Olympia:Das IOC duckt sich hinter den Sportgerichtshof

Vladimir Putin, Thomas Bach

15. Februar 2014: Während der Winterspiele plauschen IOC-Chef Thomas Bach (re.) und Russlands Präsident Wladimir Putin in Sotschi in einem Strandcafé.

(Foto: David Goldman/AP)

Das Internationale Olympische Komitee spielt auf Zeit und zeigt wenig Intention, Russland wegen Staatsdopings von den Spielen in Rio de Janeiro auszuschließen. Auch die WM 2018 gerät nun ins Visier.

Von Thomas Kistner

Am Tag nach dem Dopingbeben um Russland tagte Thomas Bach mit seinem IOC-Vorstand per Telefon. Gegen 17 Uhr stand dann das Erwartbare fest: Das Internationale Olympische Komitee verhängt nach den Enthüllungen des McLaren-Reports keinen direkten Olympia-Ausschluss gegen Russland. Das IOC will die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes Cas bezüglich des Einspruches von 68 russischen Leichtathleten abwarten, die vom Leichtathletik-Weltverband IAAF nicht für die Rio-Spiele zugelassen worden waren.

Die Cas-Entscheidung soll spätestens am Donnerstag fallen. Dazu setzt das IOC eine weitere Kommission ein. Fünf Leute sollen sich mit den russischen Verfehlungen befassen. Hinzu kommen einige Sofortmaßnahmen. Unter anderem werden vorerst keine IOC-Veranstaltungen in Russland mehr organisiert. Auch die Planungen bezüglich möglicher Europaspiele 2019 in Russland wurden auf Eis gelegt. Zudem wird kein Mitglied des russischen Sportministeriums eine Akkreditierung für die Olympischen Spiele in Rio erhalten.

Überdies wird es Nachtests aller russischer Dopingproben der Winterspiele in Sotschi geben. Das IOC rief alle Verbände auf, Planungen bezüglich Großveranstaltungen in Russland vorerst nicht weiterzuverfolgen. Dem Land wird vorgeworfen, Staatsdoping praktiziert zu haben. Die IOC-Beschlüsse wirken abgekartet. Zwar bleibt die größte Strafe, ein Olympia-Ausschluss, formal im Raum. Dass es nicht dazu kommen soll, zeigt aber schon das Wegducken des IOC hinter den Cas. Das IOC ist Herr der Spiele, und der Fall Russland hat rein politische Dimension - das ist nicht über Regelfragen des Sports zu klären.

Doch wie wenig couragiert es in Sportkreisen zugeht, zu denen Bach enge Bezüge hat, wurde schon deutlich, als die IOC-Granden noch tagten. Bereits am Vormittag hatte sich die Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund positioniert: gegen jene neue globale Anti-Doping-Allianz, der die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, führende nationale Agenturen und viele Athletengruppen angehören. Die DOSB-Athleten stellten sich an die Seite des Ringe-Konzerns und ihres Ex-Präsidenten Bach. Dem lieferten sie eine Steilvorlage, um die Russen trotz der im Wada-Report des unabhängigen Ermittlers Richard McLaren dargelegten Zustände nach Rio zu schleusen: Sollte die Faktenlage über systematisches Doping in Russland zum Ausschluss des Landes führen, dann, so heißt es, solle der Bann an Bedingungen geknüpft sein.

An diese hier: "Nachweislich sauberen Athleten muss das Startrecht eingeräumt werden." So sieht das auch der Ex-Athletenvertreter Bach. Und so wenig wie er legt nun das DOSB-Gremium unter Vorsitz des Ruderers Christian Schreiber dar, wie der Nachweis aussehen könnte: Dass ein Athlet vom Moskauer Betrugslabor für sauber befunden wurde? Oder, Variante zwei: Man lässt noch mal Wasser bei einer nicht-russischen Agentur? Das wäre gewiss sauber.

Bachs Ringe-Clan wird trotz des vernichtenden Reports - der zeigt laut Verfasser nur eine "dünne Scheibe" der Affäre - alles daran setzen, vielen Russen den Weg nach Rio zu ebnen. Geübt lässt der Ex-Fechter die öffentliche Debatte von Gefolgsleuten führen. Als Scharfmacher geriert sich IOC-Vorstand Patrick Hickey; der Ire ist auch Chef der europäischen NOKs und versucht gerade, seine siechen Europa-Spiele in Sotschi anzudienen. Nun wettert Hickey gegen Vorverurteilung und Kollektivstrafe - der Mann, dessen Sohn eine mysteriöse Rolle im Sportticket-Business spielt, und der viel Kritik auslöste, als er Weißrusslands Potentaten Alexander Lukaschenko (inoffizieller Titel: "Europas letzter Diktator") einen Orden andiente: für "herausragende Verdienste um die Olympische Bewegung".

Auch die Fußball-WM 2018 gerät in den Fokus

Es tobt die Schlammschlacht um Russland, sie wird manche spannende Personalie des IOC in den Fokus befördern. Der Ringe-Konzern, in unabhängigen Rankings gern unter den intransparenten Organisationen des Globus gelistet, ist faktisch auf Kommandostrukturen aufgebaut. Diese Welt aus Befehl und Gehorsam könnte ein Chaos erleben, falls in Rio der neuerdings aufmuckende Teil der Sportwelt und russische Vertreter aufeinanderprallen sollten. Die Schaukelpolitik des IOC am Dienstag festigte den Eindruck, dass es mehr um den Schutz von Putins Sportlern als um den der globalen Athleten besorgt ist.

Anders als die Fifa hat das IOC auch keine unabhängige Ethikkommission. Deshalb sind es nun die Ermittler des Fußball-Weltverbands, die im Fall Russland aktiv werden. Sportminister Witali Mutko rudert im nationalen Dopingsumpf, zugleich sitzt er im Fifa-Vorstand. Dienstag teilten die Fifa-Ethiker mit: Die Untersuchungskammer werde den Wada-Bericht "eingehend prüfen. Sollte er Verstöße gegen das Fifa-Ethikreglement aufzeigen, wird die Untersuchungskammer geeignete Maßnahmen ergreifen und informieren".

Wada-Kreisen zufolge glühen die Drähte bereits. Die Ethiker brauchen harte Belege, um Mutkos Verwicklung konkret nachweisen und per Suspendierung im Fifa-Amt sanktionieren zu können. Auf solche harten Belege weist der McLaren-Report explizit hin. Mutko soll ja in zumindest einem Fall persönlich für das Vertuschen eines Dopingbefundes bei einem ausländischen Profi der russischen Topliga gesorgt haben. Sollte dies so gewesen sein, müsste die Fifa Mutko suspendieren. Auch spürt der Weltverband schon den im Report dokumentierten elf vertuschten Fußball-Dopingfällen nach.

Putin greift durch, aber Mutko bleibt im Amt

Mit Angriffen von dieser Flanke hat auch der Olymp nicht gerechnet. Die Gemengelage zeigt, dass die Russen-Problematik weit über Rio hinausreicht. Staatschef Wladimir Putin hat angesichts des Wada-Reports zwar Suspendierungen verfügt. Doch Mutko ist nicht betroffen. Obwohl er im Report schwer angezählt wird und es absurd erscheint, dass just der Hauptverantwortliche des Sports den jahrelangen Großbetrug unter geheimdienstlicher Regie nie mitbekommen haben soll.

Für Russland dürfte, zwei Jahre vor der Fußball-WM im eigenen Land, ein Revirement auf höchster Funktionärsetage womöglich heikel werden. Allerdings könnten Putin diese Aufgabe nun die Fifa-Ethiker abnehmen; im Falle einer Sperre wäre Mutko für alle Fußballtätigkeit verbannt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: