Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Würzburg lernt Profi-Fußball

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Von Fabian Swidrak

Wie sich nationale Aufmerksamkeit anfühlt, wissen die Würzburger Kickers nun bereits. Vergangene Woche machte im Internet das Foto einer Klatschpappe die Runde, die der Fußball-Drittligist vor dem Heimspiel gegen Hansa Rostock verteilt hatte. Darauf abgedruckt: eine an die Anhänger gerichtete Anleitung für korrekten Torjubel. "Stadionsprecher: Spieler Vorname. Fans: Spieler Nachname. Stadionsprecher: Neuer Spielstand, Kickers. Fans: XX. Stadionsprecher: Gäste. Fans: 0", steht unter anderem auf dem viel beachteten Stück Karton. In den sozialen Netzwerken ernteten die Kickers dafür eine Menge Spott. Selbst die eigene Fanszene appellierte auf ihrer Homepage: "Damit macht man sich höchstens zum Affen. Tut euch und der Fankultur einen Gefallen und tut das einzig richtige: Werft den Scheiß einfach in den nächsten Mülleimer."

Die Vereinsführung wiederum reagierte geschäftstüchtig und nahm die Klatschpappe kurzerhand ins Sortiment des vereinseigenen Online-Fanshops auf. Das Angebot ist auf 10 000 Exemplare limitiert und hat einen stolzen Preis - fünf Euro. Der Erlös soll in die Finanzierung der Rasenheizung fließen, die die Würzburger im Sommer in ihrem Stadion installieren müssen. Der Kickers-Vorstandsvorsitzende Daniel Sauer sagte zu der Aktion: "Ein bisschen Selbstironie schadet nicht."

Das Publikum des Vereins, der vor einigen Jahren noch in der Landesliga kickte, weiß nun jedenfalls Bescheid, wie das im Profifußball funktioniert mit den Vor- und Nachnamen. Gerade noch rechtzeitig: Das Ziel Zweitliga-Aufstieg können die Kickers früher realisieren als erhofft. Zumindest eine Teilnahme an der Aufstiegsrelegation im Mai ist nach dem 2:1-Erfolg bei Energie Cottbus am Wochenende noch wahrscheinlicher geworden. Bereits am Samstag (13.30 Uhr) können die Würzburger den dafür nötigen dritten Tabellenplatz mit einem Sieg gegen Holstein Kiel, das im Vorjahr in der Relegation nur knapp an Zweitligist TSV 1860 München scheiterte, rechnerisch sichern. Die bundesweite Aufmerksamkeit wäre dem FWK erneut sicher.

Trainer Bernd Hollerbach und seine Spieler sprechen nach wie vor nicht von der Relegation und tun so, als wäre ihnen die historische Chance vollkommen egal. Seit Einführung der dritten Liga gelang einzig RB Leipzig der Durchmarsch in Liga zwei. "Wir wollen gegen Kiel gewinnen, ganz egal, was das dann bedeutet", sagte Mittelfeldstratege Rico Benatelli nach dem starken Auftritt der Kickers in Cottbus. Hollerbach hatte jedoch schon vor zwei Wochen durchblicken lassen, dass er durchaus ambitioniert in die letzten Saisonspiele geht. Beim 1:0-Sieg in Aalen war er von Schiedsrichterin Riem Hussein auf die Tribüne geschickt worden, weil er sich mehrfach lautstark über ihre Entscheidungen beschwert hatte. Anschließend erklärte Hollerbach, er könne schon mal unangenehm werden, "weil einfach so viel auf dem Spiel steht".

In einem möglichen Relegations-Hinspiel am 20. Mai hätten die Kickers Heimrecht. Eine Delegation der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat das Würzburger Stadion bereits besichtigt. Aktuell spricht nichts gegen eine Austragung der Partie am Dallenberg. "Alle waren positiv von unserer infrastrukturellen Entwicklung in den vergangenen Monaten überrascht", sagt Vorstandsboss Sauer. Weil auch die Torlinientechnik zum Einsatz käme, müssten vor dem Spiel aber 14 zusätzliche Kameras im Stadion installiert werden. Sauer ist sich sicher, auch diese Herausforderung zu meistern. Und auch der Einsatz von neuen Relegations-Klatschpappen, die etwa die Auswärtstor-Regelung erläutern könnten, ist ohne Probleme möglich: Die Kickers werden schließlich von einer Großdruckerei alimentiert.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2016
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