Erst trug Duisburgs Trainer Hagen Schmidt seine Analyse vor, dann sagte auch sein Würzburger Kollege Ralf Santelli ein paar Sätze. Was folgte, waren Fragen eines Reporters, der über den MSV Duisburg berichtet. Schmidt erklärte dies und sprach über jenes, dann schaute der Pressesprecher des Fußball-Drittligisten Würzburger Kickers in die Runde. Gab es wirklich keine Fragen an Santelli? Niemand hob die Hand, niemand sagte was, dabei war doch alles offen nach diesem Spiel. Wie war diese erste Hälfte zu erklären? Warum hatte die Mannschaft schon wieder nicht erkennen lassen, dass sie sich der prekären Lage bewusst ist? Und gibt es jetzt überhaupt noch was, das Hoffnung macht - oder steigen die Kickers schon im April ab?
All das hätte man Santelli jetzt fragen können. Wobei: Im Grunde hatte die Mannschaft sämtliche Fragen ausgeräumt. Bei ihrem vollkommen ungenügenden Vortrag war ja kaum etwas zu sehen, woran sich die Kickers nach dem 1:2 gegen den MSV Duisburg noch klammern könnten, jetzt, da sie schon seit zwölf Spielen sieglos sind und acht Punkte hinter einem Platz stehen, der am Ende der Saison nicht mit dem Sturz in die Regionalliga verbunden ist.
Santellis Rudern hat etwas von Ohnmacht und Hilflosigkeit
Zumindest ein Anflug von Abstieg war schon am Samstagnachmittag auszumachen. Wie weit die Krise vorangeschritten ist, wie tief sie den Leuten in Würzburg mittlerweile in den Gliedern sitzt, welch markante Spuren sie hinterlassen hat, all das zeigte sich in ziemlich eindrücklichen Bildern wie diesen: Etwas mehr als eine halbe Stunde ist gespielt, als sich Santelli unten am Spielfeldrand zu den Anhängern auf der Haupttribüne umdreht und mit den Armen rudert. Santelli als Animateur und Wir-Beschwörer, doch die Fans lassen sich nicht aufrütteln. Santellis Rudern hat etwas von Ohnmacht und Hilflosigkeit, gut fünf Minuten später schießt Duisburg sein zweites Tor.
Nach dem Spiel wird Würzburgs Angreifer Marvin Pourié sagen, der Auftritt des MSV sei "Abstiegskampf pur" gewesen - bei den Kickers hingegen hat das, was die Mannschaft zeigt, ziemlich wenig von jenem Endspielcharakter, den die 90 Minuten für den Tabellenletzten eigentlich haben. Auch deshalb bricht in der zweiten Hälfte Endzeitstimmung an. Auf den Rängen ist es zeitweise fast schon beängstigend still. Ob die Leute spüren, dass es dem Ende zugeht? Nur hin und wieder klatschen die Würzburger Fans aufmunternd in die Hände, dann rufen die Duisburger aus dem Gästeblock über den Dallenberg: "Auswärtssieg, Auswärtssieg".
"Die Angst spielt eine große Rolle, das sage ich ganz ehrlich."
Später steht Pourié vor dem Kabinentrakt und verfügt: "Wir sollten aufhören, alles schönzureden. Jeder in der Stadt wusste, dass wir heute drei Punkte holen mussten." Was aber hat dieses Mal dazu geführt, dass der Plan schon wieder nicht aufgegangen ist? "Die Angst spielt eine große Rolle, das sage ich ganz ehrlich."
Es sind bemerkenswert klare Worte, die Pourié in diesem Moment loswird. Als er über das Spiel und das große Ganze spricht, liegt zwar noch ein Hauch von Kampfeslust in seiner Stimme; er ist es ja auch gewesen, der auf dem Feld den besten Eindruck hinterlassen hat - dennoch ist der Nachmittag in etwa genauso grau wie Santellis Trainingsjacke. Nur die schwache Februarsonne ist ein kleiner Farbklecks, sonst gibt es nichts Aufhellendes.
Würzburgs letzter Sieg liegt nun schon dreieinhalb Monate zurück, ein 2:0 beim 1. FC Kaiserslautern, das heute wirkt, als sei es in einer anderen Zeit gewesen. Seit dem Spiel auf dem Betzenberg ist ja schon wieder eine Menge passiert am Dallenberg, von zig Niederlagen über einen Trainerwechsel bis hin zu Pouriés Suspendierung. All das will der Angreifer nun hinter sich lassen. "Mich interessiert nicht, was war", sagte Pourié am Samstag zu seiner Rückkehr. Obwohl er nicht mehr mit der Mannschaft trainieren durfte, habe er sich nicht verabschieden wollen, "weil ich gesagt habe: Ich verlasse kein sinkendes Schiff".
Seit Samstag weiß man aber: Auch mit Marvin Pourié ist es kaum noch zu verhindern, dass das Schiff schon bald den Meeresgrund erreicht.