Wenger beim FC Arsenal:Love Story ohne Happy End

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Was wird nun aus ihm? Arsène Wenger ist ein bisschen ratlos. (Foto: MATTHEW CHILDS/REUTERS)
  • Der große Arsène Wenger verlässt den FC Arsenal, ohne einen europäischen Titel zu gewinnen.
  • Nach dem Aus in der Europa League verteidigt er Mesut Özil gegen die fortdauernde Kritik.
  • Ein Gerücht besagt, dass Wenger bei Paris Saint-Germain Manager werden wird.

Von Javier Cáceres, Madrid

Arsène Wenger sah nicht mehr, wie seine Spieler auf dem Rasen in sich zusammensackten. Und man hätte fast meinen können, dass der Trainer des FC Arsenal drauf und dran war zu vergessen, die Etikette zu befolgen - und seinen Kontrahenten von Atlético Madrid zum 1:0-Sieg und zum Einzug in das Europa-League-Finale gegen Olympique Marseille zu gratulieren. Aber dann bekam Wenger doch noch die Kurve.

Der Franzose ging zu Germán Burgos, dem Vertreter des wegen derber Beschimpfungen des Schiedsrichters im Hinspiel gesperrten Atlético-Trainers Diego Simeone, und entbot ihm die Hand, ehe er eilig im Tunnel verschwand. Wer weiß, ob Wenger dort noch die Inbrunst spürte, mit der die 70 000 Zuschauer nach dem Sieg gegen Arsenal die Atlético-Hymne sangen. Was Wenger gewiss nicht sah: wie Simeone ihm im letzten internationalen Pflichtspiel als Arsenal-Coach die Schau stahl. Der Argentinier, der das Spiel wegen seiner Strafe in einer Tribünen-Loge verfolgen musste, machte den Atlético-Fans vor - oder nach, das weiß man bei Simeone nie so genau -, wie man in Ekstase einen Fanschal schwenkt.

Europa League
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Während Trainer Simeone auf der Tribüne sitzt, zieht Madrid ins Finale der Europa League ein. Im zweiten Halbfinale setzt sich Olympique Marseille erst in der Verlängerung durch.

Rang Wenger gar mit den Tränen?

Er würde sich wünschen, "dass diese Lovestory ein schönes Ende findet", hatte Wenger am Vorabend in den Katakomben des Stadions Metropolitano gesagt. Mit Lovestory meinte er seine knapp 22 Jahre währende Liaison mit dem FC Arsenal, deren Ende zum Saisonschluss vor wenigen Wochen verkündet wurde. Dass Wenger in dieser Zeit dreimal die Premier League gewann, dabei mit den "Invincibles" einmal sogar unbesiegt Meister wurde, und siebenmal den FA-Cup holte, war fast ein Klacks dagegen, dass er in England eine neue Gegenkultur einführte: eine elegante Spielidee von Fußball, die für die Insel neu war und die sich auch in Kontinentaleuropa Bahn brach. Doch das ist lange her und in den Augen derer, die nur den Erfolg von heute feiern, verblasste Geschichte.

Am Donnerstagabend in Madrid gab es Menschen, die gesehen haben wollten, dass Wenger mit den Tränen rang. Vielleicht war das der Grund dafür, dass er so schnell die Szenerie verließ, als Atlético nach dem 1:1 aus dem Hinspiel gewonnen hatte. "Liebesgeschichten enden nicht immer gut. Meistens enden sie nicht gut", sagte Wenger am Freitag; wahre Worte voller Lebenserfahrung, die belegten, wie sehr es ihn schmerzte, dass der letzte Traum seiner Lovestory unerfüllt bleiben wird: einmal einen internationalen Titel in den Händen zu halten. 2006 verlor Arsenal das Champions-League-Endspiel gegen Barcelona; 2000 das Uefa-Cup-Finale gegen Galatasaray Istanbul.

Simeone, der Atlético 2011 als Abstiegskandidat übernahm, hat vier kontinentale Finals erreicht, 2012 gewann er die Europa League. Das Aus war für Wenger doppelt bitter: Nie europäische Silberware berührt zu haben, ist das eine; das andere Manko ist, dass ein Sieg in der Europa League die letzte Chance war, seine Liebschaft Arsenal für die nächste Champions League zu qualifizieren. Denn in der Liga liegt der Klub abgeschlagen auf Platz sechs. Am Samstag spielt Arsenal gegen Burnley das letzte Heimspiel unter Wenger, das zu einer Hommage werden wird. Danach folgen noch zwei Auswärtsspiele ohne Wert, die das Scheitern von Madrid nicht vergessen machen werden.

Es nagte an den Londonern, dass Atlético sie mit dieser unwiderstehlichen Mischung aus Rotzigkeit und Kompromisslosigkeit in die Knie zwang. Wengers braves Arsenal fand kein Mittel gegen ein Atlético-Team, das Arsen versprühte. Madrids Innenverteidiger Godín räumte alles ab; Kapitän Koke strapazierte Wengers Nerven mit taktischen Fouls; Thomas bot ein brillantes Spiel als Aushilfsrechtsverteidiger; und dann war da noch Hinspiel-Torschütze Griezmann, der jenen präzisen Pass spielte, den Diego Costa, ein Strafraum-Pirat mit Augenklappe und eisernem Haken am Armstumpf, zum Siegtor veredelte.

Gegen all diese Glut wirkte Arsenal tatsächlich kühl, auch wenn der einstige Arsenal-Profi Martin Keown den Bogen überspannte, als er im TV-Sender BT Sports Mesut Özil anklagte. Der Weltmeister aus Deutschland spiele, als habe er kein Blut, sondern laktosefreie Milch in den Adern, lautete Keowns Urteil sinngemäß; Özil sei des Arsenal-Trikots nicht würdig, gehöre kräftig durchgeschüttelt. "Ich bin damit nicht einverstanden", sagte Wenger.

Wer sein Nachfolger wird, ist weiter ungewiss. Kandidaten gibt es: Phänotypisch würde Massimiliano Allegri von Juventus Turin passen; viele Arsenal-Fans wünschen sich Luis Enrique, der ehemalige FC-Bayern-Trainer Carlo Ancelotti hat sich beworben; Zeljko Buvac, der Jürgen Klopp in Mainz, Dortmund und Liverpool assistierte, führt seit dieser Woche die Wetten an. Wenger ließ offen, was er selbst machen wird: "Ich muss erst diese Enttäuschung verarbeiten, ich habe keinen Plan", erklärte der 68-Jährige, "es ist alles so traurig."

Ein Gerücht besagt, dass Wenger bei Paris Saint-Germain Manager wird. Das würde ihm ein Leben ohne Fußball ersparen, das er sich nie vorstellen wollte. Wenn er dereinst an der Himmelspforte stehe, werde er Petrus berichten, dass er in seinem Leben nie etwas anderes wollte, als Fußballspiele zu gewinnen, und gewiss ein ungläubiges: "Und sonst nichts?" ernten. So vertraute es Wenger einmal einem Arsenal-Funktionär an. "So einfach ist das nicht!", werde er antworten, habe Wenger gesagt. Nun wird er endgültig hinzufügen können: "Vor allem nicht im internationalen Wettbewerb."

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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