Dritte Liga:Letzter Ausweg: Fußballer-Ehre!

Türkgücü München: Eckfahne im Münchner Olympiastadion

Türkgücü München stellt den Spielbetrieb ein.

(Foto: Markus Fischer/imago images/Passion2Press)

Das drohende Sofort-Aus für das insolvente Türkgücü München hat zur Folge, dass drei verschiedene Tabellen-Szenarien existieren. Eine gerechte Lösung zu finden, ist nicht einfach - oder doch?

Kommentar von Philipp Selldorf

Die dritte Fußball-Liga gibt zurzeit, wie es ihrer traditionell flatterhaften Natur entspricht, ein unübersichtliches Bild ab. Zwar lässt sich auf den Sportseiten eine vermeintlich amtliche Tabelle finden, die den Stand des Wettbewerbs anzeigt. Aber neben der aus dem Spielbetrieb gewonnenen Übersicht existieren mindestens zwei weitere Schatten-Tabellen, die ebenfalls Anspruch auf reale Aussagekraft besitzen.

Der Verein, der das Zählwerk und den Wettkampf durcheinanderbringt und die betroffenen Vereine in große Unruhe versetzt, ist Türkgücu München. Der Klub befindet sich im Vorstadium eines in Kürze zu eröffnenden Insolvenzverfahrens. Dass er die Mittel aufbringt, um doch noch unter professionellen Umständen die Saison zu Ende zu spielen, darf als unwahrscheinlich gelten. Der DFB hat in Reaktion auf die Zahlungsunfähigkeit bereits den Abzug von elf Punkten verfügt. Daraus ergibt sich Tabelle Nummer zwei: Die Münchner würden vom 16. auf den letzten Platz zurückfallen - und wären sportlich kaum noch zu retten.

Der Punktabzug erfolgt jedoch nur dann, wenn Türkgücü sportlich noch eine Weile durchhielte, was dringend fraglich erscheint. Denn sollte das Team vor Abschluss der Frist am 33. Spieltag abgemeldet werden, fielen sämtliche bisherigen Saisonresultate mit Türkgücü-Beteiligung aus der Wertung. Das ergäbe dann Tabelle Nummer drei - ein Klassement, das neue Tatsachen schaffen würde.

Saarbrücken wäre benachteiligt, wenn Türkgücü aus der Wertung fiele - dementiert aber einen angeblichen 500 000-Euro-Plan

So müsste etwa der aktuelle Tabellenfünfte 1860 München lediglich auf einen Punkt verzichten, während dem Tabellendritten 1. FC Saarbrücken gleich sechs erkämpfte Punkte aus den zwei Begegnungen mit Türkgücü abhandenkämen. Vor dem Hintergrund dieser zweifellos eklatanten Ungleichbehandlung entstand nun das Gerücht, dass der Saarbrücker Gönner Hartmut Ostermann Türkgücü eine halbe Million Euro zur Verfügung stellen wolle, damit die Münchner bis zum entscheidenden Stichtag am Ball bleiben könnten - und der FCS seine sechs Punkte behalten dürfte. Allerdings war das tatsächlich nur ein Gerücht. Der 1. FC Saarbrücken dementierte den angeblichen Plan und erneuerte zugleich in strengem Tonfall die Aufforderung an den DFB, für einen "korrekten Spielbetrieb ohne Wettbewerbsverzerrung" zu sorgen.

Das ist nun allerdings eine Aufgabe, die sogar den weisen König Salomon überfordern müsste. Die Lösung mit den Streichresultaten ist eine logische, aber schlechte Lösung, so viel ist klar. Doch sollten Türkgücüs Resultate bestehen bleiben, obwohl der Verein am Saisonfinale nicht mehr teilnimmt, bekämen einige Klubs dank der Gnade der Spieltagsplanung die Punkte am Schluss kampflos geschenkt - und das wäre auch nicht in Ordnung. Dass der DFB in Wahrung seiner Veranstalterpflicht den Münchnern die gesamte Restsaison finanziert, ist wiederum rechtlich umstritten.

Letzter Ausweg wäre also das Modell Fußballer-Ehre: Türkgücüs Spieler blieben die restlichen acht Spieltage auf dem Rasen und spielten die Saison - krankenversichert, aber unentgeltlich - zu Ende. Klingt abenteuerlich. Aber in dieser flatterhaften dritten Liga geschah erst am vergangenen Wochenende das jüngste Wunder: Da besiegten just die insolventen Münchner den überlegenen Tabellenführer Magdeburg mit 2:1.

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