Zweite Fußball-Bundesliga:Das Schicksal als Feind

20 09 2016 Fussball Saison 2016 2017 2 Fussball Bundesliga 06 Spieltag 1 FC Nürnberg N

Bange Blicke: Nürnbergs Mittelfeldspieler Tim Leibold (links) und Trainer Alois Schwartz nach dem 1:2 im Frankenstadion gegen Fürth.

(Foto: imago)

Nach der Derby-Niederlage gegen Fürth sieht sich FCN-Coach Schwartz von höheren Mächten benachteiligt. Die Vereinsführung stellt sich hinter den Trainer.

Von Christopher Gerards

Manchmal beginnt Entfremdung mit Schweigen, die Fans des 1. FC Nürnberg waren am Dienstagabend das beste Beispiel. Es lief die dritte Minute der Nachspielzeit im Frankenderby gegen Greuther Fürth, Guido Burgstaller hatte das Anschlusstor geschossen, das 1:2. Ordnungsgemäß rief der Stadionsprecher den Vornamen des Torschützen aus, "Guiiidoo...", und ordnungsgemäß wartete er nun auf die Fans, die den Nachnamen hätten ergänzen sollen. Der Stadionsprecher wartete, aber niemand antwortete. Schließlich antwortete er sich selbst: "...Burgstaller".

Es dauerte bis zum Abpfiff, ehe die Fans sich wieder meldeten: Sie pfiffen, streckten Finger in die Luft und sangen das Lied, das davon handelt, dass sie die Schnauze voll haben.

Es ist eine Geschichte mit maximaler Fallhöhe, die sich gerade abspielt in Nürnberg. Sie handelt von einem Fußballverein, der im Mai fast in die Bundesliga aufgestiegen wäre, der erst in der Relegation scheiterte. Aber diese Geschichte hat in den vergangenen Wochen eine dramatische Wendung erfahren. Sie handelt noch immer von demselben Verein. Aber dieser Verein, der 1. FC Nürnberg, steht nun auf einem Abstiegsplatz der zweiten Liga, mit zwei Punkten, 17 Gegentoren und vier Niederlagen in Serie. Die jüngste ereignete sich am Dienstagabend, im Derby gegen Fürth (1:2).

Ja, er habe Verständnis für die Reaktion der Fans - diesen Satz hat Alois Schwartz, der Nürnberger Trainer, hinterher gesagt: "Weil sie sehr enttäuscht sind. Wie wir auch." Fast 20 Sekunden hatte er nach Abpfiff in der Coaching-Zone gestanden, regungslos, und er wird registriert haben, dass die Fans ihn, Schwartz, nicht in ihre Frustgesänge einschlossen. Er wird aber auch registriert haben, dass sich die Debatte um sein Amt so schnell nicht wieder einfangen lässt.

Jeder Würdenträger, der vor die Reporter trat, musste sich zur Zukunft von Schwartz äußern. "Zwischen uns Spielern und dem Trainer sehe ich kein Problem", sagte der Nürnberger Kapitän Miso Brecko. "Es gibt nichts, was man dem Trainer vorwerfen könnte, er steht nicht zur Disposition" - diesen Satz sagte der entscheidendste Würdenträger: Sportvorstand Andreas Bornemann. Er hatte Schwartz vorab schon eine Jobgarantie ausgesprochen, auch bei einer Niederlage. Es wird Schwartz nicht schaden, dass der FCN für ihn rund 400 000 Euro an Sandhausen bezahlt hat und finanziell so klamm ist, dass er sich einen Wechsel des Übungsleiters besonders gut überlegen muss.

"Da standen wir wie das Eichhörnchen vorm Fuchs."

Schwartz nahm für sich in Anspruch, dass sein Team gegen Fürth gut gespielt habe. 21 Torschüsse hatte der Club - elf mehr als die Fürther. "Ich mache hier meine Arbeit, und man sieht, dass es inhaltlich besser wird." Warum der FCN dennoch so lange auf einen Sieg wartet? Als wesentlichen Grund führte der Club-Trainer das Schicksal an. "Das zweite Tor ist richtig bezeichnend", sagte er und bezog sich auf den Treffer von Daniel Steininger (54.). "Der Schiri steht im Weg, wir wollen klären, der Ball wird tief gespielt, dann wird geschossen. Abgefälscht. Drin", sagte Schwartz. "Es läuft irgendwie gerade alles gegen uns.."

Doch auch gegen Fürth ließ sich beobachten, dass Nürnberg nicht ausschließlich von höheren Mächten benachteiligt wird. Zum einen macht sich bemerkbar, dass wichtige Spieler wie Torjäger Niclas Füllkrug (Hannover 96) gegangen sind; Torwart Raphael Schäfer, Innenverteidiger Georg Margreitter und Mittelfeldspieler Enis Alushi fehlten verletzt. Zum anderen unterliefen dem FCN Fehler, die vermutlich selbst nicht wussten, dass sie geschehen können. Das Spiel gegen Fürth war nicht mal vier Minuten alt, da hatte Linksverteidiger Laszlo Sepsi im Strafraum eine Hereingabe klären wollen. Er traf den Ball aber derart kurios, dass der direkt zu Fürths Berisha rollte. Dessen Schuss konnte Even Hovland gerade noch blocken. Und auch vor dem ersten Gegentor hatte Vorbereiter Sebastian Freis auffallend viel Platz, den er nutzte, um auf Serdar Dursun zu köpfeln. Dem Fürther Zugang gelang sein zweiter Saisontreffer (40.). "Da standen wir wie das Eichhörnchen vorm Fuchs", sagte Schwartz.

Nach dem Spiel saß er in der Pressekonferenz neben seinem Kollegen Stefan Ruthenbeck. Der Fürther hatte über den Kampf seiner Mannschaft gesprochen, über ihr Verhalten bei Standardsituationen. Er war am Ende seiner Rede angekommen, als er noch freundliche Worte an seinen Kollegen richtete: "Ich wünsche Alois für die Zukunft alles Gute!" Alois Schwartz sagte nichts, er blickte auf sein Mikrofon. Die Zukunft. Schwartz weiß, dass das Spiel in Bielefeld am Sonntag darüber entscheiden kann.

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