Torschütze Thilo Kehrer:Held der Nordkurve

In seinem ersten Derby gelingt Schalkes Eigengewächs Thilo Kehrer der späte Ausgleich. Der 20-Jährige findet kecke Worte über Dortmunds Torschützen.

Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

Vor 92 Jahren hieß der Schalker Held Ernst Kuzorra. Er war damals gerade einmal 19 Jahre alt und erzielte am 3. Mai 1925 zwei Treffer zum 4:2-Sieg gegen Borussia Dortmund. Dadurch wurde Schalke Ruhrgaumeister. Am Samstag spielten Schalke und Dortmund zum 150. Mal in einer Pflichtpartie gegeneinander, diesmal war der Schalker Held aber schon 20 Jahre alt, und der Treffer von Thilo Kehrer in der 77. Minute bedeutete auch nicht den Sieg, sondern bloß den Ausgleich zum 1:1 (0:0)-Endstand. Dass es ausgangs eines leidenschaftlichen Bundesligaspiels keinen Titel und bloß einen Punkt gab, war den Reaktionen des Schalker Publikums jedoch nicht anzumerken. Sie sangen, hüpften und jubelten, als hätte dieses 1:1 eine Erwähnung im Briefkopf verdient.

Besonders gut gefiel ihnen, dass ihr Eigengewächs Kehrer die Dortmunder Führung durch den Branchensuperhelden Pierre-Emerick Aubameyang aus der 53. Minute egalisiert hat. Aubameyang hatte sich in guter Derby-Manier zum Jubel eine Superheldenmaske übergezogen. "Ich brauch' keine Maske", sagte Kehrer keck. "Ich muss mein Gesicht nicht verstecken."

"Einfach nur Gänsehaut"

In seinem zwölften Bundesligaspiel mit seinem ersten Tor hat sich Kehrer in die Schalker Geschichtsbücher geschossen. Derby-Tore zählen vom Renommee her mindestens doppelt. "Es war ein Riesengefühl, einfach nur Gänsehaut", schilderte der gebürtige Tübinger, der 2012 mit 15 Jahren vom VfB Stuttgart zu Schalke 04 gewechselt war und den Gelsenkirchenern damit offiziell als Eigengewächs gilt. Für Trainer Markus Weinzierl ist er sogar noch mehr: "Thilo ist ein guter Junge, der für die Mentalität dieser Mannschaft steht." Die Mentalität in diesem speziellen Spiel hatte sich darin gezeigt, dass die Schalker trotz einer durchwachsenen ersten Stunde am Ende aufdrehten und sogar noch den Sieg hätten erzwingen können. "Bartra hat die Hand schon ziemlich weit oben", sagte Kehrer zur Elfmeterszene in der Nachspielzeit, "das war jedenfalls nicht die natürlichste Handbewegung." Kehrer findet: "Über den gesamten Spielverlauf gesehen, ist das einseins aber gerecht."

Kehrer hat in der Hinrunde dieser Saison noch keine allzu große Rolle gespielt, wurde vom Manager Christian Heidel in diesem Zusammenhang als "ungeduldig" beschrieben. "Ist doch klar, dass jeder Spieler spielen will", sagt Kehrer nun entschuldigend. "Ich bin jetzt einfach froh, in der Mannschaft zu sein und meinen Teil beitragen zu können." Vom Kapitän Benedikt Höwedes erhielt er ein verdientes Lob. "Freut mich riesig, dass er als Schalker Junge dieses wichtige Ausgleichstor im Derby vor der Nordkurve macht", sagte Höwedes und schaffte es, alle emotional relevanten Faktoren in einen Satz zu packen. Nur einer zeigte sich nicht sonderlich überrascht: Vorlagengeber Leon Goretzka. "Das ist eine ganz witzige Geschichte, weil ich Thilo vor dem Spiel gesagt hatte, dass er diesmal trifft", behauptete Goretzka - "allerdings hatte ich bei meiner Vorhersage eher an ein Kopfballtor gedacht."

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