Schwimm-WM in Budapest:Das schrägste Erfolgsduo im Schwimmen

Schwimm-WM in Budapest: Katinka Hosszu und ihr Mann Shane Tusup: Selbstvermarktung bei der Schwimm-WM

Katinka Hosszu und ihr Mann Shane Tusup: Selbstvermarktung bei der Schwimm-WM

(Foto: dpa/Reuters)
  • Katinka Hosszu ist der Star bei der Heim-WM in Budapest.
  • An ihr fasziniert nicht nur die Leistung im Becken - auch die Vermarktung und die Beziehung zu ihrem Trainer ist einzigartig.
  • Aktuell macht die Gründung einer Schwimmergewerkschaft stutzig.

Von Claudio Catuogno, Budapest

Die rote Schildmütze mit dem Schriftzug "Iron Lady", die sich die Weltmeisterin Katinka Hosszu für die Ehrenrunde auf den Kopf setzte, kann man übrigens kaufen. 30 Euro. Das "Iron-Lady"-Top, das sie auf der Pressekonferenz trug, auch. 26 Euro. Und die Kappe ("Iron") sowie das schwarze Shirt ("Iron Lady") von Hosszus Trainer und Ehemann Shane Tusup, der in der ersten Tribünenreihe herumsprang, als sei er von einer Giftschlange gebissen worden, sind ebenfalls für jedermann erhältlich. Im "Iron Store".

Alles hat sich miteinander vermischt, als die 28 Jahre alte Katinka Hosszu aus Pécs am Sonntagabend in Budapest WM-Gold über 200 Meter Lagen gewann. Eine Ungarin - in Ungarn! Nichts war mehr voneinander zu trennen, Nationalstolz, Liebe, Merchandising und ein Hauch Athletenrevolution. Fangen wir mal mit der Liebe an.

Es war im Olympiajahr 2012, Hosszu hatte sich in Los Angeles von ihrem Trainer Dave Salo getrennt, Salo wiederum hatte Shane Tusup fortgeschickt, der an dem College eine Art Hilfscoach war. Zu viel Ärger. Hosszu und Tusup waren schon damals ein Paar, also sagte sie zu ihm: Lass' uns nach Ungarn zurückgehen - und du wirst mein Trainer! Tusup ahnte zwar, "dass wir es irgendwann bereuen werden", aber fand die Vorstellung dann doch faszinierend. Bisher bereuen die beiden nichts.

Er schreit sie an, sie braucht das

Hosszu war schon davor gut geschwommen, bei Olympia jedoch zweimal leer ausgegangen. 2016 in Rio gewann sie dreimal Gold und schwamm einen Weltrekord. Das war allerdings noch nichts gegen die Emotionen, die nun ihr Heimsieg in Budapest freisetzte. "Ich habe immer davon geträumt, Olympiasiegerin zu sein", sagte sie, "aber hier habe ich gespürt, dass ich nicht für mich alleine schwimme."

Die Liebe der Leute äußerte sich in ekstatischem Gebrüll in Tateinheit mit rot-weiß-grünen Fahnen, auch der Ministerpräsident Viktor Orbán war in der neuen Schwimm-Arena am Donauufer erschienen. Aber natürlich ist Katinka dann als erstem wieder ihrem Shane in den Arm gefallen, der auch gleich die "Iron-Lady"-Mütze bereithielt. Später sagte Hosszu: "Es ist wunderbar, gemeinsam durch all diese großen Ziele zu gehen und all das mit jemandem zu teilen, den man wirklich liebt."

Definitiv sind die beiden ein Team, wie es im Schwimmen kein zweites gibt. Er schreit sie an, sie braucht das. Er schreit andere an (ein schottischer Trainer, dem er am Beckenrand ein "Ich bring dich um" an den Kopf warf, verklagt Tusup gerade wegen "öffentlicher Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte") - ihr gefällt das. Sie schwimmt Weltrekord - er lässt sich ihre Bestzeit als Tattoo stechen. Liebe bis unter die Haut. Und damit zum Merchandising.

Plüschfigur 16 Euro, Kühlschrankmagnet zwei Euro

Denn längst haben die beiden aus ihrer Erfolgspartnerschaft auch ein florierendes Unternehmen gemacht, die "Iron Corporation". Heute im Angebot: Plüschfigur "Iron Lady", 16 Euro. Kühlschrankmagnet "Shane", zwei Euro. Und das gemeinsame Motto der beiden, auf eine Plastiktrinkflasche gedruckt: "Harte Arbeit zahlt sich immer aus." Nur zehn Euro. Genau genommen dürfte Hosszu sich mit dem Werbematerial am Beckenrand nicht blicken lassen: Von den persönlichen Sponsoren der Schwimmer ist bei der WM nicht mal der kleinste Schriftzug erlaubt, zum Schutz der Fina-Sponsoren. Aber aus irgendeinem Grund lässt sich der Weltverband einreden, dass Hosszu doch nur ihren Spitznamen auf eine Mütze hat drucken lassen.

"Iron". Eisern. Es ist wohl eher ein Kampfname als ein Spitzname.

Der Mensch Katinka Hosszu und das Kunstprodukt Iron Lady sind längst nicht mehr auseinanderzuhalten. Und womöglich ist die Frage, ob sie tatsächlich nur aus Fleisch und Blut besteht, nicht von der Hand zu weisen, wenn man sich das Wettkampfprogramm ansieht, das sich Hosszu seit Jahren zumutet. Als Lagen-Spezialistin kann sie alles schwimmen, also tritt sie auch auf den Rücken-, Schmetterlings-, und Freistil-Strecken an. 100, 200, 400 Meter. Am Dienstagabend etwa qualifizierte sie sich über 200 Meter Freistil fürs WM- Finale am Mittwoch. Da beließ sie es mal bei einem Auftritt. Manchmal ist man nicht sicher, ob sie hinten schon aus dem Becken geklettert ist, wenn sie vorne bereits wieder vom Startblock hüpft. Fühlt sie sich mal erschöpft von der Plackerei, redet sie sich ein, sie sei gar nicht erschöpft.

Schon geht's weiter. Wenn man eisern ist. Als Erste im Schwimmsport hat Hosszu mit dieser Tingelei durch die Weltcup-Pools mehr als eine Million Dollar Preisgeld verdient, das war 2014. Im vorigen Winter hat sie erneut 250 000 Dollar für den Sieg in der Weltcup-Serie eingestrichen. Hosszu ist Millionärin. Und deshalb macht einen auch ihr aktuelles Projekt stutzig: Sie hat, ungewöhnlich für Besserverdiener, eine Gewerkschaft gegründet. Die Global Association of Professional Swimmers, kurz: GAPS, ist auch in Budapest wieder Thema. Mehr als 30 Schwimmer haben sich schon angeschlossen, darunter Weltmeister und Olympiasieger. Sie wollen, dass die Fina nicht weiter alles über die Köpfe der Athleten hinweg entscheidet.

Wenn man aber ein bisschen genauer hinschaut, dann dreht sich Hosszus Furor vor allem um das Thema Preisgeld: Die Fina hat die Weltcup-Regeln geändert, sie kann jetzt weniger häufig antreten - und weniger verdienen.

Es gibt tatsächlich eine Menge ungelöster Probleme im Schwimmen. Aber zu den meisten hat Katinka Hosszu auch dann wenig anzubieten, wenn sie danach gefragt wird. Zu der laschen Anti-Doping-Politik der Fina zum Beispiel, die sich im Vergleich zu anderen Verbänden bemerkenswert schwer tut, ihre Stars aus dem Pool zu verbannen, selbst bei einem Positivtest.

"Die Leute wollen uns Rennen schwimmen sehen", sagte Katinka Hosszu in Budapest, "darum geht es." Sie hat noch ein paar Ziele bei dieser WM. Auch, was den Umsatz angeht.

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