7:0-Sieg gegen Gibraltar:Ausgefeilter Fußball erst nach der Pause

Ilkay Gundogan, Max Kruse

Deutsche Torschützen unter sich: Ilkay Gündogan und Max Kruse (links)

(Foto: Francisco Seco/AP)
  • Nach einer seltsam matten Darbietung gewinnt die deutsche Mannschaft am Ende doch noch standesgemäß in Gibraltar mit 7:0 und geht mit einem Erfolgserlebnis in die Sommerpause.
  • Bundestrainer Joachim Löw feilt sich während der Partie die Nägel.
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Von Maik Rosner, Faro

Als es vollbracht war, verließen die Spieler der deutschen Nationalmannschaft nur bedingt erfreut den Rasen im Estádio Algarve im südportugiesischen Faro. Die Pflicht erfüllt und gewonnen hatte die Mannschaft von Joachim Löw zwar. Doch das 7:0 (1:0) gegen den Fußball-Zwerg Gibraltar in der Qualifikation für die EM 2016 war vor allem in der ersten Hälfte alles andere als der überzeugende Erfolg, den sich der Bundestrainer zum Urlaubsbeginn gewünscht hatte.

Mehr als André Schürrles Tor (28.) bekamen die 7464 Zuschauer in der EM-Arena von 2004 vom Weltmeister bis zur Pause nicht geboten, dafür aber jede Menge Chancen für Gibraltar. Erst in der besseren zweiten Halbzeit schossen Max Kruse (47./81.), Ilkay Gündogan (51.), Karim Bellarabi (57.) und erneut Schürrle (65./71.) ein standesgemäßes Ergebnis heraus.

"Situationen, wo ich gerne mal was teste, was ausprobiere"

Wirklich glücklich konnte Löw mit diesem Saisonabschluss dennoch nicht sein, trotz des ungünstigen Termins und obwohl seine Mannschaft in der Gruppe D nun auf dem zweiten Tabellenplatz übersommert, der am Ende der Qualifikation die direkte Versetzung zum Turnier in Frankreich garantieren würde. Vielleicht war es sogar Ausdruck einer gewissen Verärgerung oder auch eines Desinteresses, dass er sich zwischendurch sogar der Körperpflege widmete. Löw feilte sich beim Stande von 4:0 tatsächlich die Nägel - ein Novum auf einer deutschen Trainerbank, dass schnell zum Top-Thema in den sozialen Netzwerken wurde. Jogi feilt's sich schön, nach dem 7:0 sagte Löw: "Es gibt manche Situationen, wo ich gerne mal was teste, gerne mal was ausprobiere." Das galt dann aber weniger seiner Maniküre als taktischen Varianten.

Trotzdem: Mit einem ähnlich mäßigen Auftritt wie nun in Faro könnte er im Herbst in den wichtigen Qualifikationsspielen gegen Polen sowie in Schottland und Irland eher zum Nägelkauen verleitet werden. Allerdings werden dann auch wieder Manuel Neuer, Thomas Müller, Toni Kroos, Mats Hummels, Marco Reus und Benedikt Höwedes mitwirken. Und auch die Motivationslage wird eine andere sein als mitten im unterbrochenen Sommerurlaub.

Eingefügt hatte sich der Auftritt der ersten Hälfte in die mäßige Bilanz nach dem Titelgewinn in Brasilien. Zehn Spiele hat die DFB-Auswahl seit dem Finale von Rio de Janeiro absolviert und dabei fünf Siege, zwei Unentschieden und drei Niederlagen zusammengetragen, bei 22:12 Toren.

Es war ein Spiel, das die deutsche Elf natürlich weitgehend Zeit bestimmte, sich allerdings einige unrunde Aktionen erlaubte. Wie beim wenig überzeugenden 4:0 im ersten Vergleich im November galt das für die nun wieder einmal formierte Doppelspitze sowie für die Dreierkette in der Abwehr, die sich gleich einem kecken Angriff Gibraltars ausgesetzt sah. Liam Walkers wuchtiger Distanzschuss flog allerdings am Tor von Roman Weidenfeller vorbei.

Lasch und unpräzise: Schweinsteiger verschießt Elfmeter

Überraschenderweise musste sich der 34 Jahre alte Dortmunder in seinem ersten Pflichtspielauftritt und seinem vielleicht schon letzten Länderspiel danach sogar mehrfach auszeichnen, denn Gibraltar spielte frech mit und hatte vor allem in der ersten Halbzeit einige gefährliche Torannäherungen im Programm, wie jene von Aaron Payas (21.). Und als Jake Gosling nach einer halben Stunde frei zum Abschluss kam, bedurfte es sogar eines beachtlichen Reflexes des deutschen Torhüters, um den zwischenzeitlichen Ausgleich zu verhindern.

Über mangelnde Beschäftigung beklagen konnte sich auch Weidenfellers Gegenüber Jordan Perez nicht. Immer wieder lief Löws Elf an, taugliche Abschlüsse kamen dabei aber zunächst selten heraus. Was der Bundestrainer schon vor der Partie als einen Makel angesprochen hatte, die mangelnde Konsequenz beim Spiel im letzten Drittel nämlich, war auch diesmal lange zu beobachten. Löws Feststellung, "wir belohnen uns in den letzten Monaten manchmal nicht", galt zunächst vor allem wegen Bastian Schweinsteigers lasch und unpräzise verschossenem Foulelfmeter, den Perez abwehren konnte (10.). Auch danach entwickelte sich zunächst nur selten die nötige Rasanz und Wucht, um Gibraltars dichten Abwehrverbund entscheidend auszuhebeln.

Kramer steigt in den falschen Bus

Es dauerte fast eine halbe Stunde, ehe Deutschland durch Schürrle in Führung ging. Doch "Spaß und Freude über 90 Minuten", wie Löw gefordert hatte, waren allenfalls 45 Minuten lang zu beobachten. Gibraltar hätte den zwischenzeitlichen Ausgleich und das erste Heimtor in der EM-Qualifikation durchaus verdient gehabt, zumal die DFB-Elf hinten zunächst ebenso wenig überzeugte wie vorne.

Das galt auch in der zweiten Halbzeit teils noch, als Lee Casciaro (nach Schweinsteiger-Patzer) mit einem etwas zu hoch angesetzten Lupfer den Ehrentreffer ebenso nur knapp verpasste wie Walker mit einer Direktabnahme. Immerhin: Bei Gibraltar sah das durchaus nach Spaß und Freude aus. Und später auch bei Deutschland.

Den meisten Spaß hatten Podolski & Co. allerdings nach dem Duschen: als der Bald-Leverkusener Christoph Kramer (jener Weltmeister, der sich im Finale nach einem Knock-out nicht mehr erinnern konnte, um welche Partie es sich gerade handelte) in den falschen Bus stieg. Den von Gibraltar.

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