Olympia:Das IOC will Stepanowa verhindern - egal wie

Athletics - European championships - Amsterdam

Julia Stepanowa, hier bei der EM in Amsterdam Anfang Juli.

(Foto: Michael Kooren/Reuters)

Der Internationale Sportgerichtshof entscheidet, dass auch russische Ex-Doper bei Olympia starten dürfen. Der Whistleblowerin Julia Stepanowa wird das kaum helfen.

Von Thomas Hummel

Ob Julia Jefimowa am Sonntag um 14 Uhr im Olympic Aquatics Stadium bei den Vorläufen über 100 Meter Brust am Startblock stehen wird, ist noch nicht ausgemacht. Eine Überraschung wäre es nicht. Der Präsident des russischen Schwimmverbandes, Wladimir Salnikow, gab schon mal die Linie vor: "Ich bin sehr glücklich für Julia Jefimowa, dass sie einen Teil des Weges zum Olympiastart geschafft hat. Wir hoffen, dass die Entscheidung positiv ausfällt."

Die 24-Jährige entwickelt sich in Dopingfragen zur Entfesselungskünstlerin. Im Oktober 2013 war sie positiv auf ein Steroid getestet worden. Sie erklärte damals, ein Nahrungsergänzungsmittel sei dafür verantwortlich. Sie habe es in Amerika eingekauft, und weil ihr Englisch so schlecht sei, das falsche Mittelchen erwischt. Ergebnis war eine reduzierte Sperre des internationalen Schwimmverbands Fina, rechtzeitig zur Heim-WM in Kasan durfte sie wieder starten. Und gewann die Goldmedaille über 100 Meter Brust sowie Bronze über 50 Meter.

Nun hat der sogenannte McLaren-Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hervorgebracht, dass auch diese Schwimm-WM 2015 vom systematischen Staatsdoping in Russland betroffen war.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Das Internationale Olympische Komitee weigerte sich trotz des erdrückenden Wada-Berichts, Russland komplett von den Spielen in Rio auszuschließen. Wies allerdings an, nur "saubere" Russen dürften mitmachen. Unter anderem fallen alle raus, die schon mal positiv getestet worden sind. Also auch Jefimowa. Doch die klagte dagegen. Zusammen mit den beiden Ruderern Anastassija Karabelschtschikowa und Iwan Podschiwalow. Und erhielt grundsätzlich recht.

Bauerntricks des IOC

Es war von vornherein klar, dass diese Regel am Internationalen Sportgerichtshof (Cas) durchfallen würde. Eine Mehrfachbestrafung hat der Cas mehrfach als nicht durchsetzbar abgewiesen. So auch diesmal. Wer seine Strafe abgesessen hat, darf wieder starten. Schon bei Verkündigung der fadenscheinigen IOC-Regeln zur russischen Nominierung erklärten viele Beobachter diesen Punkt zur "Lex Stepanowa". Die Whistleblowerin Julia Stepanowa war 2011 positiv getestet worden und hatte danach zusammen mit ihrem Ehemann geholfen, das Staatsdoping in Russland aufzudecken. Mit verdeckter Kamera filmte sie die Vorgänge in der russischen Leichtathletik, heute ist sie mit ihrer Familie auf der Flucht und lebt an einem geheimen Ort in Amerika.

Diese Stepanowa würde auch gerne starten, für den 800-Meter-Lauf wäre sie qualifiziert. Der Internationale Leichtathletik-Verband unterstützt das massiv (während er alle anderen Russen - bis auf die in Amerika lebende Weitspringerin Darja Klischina - aussperrt). Doch das IOC unter dem deutschen Präsidenten Thomas Bach verhindert Stepanowas Auftreten mit allen Mitteln und Winkelzügen. Auch die Entscheidung des Cas dürfte ihr nichts helfen.

Erstens hat sie bereits dargelegt, dass sie kein Geld habe für einen Gang vor den Cas. Sie lebt hauptsächlich von Spenden. Zudem hat sich das IOC mit der Regel, Ex-Doper dürfen nicht starten, vor allem Zeit erkauft. Inzwischen hat es neue Bauerntricks erfunden, um Stepanowa aus Rio fernzuhalten. Die Funktionäre unterstellten ihr, nur unter neutraler Flagge starten zu wollen, was das IOC ablehne. Dabei betonte Stepanowa ähnlich wie Klischina, auch unter russischer Flagge antreten zu wollen, wenn sie der russische Verband aufnehme. Es geht um Formfehler und Bürokratie. Mit dem offensichtlichen Ziel, dass diese russische Geheimnis-Verräterin auf keinen Fall ihren großen Auftritt vor aller Welt bekommen darf. Ein umjubelter Lauf der 30-Jährigen im Olympiastadion wäre eine Schmach für die Herrscher Russlands, und deren Einfluss auf das IOC ist enorm.

Jefimowa darf sich schon mal warmschwimmen

Von den einst qualifizierten 387 russischen Sportlern haben die Fachverbände bislang 271 durchgewinkt. Es dürften nach dem Cas-Urteil vom Donnerstag noch mehr werden. Die Verbände müssen nun in Windeseile prüfen, ob die Sportler in den vergangenen 18 Monaten auch außerhalb Russlands getestet wurden, dann gibt es keine Hindernisse mehr. Es stehen im Zweifel ja auch Schadenersatzforderungen im Raum, falls jemand zu Unrecht vom Olympia ferngehalten wird. Julia Jefimowa kann sich schon mal warmschwimmen.

Zum Thema Doping sagte sie mal: "Ich vergleiche das immer mit dem Autofahren. Wenn Sie einen Führerschein haben, fahren sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen sie ein Knöllchen." Und dann geht's eben weiter.

Das IOC hat der Whistleblowerin Julia Stepanowa übrigens die "ethische Eignung" für Olympia abgesprochen. Und nach der Meldung der 271 Russen für Rio sagte Thomas Bach: "Ich kann den Sportlern in die Augen schauen, weil ich ein reines Gewissen habe." Am heutigen Freitagabend wird das olympische Feuer entfacht.

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