie mal an Aufgeben gedacht?

Nein. Auf jeder Reise gibt es Aufs und Abs - mit viel höheren Aufs als Abs. Uns allen war klar: Wir haben hier die Möglichkeit an einem einzigartigen Wettbewerb teilzunehmen, als erstes reines Frauen-Team seit zwölf Jahren. Da muss man auch bei übelsten Bedingungen das "big picture" sehen.

Segelt ein Frauen-Team anders als eine gemischte Crew?

Der Physis macht schon einen Unterschied. Deshalb sind wir auch zu zehnt statt zu siebt wie die Männer-Teams. Was das Persönliche angeht: Da sind Frauen-Teams wohl emotionaler - und vielleicht auch unruhiger. Doch das hat uns noch mehr zusammengeschweißt, trotz unserer so verschiedenen Charaktere.

Kannten sich alle zehn Seglerinnen vorab?

Vielleicht die Hälfte. Das hilft natürlich, wenn man sich kennt, so wie alle Männer-Crews, die seit vielen Jahre zusammen segeln.

Was war die längste Zeit auf See ohne Land zu sehen?

Gleich die erste Etappe von Alicante nach Kapstadt: 28 Tage.

Das ist lange.

Man ist ja mental darauf vorbereitet. Und es gibt an Bord auch genug zu tun.

Reden wir übers Essen: Wie sah der Speiseplan aus?

Unser Fertig-Essen ist gourmetmäßiger als Sie glauben! Es gab schon viele Optionen und einige Überraschungen, aber so langsam wiederholen sich die Gerichte natürlich schon.

Aber frische Ware in einem Hafen muss doch wie Weihnachten gewesen sein...

Klar. Wir hatten überhaupt kein Obst oder Gemüse an Bord, und so was war dann natürlich ein Fest.

Was haben Sie an Bord am meisten vermisst?

Ohne Zweifel: die Zeit mit meinem Sohn. Das hat mir wirklich fast das Herz zerrissen, immer wieder auf Wiedersehen zu sagen.

Wieso immer wieder?

Er ist mit seinem Vater zu vielen der elf Zwischenstopps rund um die Welt gereist. Aber dort war die Zeit immer viel zu kurz - und er wollte natürlich nie, dass ich wieder gehe. Aber wir haben im Team noch zwei andere Mamas, denen es ähnlich erging, mit Jungs im ähnlichen Alter.

Puh. Hatten Sie wenigstens ein Bild vom Junior dabei?

Nein. Segeln ist ein sehr intensiver Sport, wo Ablenkungen wirklich stören. Man isst und schläft, wenn es gerade geht - und freut sich auf die "quality-time" mit der Familie am Ende des Rennens.

Das Ende ist nahe. Am Sonntag noch ein In-Port-Race, dann ist die Reise zu Ende. Irgendeine Idee, wie der Tag danach sein wird?

Geprägt von einem ordentlichen Kater! Danach werden wir uns ein paar Tage zusammensetzen und nochmal alles durchgehen - und dann geht jeder wieder seiner Wege. Es wird komisch sein, morgens aufzuwachen und die Mädels nicht um einen zu haben, von denen man neun Monate lang so abhängig war. Andererseits: Ich bin schon auch froh, wenn ich mal wieder ein bisschen Platz und Zeit nur für mich habe- und keine pinkfarbenen T-Shirts tragen muss.

© SZ vom 28.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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