Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Sehnsucht nach dem Paradies

Die Klubs beraten über den Spielbetrieb in Corona-Zeiten. Je nach regionaler Vorgabe wollen sie auch wieder Publikum zulassen.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Publikum in Zwickau, aber nicht in Ingolstadt? Auf dem Betzenberg, aber nicht in Giesing? In der dritten Fußball-Liga könnte es nach dem Saisonstart am 18. September zu standortbedingten Unterschieden kommen, was die Zulassung von Zuschauern angeht. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Klubs der 3. Liga verständigten sich am Dienstag bei einer Managertagung jedenfalls darauf, dass sich die Zahl der Zuschauer "nach den regionalen Verfügungslagen richten" und von jedem Klub "mit den zuständigen Gesundheitsbehörden individuell vor Ort" abgestimmt werden muss. Das bedeute eben auch, dass es an einigen Standorten zur Zulassung von Fans kommen kann, während gleichzeitig andere Klubs bei ihren Heimspielen weniger oder gegebenenfalls noch gar keine Zuschauer in den Stadien begrüßen dürfen, hieß es in der Mitteilung des DFB.

Die Klubs in Bayern, wo es nach Nordrhein-Westfalen die zweitmeisten Corona-Fälle gibt und strengere Regelungen als in anderen Bundesländern, müssen sich also darauf einstellen, einen Nachteil zu haben. Während die Regionalliga Nordost mit Publikum gestartet ist - Carl Zeiss Jena durfte im Stadion, das passenderweise Paradies genannt wird, 1895 Zuschauer zulassen, in Sachsen und Sachsen-Anhalt lag die Obergrenze bei 1000 -, sind in Bayern nur Spiele ohne Zuschauer möglich.

Über die Verteilung der TV-Gelder will der TSV 1860 München das "Ungleichgewicht kompensieren"

Der TSV 1860 München teilte auf SZ-Anfrage mit, dies stelle "natürlich sowohl in sportlicher als auch in wirtschaftlicher Ansicht keinen Vorteil für 1860 München" dar. Er habe "zur Diskussion angeregt, dieses Ungleichgewicht über die Ausschüttung aus den TV-Einnahmen zu kompensieren". Gut für die Löwen ist immerhin, dass sie trotz der Situation bereits rund 6000 Dauerkarten verkauft haben - davon rund drei Viertel in der so genannten "Löwenherz"-Variante, also ohne Rückerstattungsrecht, wenn Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Damit wären sie, würde man diese Geistertickets mit einberechnen, womöglich gar kein Nutznießer einer solchen Kompensation.

Manfred Schwabl, Präsident der SpVgg Unterhaching, wurde in der Sitzung in die neue Task Force zur Zukunft der 3. Liga gewählt. Er sieht die Sache anders als 1860, die SpVgg hängt allerdings auch weniger stark von Zuschauereinnahmen ab. "Man kann in Krisenzeiten nicht alles gegeneinander aufrechnen, da muss man einfach die Ärmel hochkrempeln", findet Schwabl: "Wenn in Bayern die Bestimmungen härter sind, dann ist das eben so." Deshalb setzte er sich auch für die örtlichen Regelungen ein: "Ich habe in der Sitzung gesagt: Wenn sie in Bayern im Stadion Bier erlauben, weil das bei uns ein Grundnahrungsmittel ist, dann ist das auch Wettbewerbsverzerrung. Wo soll man da anfangen und wo soll man aufhören, das gegeneinander aufzurechnen? Damit kommt man nicht weit." Es würde sich ja beispielsweise die Frage stellen, wie konkret sich der Ausfall imaginärer Zuschauererlöse überhaupt beziffern ließe. Und ob dann nicht auch die bei Geisterkulissen verringerten Sponsoren-Einnahmen miteinberechnet werden müssten - was die Rechnung noch komplizierter gestalten würde als ohnehin schon. Die Zuschauereinnahmen in einen Topf zu werfen und an alle Klubs zu verteilen, ist für Schwabl ebenfalls "Schmarrn", denn: "So weit geht die Solidarität ganz sicher auch wieder nicht."

Wie in der ersten und zweiten Bundesliga wurde festgelegt, dass vorerst nirgendwo Gästefans zugelassen sind. Die Regelung gilt zunächst bis zum 31. Dezember. Neben Sitzplätzen soll in der 3. Liga aber grundsätzlich auch der Verkauf von Tickets für den Stehplatzbereich erlaubt sein, sollte es die behördliche Verfügungslage dem jeweiligen Klub gestatten; das hat auch damit zu tun, dass etliche Stadien einen wesentlich höheren Anteil an Stehplätzen aufweisen als in den höheren Spielklassen. Auch die Drittligisten einigten sich auf ein grundsätzliches Ausschankverbot von Alkohol. Im Falle einer ausdrücklichen Genehmigung durch die örtlichen Behörden kann der betreffende Klub dieses Verbot jedoch aufheben und alkoholische Getränke in seinem Stadion ausschenken - etwa, wenn sie Schwabls These vom bayerischen Grundnahrungsmittel folgen.

In die Task Force wurden neben Schwabl laut Kicker auch Markus Merk (Kaiserslautern), Christian Seiffert (Saarbrücken) und Frank Strüver (Uerdingen) gewählt - die Kandidaten der Klubs, die die abgelaufene Spielzeit abbrechen wollten; Markus Kompp (Mannheim) und Thoralf Wagner (Zwickau) fielen hingegen bei der Wahl durch. In der Task Force gehe es darum, Lösungen zu finden, "dass die Vereine in der dritten Liga überleben können", sagt Schwabl. Dieses Problem gab es auch schon vor der Pandemie, aber: "Gerade in diesen Zeiten muss man an das Thema natürlich mit innovativen Ideen rangehen."

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Quelle:
SZ vom 27.08.2020
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