Verfahren gegen Dopingarzt Eufemiano Fuentes:Hauptsache, der Fußball bleibt verschont

Eufemiano Fuentes

Der spanische Arzt Eufemiano Fuentes: hat viele Sportler mit Dopingmitteln versorgt 

(Foto: dpa)

Im großen Stil hat Eufemiano Fuentes Sportler mit Dopingmitteln versorgt, darunter auch Radprofi Jan Ullrich. Sieben Jahre nach der "Operación Puerto" steht der Dopingarzt vor Gericht. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem Prozess, in dem es vor allem darum geht, sich auf den Radsport zu konzentrieren.

Von Andreas Burkert und Thomas Kistner

Am Montagvorvormittag, 10 Uhr, beginnt in Madrid vor der 21. Strafkammer der Prozess gegen den Dopingarzt Eufemiano Fuentes und vier weitere Angeklagte, die im Zentrum der Operación Puerto standen. Fuentes, dies lässt sich im Rückblick sagen, manipulierte im Radsport jenen Teil des Feldes, der nicht mithilfe des offenkundig zweiten großen Präparators betrog: des italienischen Armstrong-Arztes Michele Ferrari ("Dottore Epo"). Die Puerto-Affäre, die 2006 zum großen Tour-Skandal samt Ausschluss des Deutschen Jan Ullrich führte, ist ohne weitreichende sportrechtliche Konsequenzen geblieben - und beschränkt sich zudem auch jetzt ausschließlich auf den Radsport, obwohl Fuentes auch andere Sportler betreut haben soll.

Die juristischen Ermittlungen waren zweimal eingestellt worden, da Spanien erst nach dem Skandal ein Anti-Doping-Gesetz verabschiedete. Fast sieben Jahre später muss sich Fuentes wegen "Gefährdung der öffentlichen Gesundheit" verantworten. Seine Anwälte erwidern vorab: "Auch in Hotelzimmern können Bluttransfusionen unter hygienisch einwandfreien Bedingen vorgenommen werden." Die wichtigsten Fragen zum Prozess im Überblick.

Was geschah bei der Operación Puerto?

Ausgangspunkt war der Epo-Befund des früheren Liberty-Seguros-Kapitäns (und ehemaligen Lance-Armstrong-Edelhelfers) Roberto Heras, der im Herbst zuvor erneut die Vuelta gewonnen hatte und disqualifiziert wurde. Am 23. Mai 2006 verhaftete die spanische Polizei den Gynäkologen Fuentes (Jahrgang 1955), Liberty-Teamchef Manolo Saiz und den Mediziner Luis Merino Batres - sie waren in flagranti erwischt worden. Fuentes hatte eine Kühltasche mit Blutbeuteln dabei, Saiz 42 224,10 Euro und 38 000 Schweizer Franken (sowie 310 australische Dollar). Die Guardia Civil beschlagnahmte bei Razzien mehr als 200 Blutbeutel, die zum Teil Epo-Spuren aufwiesen, und Dopingmittel sowie Fuentes' Liste mit den Code-Namen und Medikationsplänen der nicht in Gänze identifizierten Sportler.

Rund 200 Athleten soll Fuentes betreut haben, zu Beginn war auch von Klienten aus dem Fußball, Tennis, Schwimmen oder auch der Leichtathletik die Rede - bekannt wurden jedoch nur die Namen von 58 Radfahrern: Topfahrer wie Ullrich, Ivan Basso, Alberto Contador oder Santiago Botero wurden als Fuentes-Kunden überführt, der deutsche Liberty-Profi Jörg Jaksche offenbarte sich 2007.

Wer ist angeklagt?

Neben Saiz und Fuentes noch dessen Schwester Yolanda Fuentes, eine Ärztin, José Ignacio Labarta und Vincente Belda, zwei Teamchefs. Das Verfahren gegen Batres, 72, wurde am Donnerstag zunächst eingestellt, "aus gesundheitlichen Gründen, wegen einer Alzheimer-Erkrankung", wie es hieß. "Das ist nicht abwegig, Batres hatte bei meinen früheren Treffen mit ihm schon Probleme, sich Dinge zu merken", sagt Jaksche, 36. Sportler sind in dem Prozess nicht angeklagt.

Wer sagt aus?

Als Zeugen sagen neben Gutachtern und Ermittlern ein gutes Dutzend Radprofis aus, darunter Basso, Jaksche, der schon vor der Puerto-Affäre als Kronzeuge aufgetretene Ex-Profi Jesús Manzano - sowie der einstige Liberty-Fahrer Contador. Der bereits wegen Dopings gesperrte Tour- Sieger bestritt bisher Doping bei Fuentes, sein Name verschwand früh und aus ungeklärten Gründen aus den Akten. Jan Ullrich, 39, ist nicht geladen. "Aus Spanien hat es in all den Jahren und auch jetzt keine Anfragen wegen einer Aussage von Jan gegeben", sagt sein Sprecher Falk Nier, "das hat auch uns überrascht."

Warum geht es nur um Radsport?

Warum geht es nur um Radsport?

Frankreichs Behörden hatten vor der Tour 2006 Wind von den Ermittlungen erhalten und baten die spanischen Kollegen auf dem kurzen Dienstweg, die verwickelten Radprofis zu benennen; die Tour-Veranstalter und die Regierung in Paris hatten Angst, die Rundfahrt könnte im Wirbel neuer Razzien und Festnahmen untergehen. Spanien rückte den Akten-Teil über den Radsport heraus. Die Affäre berührte jedoch auch Sport-Heiligtümer Spaniens, die den Namen "königlich" tragen: Real.

Fuentes selbst hatte nach der Entlassung aus der U-Haft über seine Tätigkeiten für höchstrangige Fußballklubs geplaudert; Fuentes-Kunden wie Manzano oder Tyler Hamilton sprachen offen von Klienten aus Fußball und Tennis. Als der zuständige Guardia-Civil-Ermittler Kontakt mit internationalen Dopingermittlern aufnahm, war offenbar für höchste Stellen der spanischen Justiz der Punkt erreicht, die brisanten Ermittlungsakten einzufrieren. Dies erledigte der zuständige Madrider Richter Serrano, der als eng an der politischen Macht beschrieben wird. Ex-Sportminister Jaime Lissavetzky protegierte zudem den dringend verdächtigten Radler Contador, der bei Fuentes unter "A.C. " lief.

Was wird der Prozess bringen?

Nichts von Wert für den Sport. Der Prozess läuft bis März, Verurteilte oder aber die Kläger dürften Berufung einlegen. Ende offen. Es dürfte letztlich zu Geldbußen kommen, vielleicht noch zu Bewährungsstrafen samt Berufsverbot für die Mediziner.

Warum ist wenig zu erwarten?

Offenkundig ist, was auf keinen Fall herauskommen darf: konkrete Hinweise auf Tätigkeiten des Doping-Rings über den Radsport hinaus. "Das ist wie Brot und Spiele im alten Rom", sagt der langjährige Spanien-Profi Jaksche: "Halte dein Volk bei Laune. Die Wahrheit könnte es ja nicht ertragen." Schon gar nicht unschöne Dinge über den Fußball. Dabei erhielt Stephane Mandard, Sportchef der renommierten französischen Le Monde, 2006 von Fuentes sogar einen handgeschriebenen Fußball-Medikationsplan für die Saison 2005/06.

Darin war die Chiffrierung der Dopingmittel identisch mit Fuentes' Medikationslisten bei den teils ja geständigen Radlern. Der FC Barcelona und Real Madrid klagten gegen das Blatt - in Spanien, nicht in Frankreich. Spanische Richter entschieden zugunsten der Klubs und verhängten Geldbußen, wobei es Le Monde in den Prozessen nicht erlaubt war, ihr Beweismaterial vorzulegen. Das sagte Mandard und kündigte an, das Blatt wolle die Urteile bis zum Europäischen Gerichtshof anfechten.

Ist Spanien eines der Probleme?

Ja. Auf geringes Interesse an vollständiger Aufklärung dort deutet allein dies hin: Zwar gab es 2006 Razzien in Madrid und anderswo, aber nie in Fuentes' Büros in Las Palmas, wo er viele Akten aufbewahrte - und wo er weiter arbeitet. Experten beobachten ein grundsätzliches Problem in Spaniens Spitzensport, der seit Jahren mit einer "Generation Gold" viele wichtige Sportarten global dominiert. Große Dopingaffären - wie auch der Fall Armstrong - weisen zumeist nach Spanien, oft geht es um Ärzte mit Anbindung an den Fußball.

Aufklärung kann wohl nur von außen kommen, etwa über die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), die bisher nicht die Fuentes-Akten erhielt. "Uns wurde gesagt, dass Fuentes' Patienten aus einer Reihe von Sportarten kamen", sagt Generalsekretär David Howman, "deshalb ist es enttäuschend, dass nur der Radsport isoliert wurde." Die Wada gehört in Madrid zu den Nebenklägern.

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