Trainer im Fußball:Schnauzbärtig bis Flasche leer

Trainer im Fußball: Lorant, Trapattoni, Stielike - einige von ihnen trugen Schnauzer, andere wüteten öffentlich.

Lorant, Trapattoni, Stielike - einige von ihnen trugen Schnauzer, andere wüteten öffentlich.

(Foto: Imago/Getty/AP)

"Mia san mia und ich bin ich": Der Beruf des Fußballtrainers brachte die skurrilsten Gestalten hervor. Vom Feuerwehrmann bis zum Wutredner ist alles dabei. Eine Typologie der Trainer.

Von Jonas Beckenkamp

  • Der Feuerwehrmann

Wenn der Fußballvolksmund erkennt, dass "es brennt", dass einer "den Karren aus dem Dreck ziehen muss", dass "es fünf vor Zwölf" ist und dass in Kürze "die Lichter ausgehen", dann tritt er mit reichlich Tatütata auf die Bühne. Kaum eine Rolle ist von solch archetypischer Qualität, nur wenige beherrschen das Krisenmanagement so wie er. Feuerwehrmänner kommen meist erst in der Hälfte einer Saison zu einem Klub, bei dem zuvor fast alles schief gegangen ist. Sie päppeln die geschundenen Seelen auf, reaktivieren längst abgeschriebene Profis und gewinnen gerne dreckig 1:0. Weil ihr Auftragsprofil meist auf kurze Zeit zugeschnitten ist, sind sie bald wieder weg. Und helfen dem nächsten Patienten aus der Patsche. Rekordfeuerwehrmann ist Jörg Berger, den Arminia Bielefeld einst (vergeblich) allein für den 34. Spieltag verpflichtete.

Berühmte Vertreter: Huub Stevens, Jörg Berger, Friedhelm Funkel, Peter Neururer, Hans Meyer, Jürgen Röber

  • Der Schleifer

Wo er tätig ist, herrschen Angst, Schmerz und Medizinbälle. Am liebsten drillt er sein Personal mit Waldläufen oder Expeditionen zum Mount Magath. Zum Wesen des Schleifers zählt eine gewisse menschliche Kälte, die besonders Brasilianer abschreckt. Frühere Exemplare dieser Spezies rauchten gerne, redeten wenig und coachten maximal mit ihrer Mimik. Schleifern wohnt ein Hang zum Despotismus inne ("Knie'n Sie nieder, Sie Bratwurst!"), weshalb sie in Zeiten moderner Umgangsformen kaum mehr vermittelbar sind. Spieler sagen über sie rückblickend gerne: "Nie war ich so fit wie unter ihm - aber ich bräucht's trotzdem nicht noch einmal." Ein typischer Schleifer-Satz lautet: "Die Spieler sollen rennen und die Fresse halten." (W. Lorant)

Berühmte Vertreter: Felix Magath, Max Merkel, Klaus Schlappner, Ernst Middendorp, Eduard Geyer, Egon Coordes

  • Der Laptop-Trainer

Er ist der Dernier Cri des 21. Jahrhunderts und dürfte seine Evolution bald zum "Tablet-Trainer" vorantreiben. Aus seinem Dunstkreis stammen Begriffe wie "Gegenpressing", "abkippender Rautenspieler" oder "Matchplan". Kaum einer grübelt, taktiert und fachsimpelt wie er - egal, ob die Profis das verstehen oder nicht. Wenn andere Coaches sich mit einem Glas Rotwein zu ihrem Lieblingsitaliener setzen, schmeißt er den Rechner an und studiert Laufleistungen. Artverwandt ist ihm der sogenannte "Konzepttrainer", der seine Ideen dem Personal überstülpen will. Wenn das nicht funktioniert, steht er ziemlich allein da. Dann sprechen Klubmanager von der Sehnsucht nach einem "echten Fußballlehrer". Sprich, einem ganz normalen Trainer.

Berühmte Vertreter: Lucien Favre, Thomas Tuchel, Ralf Rangnick, Roger Schmidt, Alexander Zorniger

  • Der väterliche Freund

Bei all den Selbstoptimierern, Hobby-Marathonläufern und Asketen unter den Trainern ist der lebenspralle Gegenentwurf. Die Spieler lieben ihn, weil er sonntags und auch manchmal montags frei gibt, weil er auf der Weihnachtsfeier eine raucht und weil er vor lauter Kaugummikauen das Rumbrüllen vergisst. Er weiß, wie er mit Berühmtheiten umgehen muss und wann ein Achselzucken die richtige Antwort auf Kritik ist. Er hat entweder vieles erlebt, vieles gesehen, vieles gewonnen oder aber schlichtweg die nötige Distanz zu seinem Berufsfeld. Wenn es regnet, stellt er sich im Regenschirm an die Seitenlinie und erträgt das Sauwetter stoisch.

Berühmte Vertreter: Carlo Ancelotti, Vicente del Bosque, Jupp Heynckes, Claudio Ranieri, Guus Hiddink, Ottmar Hitzfeld, Erich Ribbeck, Steve McClaren, Bert van Marwijk, Giovanni Trapattoni

  • Der Revolutionär

Er nimmt den Laden auseinander, wischt kräftig durch und erfindet das Spiel dann komplett neu. Seine Ideen wirken nach, sein Werk prägt den Sprachschatz des Fußballs. "Voetbal totaal" oder "Raumdeckung mit Viererkette" - ohne den Revolutionär wäre das alles kaum denkbar. Heute tun sich vor allem Verfeinerer bereits exitistierender Impulse hervor: Ein gewisser Pep Guardiola hat beim FC Bayern den "Cruyffismus" so auf die Spitze getrieben, dass der Gegner gar nicht mehr mitspielen darf. Und wer braucht überhaupt noch Abwehrspieler, wenn das Mittelfeld zur Ballmagnetzone wird?

Berühmte Vertreter: Hennes Weisweiler, Arrigo Sacchi, Johan Cruyff, Jürgen Klopp, Arsène Wenger, Ralf Rangnick, Pep Guardiola, Ernst Happel

"Meine Frau hat immer Recht"

  • Der Kauz

Sein Verbreitungsgebiet ist eher die Peripherie denn der Großstadtmoloch. Zwischen Schwarzwald, Bremen, der Ukraine oder anderen Biotopen des Fußballs kann er seine Spleens frei ausleben. Er ist oft mit Zetteln anzutreffen, glänzt mit sprachlicher Eigenwilligkeit ("Meine Frau hat immer Recht") und gilt dem Volksmund als "Positiv-Verrückter". Der Kauz pfeift, gaunert, rödelt, wütet und werkelt - oder er schweigt sein ganzes Trainerleben einfach. Seine Methodik oszilliert zwischen Verschrobenheit, Schlawinertum, gesellschaftspolitischem Appell und "Gras fressen". Er ist in seiner selbstdefinierten Pragmatik und Schrulligkeit absolut unvermittelbar für den FC Bayern - außer er kommt aus Niederbayern, trinkt gerne Weißbier und heißt Klaus Augenthaler. Zudem neigt der Kauz dazu, irgendwann exotische Aufgaben zu übernehmen.

Berühmte Vertreter: Christian Streich, Ewald Lienen, Otto Rehhagel, Walerij Lobanowskyj, Dieter Hecking, Aleksandar Ristic, Hans Meyer, Thomas Schaaf, Klaus Toppmöller, Volker Finke, Armin Veh, Klaus Augenthaler

  • Der Feldmarschall

Lappt mitunter auch ins Kauzige hinein, unterstreicht seine selbstdefinierte Außergewöhnlichkeit ("Mia san mir - und ich bin ich") aber mit einem strengeren Habitus. Wer ihm widerspricht, landet schneller bei den Amateuren als er flanken kann. Der Feldmarschall begreift den Fußball als Schlacht, die er mit seinen Kriegern bestehen muss - deshalb ist ihm auch der sogenannte Führungsspieler besonders lieb. Er kommuniziert mit eisigen Blicken, kriegerischen Gesten und wenn es sein muss, steckt er dem Gegner auch mal einen Finger ins Ohr. Seine Achillesferse sind die modernen Zeiten mit ihren verdammten flachen Hierarchien. Dieses neumodische Demokratiegequtasche mag er gar nicht. Dann lieber ein paar Milliönchen von Gazprom kassieren. In autokratisch gesprägten Ländern widerspricht einem wenigstens keiner.

Berühmte Vertreter: Fabio Capello, Dettmar Cramer, Jose Mourinho, Louis van Gaal, Fatih Terim, Dick Advocaat, Udo Lattek, Felipe Scolari

  • Der Moderator

Er versteht sich als Strippenzieher zwischen Egos und Taktikbrett. Seine Aura ist, jaguttäh, einmalig und sein Führungsstil "höggschd" variabel. Sein Gespür hilft ihm dabei, die Kräfte eines Teams auf den Punkt zu bündeln und das Besondere herauszukitzeln. Er könnte auch das Aktuelle Sportstudio moderieren, verzichtet aber lieber auf diesen anstrengenden Job und schießt den Ball vom Weißbierglas ins Loch der Torwand. Was er nicht mag: Spiele gegen die italienische Nationalelf.

Berühmte Vertreter: Joachim Löw, Vicente del Bosque, Franz Beckenbauer, Helmut Schön

  • Der Schnauzbarträger

Ist so weit verbreitet, dass es eine wahre Freude ist. Man könnte fast denken, der Schnörres wurde von Fußballtrainern salonfähig gemacht. Gerade in den 80ern und 90ern wucherte an den Seitenlinien die Gesichtsbehaarung, doch auch heute finden sich noch stolze Exemplare seiner Spezies. Er verkörpert das "Bräsige", "Schäferhundige" des deutschen Fußballs - eine Qualität, die scheinbar nie ausstirbt. Wo ein Schnäuzer ist, sind auch Sakkos mit Schachbrettkaros, schlabbrige Trainingsanzüge und Goldketten. Auch wenn die Bartmode mittlerweile andere Wege eingeschlagen hat, bleibt der Schnauzbärtige ein emblematischer Würdeträger der Trainerzunft.

Berühmte Vertreter: Christoph Daum, Bernd Schuster, Werner Lorant, Klaus Schlappner, Peter Neururer, Uli Stielike, Dragoslav Stepanovic, Reinhard Saftig, Rudi Völler, Horst Köppel, Jos Luhukay, Siggi Held, Uwe Reinders, Erich Rutemöller, Michael Skibbe

  • Der Wutredner

Seine Stunde schlägt, wenn irgendwo mal wieder ordentlich Klartext geredet werden muss. Wenn Spieler wie leere Flaschen spielen, wenn Trainer zu "Mülleimern" mutieren oder wenn mal wieder alles "mistkäsescheisse" ist. Sein Lebenselixier ist sein Temperament, welches ihn auf Pressekonferenzen und in Interviews zur Höchstform auflaufen lässt. Der Wutredner! Lässt! Sich! Das! Nicht! Gefallen! Freunde der Sonne! Zwar gab es ihn immer schon, doch das Internet hat seine Popularität drastisch befeuert. Er ist der große Dampfablasser unter den Trainern, an seiner Stirn bilden sich oft Krampfadern, sein Puls rast höher als ein Jumbo-Jet! Verdammte Axt!

Berühmte Vertreter: Bruno Labbadia, Giovanni Trapattoni, Rudi Völler, Torsten Legat, Peter Pacult, Klaus Augenthaler (bitte klicken und mitwüten!)

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