Nick Heidfeld im Interview:"Ich werde meinen Charakter nicht ändern"

Eine Saison im unterlegenen Auto, eine Karriere mit Enttäuschungen: Formel-1-Fahrer Nick Heidfeld über die Kunst, motiviert zu bleiben.

René Hofmann

Er fährt seit zehn Jahren in der Formel1, seit 2005 für BMW. Nick Heidfeld, geboren in Mönchengladbach, wurde 2007 Fünfter in der Fahrerrtung, seine beste Platzierung bisher. In der laufenden Saison, die am Sonntag auf dem Nürburgring fortgesetzt wird, liegt der 32-Jährige auf Platz zwölf. Heidfeld galt anfangs als möglicher Nachfolger von Michael Schumacher, konnte von bislang 158 Formel-1-Rennen aber noch keines gewinnen.

Nick Heidfeld im Interview: "Ich weiß, dass ich in der Formel 1 noch mehr erreichen kann und mehr erreichen werde", sagt Nick Heidfeld.

"Ich weiß, dass ich in der Formel 1 noch mehr erreichen kann und mehr erreichen werde", sagt Nick Heidfeld.

(Foto: Foto: Getty)

SZ: Herr Heidfeld, Sie haben Ihr Formel-1-Debüt im Jahr 2000 in Australien gegeben. Damals trat noch ein anderer Fahrer, der derzeit in der Formel 1 aktiv ist, zum ersten Mal an. Wissen Sie wer?

Heidfeld: Ich tippe auf Jenson Button.

SZ: Er fährt im Team Brawn überraschend voraus, Sie kämpfen um den Anschluss. Das sollte doch anders herum laufen, oder?

Heidfeld: Ich glaube nicht, dass Brawn geplant hatte, hinterherzufahren. Aber es stimmt: Wir wollten weiter vorne sein. Wir wollten um den Titel kämpfen. Ich dachte auch, wir schaffen das. In den Jahren zuvor hatten wir unsere Ziele immer erreicht.

SZ: Wie empfinden Sie die Situation?

Heidfeld: Ich bin ja nicht der Einzige, der das im Moment erlebt. Nur Jenson hat das Glück, völlig unerwartet in einem überlegenen Auto zu sitzen. Natürlich mache ich mir ab und zu Gedanken: Was wäre gewesen, wenn? Ich war 2008 mit dem Team in Kontakt. Als Honda dann ausgestiegen ist, habe ich gedacht: Puh! Gut, dass da nicht mehr passiert ist. Und plötzlich gewinnen die ein Rennen nach dem anderen.

SZ: Wann haben Sie gemerkt: Mein Auto ist zu langsam?

Heidfeld: Beim Saisonstart in Melbourne. Bei den Testfahrten waren die Eindrücke noch gut. Dann haben wir zu den ersten Rennen zu wenig Neuerungen gebracht und sind stark zurückgefallen. Das zu erleben, war sehr hart.

SZ: Zur Formel 1 gehört, dass akribisch nach den Gründen für den Misserfolg gesucht wird. Dämpft das Verständnis die Enttäuschung?

Heidfeld: Im Rennen nicht. Da probiere ich, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren, weil alles andere nichts bringt. Im Ziel kommt dann oft die Enttäuschung. Dort denkt man: Mist, was war los? Später versucht man, die Dinge zu analysieren. Das hilft, weil man versteht, woran es gelegen hat - und weil es Hoffnung gibt, es umstellen zu können.

SZ: Wie viel weniger Spaß macht Ihnen Ihr Job als im vergangenen Jahr?

Heidfeld: Ein Vergleich mit 2008 fällt schwer. Damals hatten wir ein gutes Auto, aber ich hatte Mühe, immer das Maximum herauszuholen, weil ich mit meinem Fahrstil die Reifen nur schwer auf Betriebstemperatur brachte. Aber 2007 war ein Jahr, in dem es mir viel mehr Spaß gemacht als jetzt: Das damalige Auto hat mir gepasst. Ich bin öfter aufs Podium gefahren. Wir hatten mehr erreicht als erwartet.

SZ: Ist die Krise für das Team größer, oder für Sie persönlich?

Heidfeld: Eine nette Frage! Ich denke, das Team und ich haben in den vergangenen Jahren gezeigt, was wir können.

SZ: Sie hatten in Ihrer Karriere einige Phasen, in denen Sie in Autos saßen, mit denen der Sieg nicht drin war.

Heidfeld: Ja, aber die Situation jetzt ist anders, weil die Erwartungshaltung viel höher war.

SZ: Doppeldiffusor, Reifenhärten, Benzinmenge. Nervt es Sie, dass die Leistung in der Formel 1 nicht so leicht zu erkennen ist wie beim 100-Meter-Lauf?

Heidfeld: Jein. Es ist schade, aber da wächst man rein. Selbst in den Einheitsserien, in denen ich gefahren bin, war das Team wichtig. In der Formel 3000 hatten wir zwar Einheits-Karosserien, Einheits-Reifen und Einheits-Benzin. Aber wenn alle das Gleiche haben und ein Team bekommt ein Detail etwas besser hin, hat man einen großen Vorteil.

SZ: Sie waren in allen Serien vor der Formel 1 erfolgreich. Haben Sie das Gefühl, hier unter Wert geschlagen zu sein?

Heidfeld: Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist. Aber ich weiß, dass ich in der Formel 1 noch mehr erreichen kann und mehr erreichen werde, als ich bislang gezeigt habe. Ganz klar.

SZ: Was macht Sie da so sicher?

Heidfeld: Mein Selbstbewusstsein, das Wissen: Ich kann um den Titel mitfahren, wenn das Auto stimmt.

SZ: Was waren die wichtigsten Reifepunkte in Ihrer Formel-1-Karriere?

Heidfeld: Genau kann ich die nicht benennen. Was ich beim Einstieg nicht erwartet hätte: wie wichtig die Politik ist. Da habe ich einiges gelernt. Wenn ich heute ein Interview mit jemandem aus der Formel 1 lese, sage ich nicht mehr 'Das ist aber interessant!'. Stattdessen frage ich mich: 'Warum sagt er das jetzt?' Das finde ich traurig.

SZ: Waren Sie zu lange zu brav?

Heidfeld: Im Auto sicher nicht.

"Ich gelte immer noch als der Ruhige"

SZ: Das war nicht gemeint.

Heidfeld: Ha, da haben wir noch so einen Punkt, der mich an der Formel 1 zunächst verwundert hat: Wie wichtig das Image ist. Ich hatte 2007 und 2008 den Ruf, einer der besten Überholer zu sein. Um zu überholen, muss man aggressiv sein, etwas riskieren. Also sollte ich doch ein entsprechendes Image haben. Stattdessen gelte ich immer noch als der Ruhige, der Zurückhaltende. Das ist vielleicht neben der Strecke der Fall. Aber da fahre ich ja kein Rennen. Ich werde meinen Charakter nicht ändern. Ich möchte so Erfolg haben, wie ich bin.

SZ: Im Jahr 2001 fuhren Sie neben Kimi Räikkönen bei Sauber. Als McLaren einen Nachfolger für Mika Häkkinen suchte, verpflichtete das Top-Team nicht Sie, sondern den Newcomer. Wenig später wiederholte sich die Geschichte mit Ferrari und ihrem Teamkollegen Felipe Massa. Wie kränkend war das?

Heidfeld: Gekränkt habe ich mich nicht gefühlt. Ich habe mich geärgert. Ich kann es immer noch nicht nachvollziehen. Bis auf 2008, als ich das Problem mit den Reifen hatte, habe ich mich gegen jeden Teamkollegen behauptet.

SZ: 158 Starts, kein Sieg - wie sehr fuchst Sie diese Statistik?

Heidfeld: Ich hätte gerne mehr als ein Rennen gewonnen. Für mich ist diese Bilanz aber kein so großes Thema, weil meinen Teamkollegen in all den Jahren auch nur ein Sieg geglückt ist: Robert Kubica hat 2008 in Kanada gewonnen, ich wurde Zweiter. Hätte das Team nicht entschieden, eine Strategie zu wählen, die den Doppelerfolg garantierte, hätte ich eine Siegchance gehabt. Hätten meine Teamkollegen zehn oder zwanzig Siege gesammelt, würde es mich mehr ärgern.

SZ: Sie sind 32 Jahre alt und haben eine Familie mit zwei Kindern. Wie groß ist Ihre Lust auf die Formel 1 noch?

Heidfeld: So groß wie eh und je.

SZ: Der Automobilweltverband hat ein Ziel: Jedes Team soll bald nur noch 45Millionen Euro pro Jahr ausgeben. Das sind Dimensionen wie bei Ihrem Einstieg im Jahr 2000. Haben Sie wirklich noch Lust auf so ein Garagen-Team?

Heidfeld: Solche Summen muss man immer ins Verhältnis setzen. 45 Millionen Euro sind viel weniger als die Konzernteams bisher ausgeben haben und nicht einmal die Hälfte dessen, was sich Real Madrid die Verpflichtung von Cristiano Ronaldo kosten lässt. Auf der anderen Seite sind 45 Millionen Euro immer noch sehr viel Geld. Garagen-Team kann man das nicht wirklich nennen.

SZ: Formel 1 - bisher hieß das High-End und High-Tech. Wenn jedes Team bald nur noch ein Drittel ausgibt, bedeutet das, dass es viel weniger Entwicklungsarbeit gibt. Ihr Arbeitsplatz wird sich verändern. Diesen Schritt zurückzugehen, ist das nicht schwierig?

Heidfeld: Entscheidend ist nicht, wie viele Schritte man zurückgeht. Entscheidend ist, dass es immer noch das höchste Level ist. Und die Formel 1 wird unglaublich bleiben.

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