Olympia:Hambüchen gehört die Gegenwart, wem gehört die Zukunft?

Artistic Gymnastics - Men's Qualification - Subdivisions

Zeigte eine exzellente Übung am Reck: Fabian Hambüchen.

(Foto: REUTERS)

Die deutschen Turner zeigen im Mehrkampf-Finale eine ordentliche Leistung. Fraglich ist aber, wie schnell sich die Gruppe nach Olympia erneuern kann.

Von Volker Kreisl, Rio de Janeiro

Am Montagabend war der Turner Andreas Toba dann doch wieder nur eine Randnotiz. Kurz vor sieben Uhr knüpfte er sich die Trainingsjacke zu, stützte sich auf seine Krücken und applaudierte den Siegern des Tages. Hinter ihm lagen 48 Stunden voller Frust, Tränen und Schmerzen und dem mitreißenden Erlebnis, plötzlich ein gefragter Turner und, ja, ein Held des Sports zu sein.

Aber jetzt schritt die Zeit bei Olympia weiter, und die Scheinwerfer richteten sich auf die Japaner, die wieder Mannschafts-Olympiasieger wurden. Den langjährigen Rivalen China hatten sie deklassiert, dessen Team landete auf Platz drei, sogar noch überholt von Russland.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Geturnt hat Andreas Toba diesmal natürlich nicht, sonderlich gut hat seinem Körper der Abend trotzdem nicht getan. Diesmal hat er aber nur seine Stimmbänder lädiert, und, wie er später sagte, hat er sich auch Ärger mit dem Physiotherapeuten eingehandelt, weil er mit seinem frischen Kreuzbandriss die Mannschaft durch den kompletten Parcours über sechs Geräte begleitet - und sich dabei so gut wie nicht hingesetzt hatte.

Toba, der unverletzt wegen seiner Vielseitigkeit an allen Geräten gesetzt ist, applaudierte am Sprung und dann daneben am Barren. Er brüllte letzte Tipps am Reck, an dem Andreas Bretschneider wie in der Qualifikation bei seinem Spezialelement herunterfiel und Fabian Hambüchen mit einer exzellenten Übung sich fürs Finale in einer Woche als Favorit positionierte. Toba reichte Tapes und Getränkeflaschen am Boden, wo er sich am Samstag nach der ersten Akrobatik-Bahn das Knie so heftig verletzt hatte.

Und er rief Bretschneider, Lukas Dauser und Marcel Nguyen noch an den letzten Geräten zu, dass sie sich weiter zusammenreißen sollten, an den Ringen, und zuvor am Pauschenpferd, an dem er selbst vor 48 Stunden trotz des Kreuzbandrisses noch unter Schmerzen angetreten war, und damit überhaupt die Teilnahme der Deutschen am Teamfinale gewährleistet hatte. "Meine Stimme ist kaputt", hauchte er nun.

Toba ist noch eine Weile dabei

Nach zwei Tagen hat sich der Blick dann auch wieder etwas geweitet, und so wird Toba auch die Besonderheiten dieses Abends gesehen haben. Die Show des zehnmaligen Weltmeisters, des Japaners Kohei Uchimura, der allerdings nicht immer so glatt und sauber turnte wie vor fünf Jahren, und nach seiner letzten Übung am Boden heftig schnaufte. Er sicherte seinem Team Gold, andererseits sparte sein ärgster Kontrahent, der Ukrainer Oleg Wernjajew unterdessen Kräfte, er wurde vom Trainer für den Donnerstag geschont.

Der Auftritt der Deutschen hatte nun eher Präsentationszwecke, man wollte zuvor ja ins Finale, um wichtige Fördergelder zu sichern, aber auch, um sich zu zeigen. Dies ist durchaus gelungen. "Jeder hat gesehen, dass wir nicht mit vielen Reserven ausgestattet waren", sagte Cheftrainer Andreas Hirsch. "In Anbetracht des Teamgeistes sind wir sehr zufrieden mit dem Wettkampf."

261,275 Punkte gab es für die Leistung, das ist ein passabler Wert, inwieweit die Gruppe sich wieder erneuern kann, wenn demnächst Fabian Hambüchen und irgendwann auch der Mehrkampf-Silbergewinner von London, Marcel Nguyen, nicht mehr turnen, bleibt allerdings fraglich.

Andreas Toba, 25, ist jedenfalls noch eine Weile dabei. Er wird am Sonntag nach Hause fliegen, danach operiert, und den langen Weg durch die Reha gehen, den ja alle Turner gut kennen. Und doch wird sich vieles geändert haben, wenn er wieder vor Publikum auf die Matte tritt. Sein Gesicht und sein Name sind dann hinreichend bekannt, unzählige Interviewanfragen und Reaktionen im Internet haben ihn in den vergangenen Stunden erreicht. Worin natürlich auch schon wieder viel Ironie liegt. Toba krächzte jedenfalls amüsiert: "Das bin ich nicht gewohnt, aber es freut mich, dass ich mal zeigen konnte, was ich für ein Mensch bin."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: