50 Jahre WM-Finale 1966:Und ewig fällt das Wembley-Tor

Drin oder nicht drin? Heute vor 50 Jahren entschied Linienrichter Bachramow im WM-Finale zwischen Deutschland und England auf Tor - sein Urteil könnte einen politischen Hintergrund gehabt haben.

Von Martin Schneider

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Hurst Scores

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Auf den Tag genau 50 Jahre ist der berühmteste Ball-Aufsprung der Fußball-Geschichte nun her: Es ist der 30. Juli 1966 in London, die Verlängerung im WM-Finale zwischen England und Deutschland läuft seit elf Minuten und Geoff Hurst schießt den Ball unter die Latte des deutschen Tores. Die Kugel springt auf die Linie, Wolfgang Weber köpfelt ihn über das Tor. Der Rest ist Legende. Der deutsche Torwart Hans Tilkowski muss immer noch von diesem Augenblick erzählen - er sagt, er war sich sofort sicher, dass der Ball nicht im Tor war. Seine Biografie trägt den Titel "Und ewig fällt das Wembley-Tor".

World Cup Fans

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Die Geschichte dieses WM-Finales beginnt natürlich früher. Zum ersten Mal überhaupt findet das Turnier im Mutterland des Fußballs statt. England bekam die WM unter anderem wegen dieses Arguments: Auf der Insel gibt es schon über hundert Jahre lang Fußball (der englische Verband FA wurde 1863 gegründet). Vor dem Finale trägt Englands verrücktester Fan Ken Bailey eine Standarte mit den drei Löwen, den Three Lions. Bailey war der Nationalmannschaft über Jahrzehnte treu, bis kurz vor seinem Tod 1993 reiste er zu den Spielen der Nationalmannschaft.

England vs Germany

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Vor dem Spiel war Strammstehen angesagt. Englands Nationaltrainer Alf Ramsey prägte den Spruch: "Never change a winning Team" und stellt exakt die gleichen elf Spieler wie im Halbfinale gegen Portugal auf. Deutschland hatte sich gegen die Sowjetunion durchgesetzt und bietet im Finale den jungen Franz Beckenbauer und Wolfgang Overath auf. Vorne stürmt Uwe Seeler. 97 000 Zuschauer quetschen sich ins Wembley-Stadion, als die Hymnen gespielt werden.

Bobby Charlton

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Englands Spielmacher und Kopf der Mannschaft ist Bobby Charlton. Er ist einer der Überlebenden des Flugzeugabsturzes 1958 in München, bei dem acht Spieler von Manchester United starben. Bundestrainer Helmut Schön sieht in ihm den stärksten Engländer und befiehlt Beckenbauer, Charlton in Manndeckung zu begleiten. Das Ergebnis: Beide Spielmacher nehmen sich gegenseitig aus der Partie und so prägen andere Figuren dieses aufregende Endspiel.

German Goal

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Das erste Tor schießt Helmut Haller in der zwölften Minute. Nach einer Flanke von Siggi Held wehrt der Engländer Ray Wilson den Ball mit dem Kopf zu kurz ab, Haller zieht ab. Es ist das fünfte Tor des Augsburgers in diesem Turnier. Aber die Führung hält nur schwache sechs Minuten. Geoff Hurst köpfelt den Ball zum Ausgleich, sein Bewacher Horst-Dieter Höttges steht zu weit weg.

Cup Final 1966

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Lange besteht das 1:1 und nachdem die deutschen in der ersten Halbzeit kurz überlegen sind, spielen die Engländer in der zweiten Hälfte mit mehr Power. Die deutsche Abwehr um Willi Schulz, Wolfgang Weber und Karl-Heinz Schnellinger hält stand, das 2:1 durch Martin Peters (im Bild) fällt nach einer unglücklichen Abwehr von Höttges.

Weber Equalises

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Aber Deutschland ist erst besiegt, wenn der Schiedsrichter abpfeift. 15 Sekunden vor dem Ende macht sich Wolfgang Weber lang und grätsch den Ball zum 2:2 über die Linie. Weil dem Tor ein Freistoß vorausging, tobt Englands Trainer Ramsey. Seiner Meinung nach eine Fehlentscheidung. Fernsehbilder beweisen später: Der Pfiff ist korrekt, weil Charlton sich bei Siggi Held aufgestützt hatte. In der Pause zur Verlängerung sagt Ramsey seinen Spielern: "Schaut sie euch an, sie sind fertig."

Hurst Scores

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Der Spielfilm zum berühmtesten Nicht-Tor des Fußballs: Geoff Hurst bekommt den Ball vom Engländer Alan Ball, der Deutschlands Abwehr immer wieder mit seinen Flügelläufen auseinanderzieht. Hurst kann den Ball frei am Fünfmeterraum annehmen, steht aber mit dem Rücken zum Tor. Mit einer dynamischen Drehung schießt er ...

Hurst Scores Third

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... und der Ball fliegt über Hans Tilkowskis Schiebermütze an die Unterkante der Latte. Er springt auf, Weber bugsiert ihn über das Tor und der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst entscheidet zunächst auf Ecke. Der Linienrichter Tofik Bachramow deutet aber an: Tor. Andeuten ist in diesem Sinne wörtlich zu nehmen, denn die Schiedsrichter verständigen sich per Zeichensprache: Bachramow spricht nur Russisch und Aserbaidschanisch. Dienst glaubt Bachramow, obwohl der viel weiter entfernt stand und entscheidet auf Tor für England.

1966 World Cup

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Später sagt Bachramow, er habe nicht gesehen, dass der Ball hinter der Torlinie war, habe aber aus dem spontanen Jubel der englischen Spieler darauf geschlossen. In seinen Memoiren schrieb er allerdings, er habe gesehen, wie der Ball das Netz berührte - was allerdings zu keinem Zeitpunkt auch nur annährend der Fall war. Einer Legende nach soll Bachramow vor seinem Tod auf die Frage, warum er sich bei dem Tor so sicher war, nur mit dem Wort "Stalingrad" geantwortet haben. Sein Sohn widersprach in einem Interview mit dem Magazin 11Freunde nicht. In seiner Heimat ist der Linienrichter ein Held, in Baku steht eine riesige Bronze-Statue.

World Cup Final

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Nach einem ebenso irregulären Tor der Engländer zum 4:2 (es liefen bereits Zuschauer auf dem Platz herum) gewinnen die Three Lions zum ersten und einzigen Mal den Weltmeister-Titel. Die Deutschen verlieren fair, Bundestrainer Schön sagt frei von Ironie: "England ist wirklich ein würdiger Weltmeister." Franz Beckenbauer findet, man habe dem Gegner "die Tore aber auch halb geschenkt". Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt. Deutschland wird drei weitere Male Weltmeister, England hat es nie geschafft, das Erbe von 1966 zu bewahren. Der größte Erfolg seitdem: ein vierter Platz bei der WM 1990, der einzige Halbfinal-Einzug seit 1966. Und weil sich Geschichte immer irgendwie wiederholt, traf Frank Lampard im Achtelfinale der WM 2010 nach einem Lattenschuss gegen Deutschland das Tor. Es wurde nicht gegeben.

© Sz.de/schm/jbe/bön
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