Nürnberg:Nur gerüttelt, nicht geöffnet

Lesezeit: 2 min

Selbst die Chance auf einen Treffer per Elfmeter lässt der Club aus und wirkt bei der 0:1-Niederlage gegen RB Leipzig wie ein guter Zweitligist: ambitioniert und bemüht, aber doch klar überfordert.

Von Christoph Ruf, Nürnberg

Als die gut gefüllte Gästetribüne hämische "Absteiger"-Rufe in Richtung der Nürnberger Nordkurve versandte, wurde das im sich leerenden Rund ignoriert. Die Zeiten, in denen Freunde des ruhmreichen 1. FC Nürnberg solche Frechheiten empört zurückgewiesen haben, sind vorbei. Zu deutlich wurde in dieser Saison vom ersten Spieltag an, dass diese Club-Elf nicht konkurrenzfähig ist in einer Liga, in der so mancher Einzelspieler den gleichen Marktwert hat wie der komplette Nürnberger Kader. Auch am Samstag gaben dessen Spieler alles. Doch das reichte nicht.

Dennoch blieb es im Stadion so ruhig, dass Nürnberger Spieler wie Eduard Löwen aufrichtig dankbar waren, "dass die Fans uns so unterstützen". Der Mittelfeldmann hat sogar behauptet, dies sei der Beweis, dass die Fans trotz 18 siegloser Spiele in Serie noch an den Klassenerhalt glauben. Das stimmt zwar nicht, aber die Anhänger können ihrer Mannschaft zumindest nicht vorwerfen, dass sie unter ihren Möglichkeiten bliebe. Im Gegenteil: Sie spielt entsprechend ihren Möglichkeiten - wie eine gute Zweitliga-Mannschaft!

In der ersten Liga aber fallen ihre Defizite grausam auf: Auch gegen Leipzig sah man Hackentricks, die beim Gegner landen; Bälle, die von der gegnerischen Strafraumkante nach zwei Pässen beim eigenen Torwart ankommen; Pässe, die in den Lauf von Spielern gespielt werden, die stehen bleiben. Und viele technische Fehler.

Dabei fing es eigentlich gut an: Leipzigs Konaté kollidierte in der neunten Minute an der Strafraumkante mit Tim Leibold - es folgte doppeltes Glück für Nürnberg: Der Referee entschied auf Foul, und die Richter im Kölner Videokeller verorteten das Vergehen in den Strafraum hinein. Doch Hanno Behrens drosch den Elfmeter an die Latte (10.). Die zuvor gezückte gelbe Karte für Konaté nahm Schiedsrichter Schlager zurück und kommunizierte das auch an die Kapitäne und Trainer. "Es darf keine Doppelbestrafungen geben", sagte FCN-Coach Boris Schommers, der das Prozedere vorbildlich fand: "Ich nehme lieber den Elfmeter."

Dass jener verschossen wurde, war für Schommers ein "verpasster Türöffner". Das größere Problem war jedoch, dass an der Tür danach nicht mal mehr gerüttelt wurde. Erst in der 90. Minute gab Misidjan mit einem Schüsschen RB-Keeper Gulacsi eine Gelegenheit, um einzugreifen. Leipzig siegte nicht glorios: Lukas Klostermann erzielte per Gewaltschuss das 1:0 (40.). Danach kam auch von RB nicht mehr viel.

Schommers zog Positives aus dem deprimierenden Tag: Man habe "gegen die laufstärkste, schnellste und zweikampfstärkste Mannschaft der Liga" nur wenige Chancen zugelassen und sich "nicht wie im Hinspiel auseinanderschießen lassen". Das endete 0:6. "Uns war klar, dass die Nürnberger Mannschaft nichts mehr mit der vom Hinspiel zu tun hat", sagte RB-Trainer Rangnick - ein Hinweis auf den Spielstil unter dem entlassenen Trainer Michael Köllner, den viele als zu blauäugig empfunden haben. Jetzt stehen die Nürnberger hinten besser, aber wie sie zu Toren kommen sollen, wissen sie nicht.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: