Neunter Club-Abstieg:Mission Wiederaufstieg

Lesezeit: 4 min

Am Boden zerstört: Nürnbergs Virgil Misidjan. (Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Beim 1. FC Nürnberg wollen sie sich nicht lange mit den Tatsachen aufhalten: Nach dem 0:4 gegen Borussia Mönchengladbach hofft der Rekordabsteiger auf schnellstmögliche Rückkehr.

Von Sebastian Fischer, Nürnberg

Bilder von einem Abstieg können traurige sein, doch die Fans des 1. FC Nürnberg waren vorbereitet. Das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag war entschieden, gerade war das 0:4 gefallen, das Tor zum Endstand. Verteidiger Lukas Mühl holte den Ball mit gesenktem Kopf aus dem Netz, Torhüter Christian Mathenia lag auf dem Rasen und schien gar nicht mehr aufstehen zu wollen. Aber die Anhänger sangen. Und sie hatten ein Transparent vorbereitet: "Die Legende wird wieder auferstehen."

Der Club, den sie in Nürnberg als lebende Legende besingen, ist am Samstag zum neunten Mal in die zweite Liga abgestiegen, so oft wie kein anderer Verein in Deutschland. Am Ende war dieser Misserfolg, der sich seit Monaten angedeutet hatte, natürlich ganz einfach zu erklären. "Wenn du nach 33 Spielen mit 19 Punkte dastehst, dann hast du es nicht verdient, erste Liga zu spielen", sagte Interimstrainer Boris Schommers. Weil gleichzeitig Hannover 96 gewann, ist Nürnberg nun vor dem letzten Spieltag Tabellenletzter, und der VfB Stuttgart auf dem Relegationsplatz ist uneinholbar. Doch so drastisch diese Bilanz klingt, so besonders war die Stimmung nach dem Spiel. Und sie stand für eine Saison, die dann doch etwas dramatischer war als ein chancenloses 0:4 zum Abschluss.

Verteidiger Georg Margreitter waren die Emotionen anzusehen, als er darüber sprach, wie es sich angefühlt hatte, vor den Fans zu stehen, die noch viele Minuten nach dem Schlusspfiff mehrmals "You'll never walk alone" angestimmt hatten, die große Fußball-Hymne aus Liverpool. Ein Schal lag um Margreitters Hals, ein Geschenk der Fans, genauso wie T-Shirts mit der Aufschrift "Mission Wiederaufstieg". Margreitter, 30, ist bereits einmal mit den Wolverhampton Wanderers in England abgestiegen. Aber die Stimmung in Nürnberg nannte er "besonders". Und das Spiel, sagte er, "spricht für die ganze Saison".

Der Stadionsprecher verschweigt, dass Stuttgart führt

Nur einmal hat Nürnberg in diesem Jahr bislang gewonnen, 3:0 gegen den FC Augsburg. Aber seit Schommers im Februar für Michael Köllner übernahm, spielte der Club einen soliden, defensiven Fußball, mit dem er im Gegensatz zu den Wochen davor in der Liga oft konkurrenzfähig war. "Wir haben uns zu spät taktisch neu ausgerichtet und konsolidiert", sagte Margreitter. Dass es trotzdem nie reichte, um die Abstiegsränge zu verlassen, lag manchmal an Pech, es lag aber auch an Unvermögen. Und von beidem hatte das Spiel am Samstag ein bisschen.

Es war Pech, dass sich am Wochenende zuvor in Wolfsburg Ewerton und Matheus Pereira verletzt hatten, der Stamm-Innenverteidiger und der Rechtsaußen, der zuletzt die schwächste Offensive der Liga mit drei Toren und einer Vorlage in sechs Spielen fast ganz allein belebt hatte. Der Club glaubte trotzdem an seine Chance, begann mutig, mit frühem Pressing und drei Angreifern. Die erste Halbzeit gegen Gladbacher, die mit dem 4:0 ihre Chancen auf die Teilnahme an der Champions League wahrten, war trotz Nürnberger Nervosität durchaus ausgeglichen. In der Pause sagte der Stadionsprecher vorsichtshalber gar nicht erst durch, dass der VfB Stuttgart führte, ein Sieg also praktisch wertlos sein könnte. Es sollte schließlich jeder im Stadion möglichst lange daran glauben, dass Nürnberg tatsächlich noch fünf Punkte Rückstand in zwei Spielen würde aufholen können.

Doch dann wurde bald auch Nürnbergs Unvermögen sichtbar. Für Pereira spielte Virgil Misidjan, den Nürnberg im vergangenen Sommer für drei Millionen Euro verpflichtete, der teuerste Transfer nach dem Aufstieg. Der Niederländer hatte wegen Verletzungen und schwachen Trainingsleistungen unter Schommers nie von Beginn an gespielt, zuletzt stand er unter Köllner im Februar in der Startelf. Seine Mitspieler suchten ihn, aber er fand zu keinem Zeitpunkt die Mittel, um für Gefahr zu sorgen, immer wieder ließ er sich nach fairen Zweikämpfen fallen. Und Gladbach fand bald die Lücken, die Nürnbergs harmloses Offensivspiel offenbarte. Zunächst traf in der 56. Minute der frühere Club-Stürmer Josip Drmic, sieben Minuten später traf Mühl ins eigene Tor. "Nach dem 0:2 war der Glaube weg", sagte Margreitter. Nur zwei Minuten später traf Thorgan Hazard, Gladbach konterte nun fast ohne Gegenwehr. In der 80. Minute setzte Denis Zakaria den Schlusspunkt.

Kommt Peter Hermann als Kaderplaner?

Nach dem Abpfiff liefen in Nürnberg noch mal Szenen der Saison über die Videoleinwand, von vergebenen Chancen beim 0:0 gegen Borussia Dortmund, Schommers' erstem Spiel. Bilder eines verschossenen Elfmeters von Kapitän Hanno Behrens beim 1:1 gegen Schalke 04, und die Bilder des verzweifelnden Verteidigers Tim Leibold, als er in der 90. Minute beim 1:1 gegen den FC Bayern einen Strafstoß an den Innenpfosten schoss. Der Club sei nicht heute abgestiegen, sagte Gladbachs Trainer Dieter Hecking tröstend.

Wie es weitergeht, mit welchem Personal, das ist noch nicht klar. Sportvorstand Robert Palikuca, seit rund einem Monat in Nürnberg, will in der kommenden Woche erklären, ob Schommers Trainer bleibt, viel spricht eher nicht dafür. Am Ort wird das Gerücht gehandelt, Peter Hermann sei als neuer Kaderplaner im Gespräch. Jener inzwischen 67-Jährige, der einst in Leverkusen arbeitete und lange als (wortkarger) Fußball-Versteher und Trainerassistent von Jupp Heynckes beim FC Bayern wirkte und dort nun auch bei Niko Kovac an der Seite sitzt.

Unabhängig von der Hermann-Personalie werden einige Profis nicht mit in die Zweitklassigkeit umziehen, so gilt zum Beispiel der Abschied von Juniorennationalspieler Eduard Löwen als wahrscheinlich. Aber es werden auch Spieler bleiben, Margreitter zum Beispiel. Die Mannschaft habe nun "Blut geleckt", sagte er, und: "Ein Verein wie Nürnberg wird sich nie damit zufriedengeben, in der zweiten Liga zu spielen." Eine Legende kann ja auch gar nicht sterben.

© SZ vom 12.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: