Karriereende von Aaron Hunt:Er spielte leise und so geht er nun auch

Karriereende von Aaron Hunt: Fußballer mit freundlichem Grunge-Gitarristen-Look: Aaron Hunt, hier 2019 für den HSV.

Fußballer mit freundlichem Grunge-Gitarristen-Look: Aaron Hunt, hier 2019 für den HSV.

(Foto: Andreas Gora/dpa)

Er wollte immer, dass sein Werk sich von selbst erklärt, er galt als großes Versprechen und wurde für manche in Bremen zum Sündenbock: Nun hat Aaron Hunt im Stillen seine Karriere beendet.

Von Christof Kneer

Als der Bremer Fußballspieler Aaron Hunt vom Bundestrainer Joachim Löw vor zwölf Jahren zu zwei A-Länderspielen eingeladen wurde, war er 23 Jahre alt und sah fast schon so alt aus, wie er heute ist. Darf man so etwas Uncharmantes sagen? Vielleicht muss man es in Hunts Fall sogar sagen, vielleicht kann man nur so verstehen, wie sehr diesem grundsätzlich großartigen Fußballspieler mitunter Unrecht widerfahren ist.

Im Laufe seiner Karriere, die er gerade offiziell beendet hat, ist Aaron Hunt, 35, immer wieder und viel zu oft nach optischen Gesichtspunkten beurteilt worden. Die Zuschauer auf den Tribünen haben dabei weniger auf seinen freundlichen Grunge-Gitarristen-Look geschaut, sondern immer nur auf seine Schultern. Sie haben diese Schultern gelegentlich hängen sehen und daraus den Schluss gezogen, dass das keiner sein kann. Die Bremer sind ja die Lieben im deutschen Fußball, aber auch sie haben sich mitunter ihre Sündenböcke geleistet, Rodolfo Cardoso war so einer oder Marko Arnautovic; Mesut Özil haben sie seine Körpersprache zur Last gelegt, Miroslav Klose wurde die Liebe entzogen, als er in einer Tiefgarage in Hannover den Klassenfeind Uli Hoeneß traf. Aber kaum einer war als Schwarzer Peter so beliebt wie Aaron Hunt.

Hunt konnte durch ein Fußballspiel gleiten und schweben, aber die Gleiter und Schweber sind im Fußball traditionell in der Gefahr, verkannt zu werden; erst recht so stille Brüter wie Hunt, die hoffen, dass ihr Werk sich von selbst erklärt. "Wir wollen euch kämpfen sehen", rufen die Leute, und was sie unter Kämpfen verstehen, definieren sie sicherheitshalber selbst. Wahrscheinlich hat Aaron Hunt ja gekämpft. Es sah bei ihm halt nur anders aus.

Er ist mit Werder Pokalsieger geworden und stand im Uefa-Cup-Finale

Aaron Hunt hört jetzt also auf, das hat er am Anfang dieser Woche bekannt gegeben. Wenn ein Fußballspieler aufhört, hinterlässt er neben vielen Erinnerungen immer auch die Frage, ob seine Karriere dem angemessen war, was man sein Talent nennen könnte. In Hunts Fall muss man glasklar sagen: kann sein. Aber man weiß es nicht.

Mühelos hielt er mit, wenn Miroslav Klose, Ivan Klasnic und Diego bei Werder Bremen auf Höchstniveau miteinander kombinierten; mit hoher Jobzufriedenheit sauste der Ball von Mesut Özil und Claudio Pizarro zu Aaron Hunt und wieder zurück. In seinen jungen Jahren war Hunt ein großes Versprechen, das er im Rückblick vielleicht nicht ganz eingehalten hat. Einerseits. Andererseits war er deutlich besser, als die Wir-wollen-euch-kämpfen-Seher das wahrhaben wollten.

Hunt wird nun für immer mit 304 Bundesligaspielen und 57 Toren im Bundesliga-Almanach verewigt sein, er ist mit Werder Pokalsieger geworden, stand im Uefa-Cup-Finale, in der Champions League haben sie Real Madrid besiegt. In seinen späteren Karrierejahren hat er sich beim Hamburger SV nochmal neu erfunden und tapfer einige Härten ertragen. Unter Trainern, die zum Beispiel Gisdol hießen, hat er sich sogar noch das moderne Pressingspiel drauf geschafft und sich nach dem Abstieg in die zweite Liga nachsagen lassen, er seit jetzt ein Führungsspieler.

Seit Juli war Hunt ohne Verein, er wollte sich bis zum Winter Zeit geben, nochmal was finden. Aber es gibt nicht mehr viele Vereine, die in der Coronazeit Geld für einen 35-Jährigen übrig haben, und er wollte nirgendwo mehr hin, wo es das Geld gibt, aber keine Fußballkultur. Er geht jetzt einfach still, und wieder erklärt er nichts.

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