Tour de France:Erst Bergschach, dann blanke Anarchie

Tour de France: Nur den Briten Simon Yates erwischte Thibaut Pinot am Ende der 15. Tour-Etappe nicht mehr.

Nur den Briten Simon Yates erwischte Thibaut Pinot am Ende der 15. Tour-Etappe nicht mehr.

(Foto: Thibault Camus/AP)
  • Sechs Fahrer balgen sich noch um drei Plätze auf dem Podium der Tour der Fance - und der Wettstreit ist so offen wie seit Jahren nicht mehr.
  • Der Franzose Thibaut Pinot zeigt in den Pyrenäen die beste Leistung, doch auch der Deutsche Emanuel Buchmann fährt weiter vorne mit.

Von Johannes Knuth, La Mongie/Foix

Am Samstag hatte das Gefühl schon stählerne Gewissheit angenommen, eineinhalb Kilometer, bevor die Gruppe der Favoriten den Gipfel des Tourmalet erreicht hatte. Es war, als der Ravensburger Emanuel Buchmann das Tempo in diesem erlesenen Kreis an den Anschlag trieb, als er sich an die Spitze der Gruppe klemmte und dafür sorgte, dass Vorjahressieger Geraint Thomas aus der Gruppe purzelte. Spätestens da war endgültig klar, dass diese 106. Tour de France wohl doch ein wenig anders verlaufen dürfte als die Rundfahrten der vergangenen Jahre.

Zuletzt war es meist ja so gewesen: Die Briten vom Team Sky hatten das Tempo im Hochgebirge nach und nach verschärft, bis irgendwann kaum noch Mitbewerber folgen konnten. Aber jetzt? Am Samstag, bei der ersten monumentalen Prüfung für die Favoriten, war es nicht die britische Ineos-Equipe um Titelverteidiger Thomas, die das Peloton mit fiebriger Verve den Tourmalet hinauf scheuchte. Sondern Groupama-FDJ und Jumbo-Visma, die für ihre Kapitäne Thibaut Pinot und Steven Kruijswijk schufteten. Pinot (im Bild) war es auch, der den Tagessieg an sich riss, vor seinem Landsmann und Gelb-Träger Julian Alaphilippe; Buchmann wurde knapp dahinter Vierter.

Und am Sonntag, als es über 185 Kilometer und drei Berge der ersten Kategorie ging, war das Finale in Foix mindestens ebenbürtig: Pinot verscheuchte am zwölf Kilometer langen Prat d'Albis einen Widersacher nach dem nächsten: erst Thomas, Kruijswijk und Alaphilippe, knapp vier Kilometer vor dem Ziel auch Buchmann und Bernal. Nur den Briten Simon Yates erwischte er nicht; der hat aber nichts mit dem Klassement zu tun, es war Yates' zweiter Tagessieg bei dieser Tour.

Bis zum Tourmalet hatten die Etappen in den Pyrenäen ein wenig an Bergschach erinnert - am Sonntag fühlte es sich phasenweise wie blanke Anarchie an. Oder zumindest wie Blitzschach, nur halt bei 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit wie in der Dampfsauna.

Und so lichtete sich am Wochenende allmählich der Nebel im Klassement, in dem die Favoriten bis zuletzt ihre Form versteckt hatten. Sechs Fahrer balgen sich fürs Erste um drei Plätze auf dem Podium in Paris, und das Rennen ist so offen wie seit Jahren nicht mehr. Pinot, zweifellos der Beste in den Pyrenäen, empfand da "ein Gefühl des Feuers", einerseits. Andererseits ärgerte er sich noch immer feurig über die 1:40 Minuten, die er vergangenen Montag auf der Flachetappe verloren hatte, als Seitenwind das Hauptfeld zerrupfte.

"Ich denke er ist der ganz große nächste deutsche Star"

Nur: Am Sonntag zogen sich auch erstmals schwere Risse durch die gelben Hoffnungen von Julian Alaphilippe. Der hatte zwar erneut seine Führung verteidigt, nach insgesamt fünf schweren Pyrenäenbergen an zwei Tagen, was dem Klassikerexperten ohnehin kaum jemand zugetraut hatte. Doch am Sonntag dampfte er im Ziel vor Erschöpfung, der zeremonielle Blumenstrauß schien so schwer in seiner Hand zu liegen wie eine 20-Kilo-Hantel. "Ich hoffe, dass Thibaut das Gelbe Trikot übernimmt, wenn ich es abgebe", sagte Alaphilippe, als habe er sich von der Führung schon verabschiedet. Er liegt im Klassement jedenfalls nur noch 1:47 Minuten vor Kruijswijk auf Rang drei und Pinot auf Platz vier (1:50), 1:35 gar nur vor Thomas und 2:02 vor dessen Ineos-Kollege Bernal, der zuletzt aber viel munterer durchs Hochgebirge strampelte als der Titelverteidiger.

Und Emanuel Buchmann, der ist bei dieser Tour tatsächlich "einer der ganz Großen", wie sein Teamkollege Gregor Mühlberger schon am Samstag befand. Er schloss die schweren Etappen des Wochenendes zweimal als Vierter ab; den Ruhetag am Montag verbringt er an sechster und letzter Stelle des ersten Favoriten-Grupettos (2:14 zurück). Aber dahinter klafft schon eine knapp dreiminütige Lücke zu den Verfolgern. Buchmann habe sich in der "absoluten Weltspitze" etabliert, sagte Bora-Teamchef Ralph Denk, Mühlberger fand gar: "Man kann mit ihm definitiv die Tour gewinnen. Ich denke, er ist der ganz große nächste deutsche Star." Wobei der Österreicher das eher auf die kommenden Jahre bezog. Sogar der stille Buchmann sprach von einem "richtig geilen Wochenende", auch wenn er beteuerte, dass er weiter an seiner ursprünglichen Planung festhalte: einen Platz unter den besten Zehn.

Nicht ausgeschlossen, dass es den 26-Jährigen sogar bis aufs Podium tragen könnte, als ersten Deutschen seit Andreas Klöden bei der dopingumwitterten Tour 2006. Aber Buchmann weiß auch: Es zählt zu den stählernen Regeln der Tour, dass ein Plan von der ersten bis zur letzten Etappe nie ganz aufgeht.

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