Rücktritt von VfB-Präsident Dietrich:Witzle mit Fritzle

VfB Stuttgart v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

Zum Haareraufen: Maskottchen Fritzle und Mario Gomez während der vergangenen Saison, als der VfB abstieg.

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)
  • Die Mitgliederversammlung beim VfB Stuttgart verläuft turbulent und pannenreich.
  • Präsident Wolfgang Dietrich sieht keine Mehrheit mehr und tritt zurück.
  • "Ich lasse mir meine Würde nicht nehmen", sagt er.
  • Für die einen war Dietrich der Macher, für die anderen ein eitler Herrscher.

Von Christof Kneer

Sportreporter sind, soweit man das mitbekommen hat, noch nicht zurückgetreten wegen des VfB Stuttgart, jedenfalls ist nicht bekannt, dass es wegen der Wlan-Verbindung passiert wäre. Die ist allerdings auf berüchtigte Weise mies im Stadion des VfB, und es ist nicht auszuschließen, dass Menschen, die rund um diesen Klub beruflich auf ein stabiles Netz angewiesen sind, bereits mehrfach mit einem Berufswechsel spekuliert haben. Wolfgang Dietrich, 70, hat schon mehrere Berufe hinter sich, er war Software- und Sportmarketing-Unternehmer, später war er Sprecher und Vorstandsvorsitzender des Bahnprojekts Stuttgart 21, im Oktober 2016 übernahm er das Präsidentenamt beim VfB - ehrenamtlich. Seit diesem Montagmorgen hat Dietrich nun auch diese Berufung hinter sich: "Es war mir eine Ehre, diesem Verein dienen zu dürfen", so leitete Dietrich auf seiner Facebook-Seite seine Rücktrittserklärung ein, bevor er recht zügig den Tonfall verschärfte.

"Ich lasse mir meine Würde und Ehre nicht von denjenigen nehmen, die ihre Macht lautstark und mit verbaler Gewalt demonstrieren", schrieb er und ergänzte, er habe den Ausgang der Mitgliederversammlung "niemals für möglich gehalten. Was wir als Verein unseren anwesenden Mitgliedern hier zugemutet haben, ist fürchterlich". Zugemutet wurde den Mitgliedern, vereinfacht gesagt, dass der VfB wieder auf gutem Weg ist, den HSV als kabarettistisch ergiebigsten Klub im Land abzulösen. "Koi Fritzlebox" spottete es etwa anderntags im Netz: Ein recht hübsches Witzle angesichts der Tatsache, dass das Klubmaskottchen Fritzle heißt und der VfB die Mitgliederversammlung am Abend zuvor abbrechen musste - weil das Wlan-Netz versagte, das extra für die Abstimmungen installiert worden war.

Von Personenschützern hinausbegleitet

Die entscheidende Abstimmung wäre übrigens die über den Präsidenten Dietrich gewesen, ein Abwahlantrag stand auf der Tagesordnung.

Natürlich ist Dietrich nicht zurückgetreten, weil der VfB nicht ins Netz kommt, aber für die Dynamik des Abends waren die Pannen nicht unerheblich. Pro- und Contra-Dietrich-Beiträge hatte es bis dahin gegeben, jenseits des üblichen Zahlenwerks, das fürs Geschäftsjahr 2018 einen Rekordumsatz (154,4 Millionen Euro) und ein Jahresminus von 11,7 Millionen Euro ausgewiesen hatte. Aber je nervöser und gereizter das Wackel-Wlan die Stimmung in der Arena werden ließ, desto nervöser und gereizter wurde auch Dietrich, der dem Dietrich-kritischen Redner Rainer Adrion, einem alten VfB-Helden, vorhielt, seine Redezeit überzogen zu haben. In der Eigendynamik dieses Abends schien plötzlich sogar das schwer Vorstellbare vorstellbar: dass am Ende jene 75 Prozent für eine Abwahl des Präsidenten stimmen würden, die es satzungsgemäß braucht.

Nach dem vorzeitigen Ende des Abends wurde Dietrich von Personenschützern hinausbegleitet - und hinterließ das Bild eines gespaltenen Vereins, dessen unterschiedliche Lager nicht mal mehr durchs Internet verbunden sind. Für die einen war Dietrich der Macher, unbequem vielleicht, aber voller Tatendrang - für die anderen ein eitler Herrscher, der in alter Macher-Denke zu viel Macht beim Ex-Sportchef Michael Reschke konzentriert hatte und seine Verbindungen zum Unternehmen Quattrex, das Kredite an Fußballklubs vergibt, nicht wirklich plausibel gemacht hatte.

Noch ist unklar, wie es nun weitergeht bei diesem Verein, der nicht nur einen Vorstandschef, sondern jetzt auch noch einen Präsidenten sucht. Emotional immerhin fällt Dietrich nun als Spielverderber aus, weshalb sie beim VfB auf eine ähnliche Geschichte wie beim Abstieg 2016 hoffen. Damals galten Sportchef Jan Schindelmeiser und Trainer Hannes Wolf beim Fanvolk als hinreichend kreditwürdig, so wie nun der Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, Sportdirektor Sven Mislintat und Trainer Tim Walter. Als Hitzlsperger am Sonntag ans Mikrofon trat, bekam er Ovationen, bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte.

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