TSV 1860 München:Glänzend geübt

TSV 1860 München: Jubel im Nebel: Torschütze Richard Neudecker (links) und Keanu Staude feiern den Treffer zum 3:2.

Jubel im Nebel: Torschütze Richard Neudecker (links) und Keanu Staude feiern den Treffer zum 3:2.

(Foto: Stefan Matzke/sampics)

Die Löwen drehen einen 0:2-Rückstand gegen Wiesbaden in einen enorm wichtigen 3:2- Sieg. Entscheidend sind das gewachsene Selbstvertrauen der Innenverteidiger und die neue Stärke bei eigenen Standardsituationen.

Von Christoph Leischwitz

In der Krise beweist sich der Charakter, heißt es gerne, und am Samstagnachmittag gegen 14.25 Uhr war bei 1860 München mal wieder eine kleine Krise ausgebrochen. Die Löwen selbst hatten ja dieses Drittliga-Fußballspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden in seiner Bedeutung enorm hochgejazzt, Trainer Michael Köllner hatte mit seinem Spruch von einem "geilen Januar" auch zur Attacke aufgerufen, denn klar ist: Wenn die Löwen noch eine Chance haben wollen, in der Aufstiegsfrage mitzureden, dann braucht es gegen die besser platzierten Teams wie gegen Kaiserslautern (25. Januar) oder eben Wehen Wiesbaden auch geile Ergebnisse, sonst fehlt dieser Spielzeit schon früh die Sinnhaftigkeit.

Dann aber das: Nach 22 Minuten stand es 0:2, der zweite Treffer war aufgrund einer kniffligen Abseitsfrage "diskussionswürdig" (Köllner), aber in seinem Entstehen in jedem Fall so, dass man schon mit dem Schicksal hadern konnte. Marius Willsch muss verletzt raus (29.), gute Tormöglichkeiten werden teilweise recht kläglich vergeben. Kurz: Die Situation erschien zunächst einmal ähnlich hoffnungslos wie in den beiden Heimspielen gegen Waldhof Mannheim und den 1. FC Magdeburg, die Anfang Dezember zur Suspendierung und letztlich zum Weggang von Kapitän Sascha Mölders führten.

"Wir hatten vorher schon Rückenwind, jetzt haben wir noch mehr", schwärmt Köllner

Der Umgang mit dieser Situation war jedoch ein gänzlich anderer. Und so gewann 1860 die Partie tatsächlich noch 3:2 (0:2), "wir hatten vorher schon Rückenwind, jetzt haben wir noch mehr", sagte ein schwärmerischer Köllner, dessen Schlusspfiffjubel auf dem Spielfeld entsprechend ausgelassen daherkam. Und selbst das kuriose Nichtabseits, als Wiesbadens Kevin Lankford einem Steilpass hinterherlief, den Ball aber doch nicht annahm, um sich dann aber seinem Gegenspieler Stephan Salger aktiv in den Weg zu stellen, war dann für Köllner nur noch eine Randnotiz, weil er zu "eintausendachthundertsechzig Prozent" zufrieden sei mit dem Ergebnis. Übrigens wird auch Willsch wohl nur wenige Tage fehlen.

Die Segel richtig gesetzt habe man freilich schon vor der Weihnachtspause, mithilfe zweier Siege ohne Gegentore. Gegen Wehen Wiesbaden zeigte sich, dass die Mannschaft jetzt auch wieder Rückschläge verkraften kann. "Wir wussten ja, wir haben kein schlechtes Spiel gemacht, wir haben uns nur zwei dumme Dinger gefangen", sagte Abwehrspieler Semi Belkahia. Das klang auffällig unbekümmert, dabei hatte gerade Belkahia in den Krisenspielen besonders viel Verunsicherung gezeigt. Diesmal "hat er wegverteidigt", lobte Köllner, und das sei gar nicht einfach gewesen gegen so einen starken Gegner. Seine so ziemlich einzige unglückliche Aktion hatte der 23-Jährige ausgerechnet, als er einen Ball auf der Linie klärte - und dadurch das 0:1 durch Florian Carstens einleitete (11.). Dafür erzielte er später, nach einem Lex-Freistoß, mit einem gefühlvollen Kopfball noch das wichtige 1:2-Anschlusstor (36.).

Den Ausgleich erzielte der Nachbar aus der Abwehr, Stephan Salger, kurz nach Wiederanpfiff, als er nach einer Ecke gleich zweimal frei zum Schuss gekommen war (50.). Überhaupt, die Standards: Es sei doch "glänzend" gewesen, sagte Köllner, dass man sie im Trainingslager in der Türkei verstärkt habe einüben können. Das gewachsene Selbstvertrauen der Innenverteidiger hat noch einen weiteren, für einen Trainer angenehmen Nebeneffekt: Es gibt auf dieser Position endlich einmal wieder Konkurrenzkampf. Niklas Lang, der wegen einer Knieverletzung sechs Spiele verpasst hatte, war davor zum Stammspieler geworden anstatt des oftmals wackeligen Belkahia.

Neudecker fehlt im nächsten Ligaspiel gelbgesperrt - dafür kann er "am Dienstag Vollgas geben"

Auch wenn letztlich alle drei Sechzig-Tore nach Standards fielen, so wirkte das Spiel nach vorne oft schnörkellos und zielgerichtet - oder auch gerade deshalb. Es war ja kein Zufall, dass sich die Löwen viele Eckbälle und Freistöße aus aussichtsreichen Situationen erarbeiteten. Fast immer involviert waren Stefan Lex und/oder Richard Neudecker, Letzterer hatte kurz vor dem 2:2 auch schon Wehens Keeper Florian Stritzel mit einem ruhenden Ball zu einer Glanzparade gezwungen. Ob sein Freistoßtor zum 3:2 (69.) ihm oder doch Stefan Lex angerechnet werde, der den Ball stark ablenkte, das sei ihm ziemlich egal.

Nicht egal ist, dass Neudecker aber wegen seiner fünften gelben Karte im nächsten Ligaspiel fehlen wird. Dafür könne "Richy am Dienstag Vollgas geben", sagt der Trainer. Ein Pokal-Achtelfinale gegen den Zweitligisten Karlsruher SC, mit viel Rückenwind und trotzdem als Außenseiter - es gab zuletzt sehr viel verzwicktere Ausgangslagen für 1860 München. Nötig wäre noch eine merkliche Verbesserung bei Defensivstandards, bei denen sich das Team weiter anfällig zeigte. Doch egal wie und nach wie vielen Minuten es endet, es wird ein Spiel ohne jegliches Krisengerede werden.

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