Mick Schumacher:Jede zweite Frage dreht sich um seinen Vater

FILE PHOTO: Mick Schumacher at Bahrain Grand Prix

Sein ganzes Gesicht lacht mit: Mick Schumacher.

(Foto: REUTERS)
  • Mick Schumacher macht große Fortschritte als Rennfahrer, muss sich aber ständig zu seinem Vater Michael äußern.
  • Seine Managerin versucht, den Rummel zu dosieren.
  • Mick Schumacher bleibt auch bei seltsamen Fragen höflich.

Von Philipp Schneider, Barcelona

Ein weißes Zelt, etwa 50 weiße Stühle, dazu ein weißer Tisch. Das ist die Kulisse. Überaus pünktlich erscheint Mick Schumacher in der sogenannten "Vip-Hospitality der Formel 2", an seiner Seite läuft Sabine Kehm, die allgegenwärtige Managerin, die schon seinen Vater begleitet hat. Kehm und Schumacher bahnen sich den Weg vorbei an den weißen Stühlen, auf denen nun Journalisten aus allerlei Ländern sitzen. Aus England, Brasilien, Kanada. Schumacher blickt freundlich in die Runde, er weiß ja inzwischen wie so eine Medienrunde abläuft. Schumacher setzt sich hinter den weißen Tisch, lächelt. Alles wie erwartet, alles unter Kontrolle. Bis auf diese singuläre Unwägbarkeit: das dicke Fernsehmikrofon, das jemand vor ihm zentral auf den Tisch gelegt und in Richtung seines Stuhls ausgerichtet hat.

Schumacher blickt zu Kehm. "Nehmen, oder liegenlassen?" Kehm steht an seiner Seite, schaut auf ihn hinab wie einer dieser Engel, die in Kirchen unterhalb der Kanzel schweben. "Liegenlassen. Ist Absicht."

Nicht, dass die Welt untergegangen wäre, hätte Mick Schumacher ein Mikrofon in die Hand genommen, das eine andere Bestimmung hat. Aber warum etwas falsch machen, wenn es auch richtig gemacht werden kann? Also lässt er es liegen.

Mick Schumacher hat sich den Rummel nicht gewünscht

Und dann geht es los in der "Vip-Hospitality" der Nachwuchsrennserie Formel 2, in der es zum ersten Mal in ihrer Geschichte tatsächlich eine Person von großer Bedeutung zu geben scheint: Mick Schumacher, 20 Jahre alt, Sohn eines siebenmaligen Formel-1-Weltmeisters, seit dieser Saison angestellt beim sogenannten Prema Powerteam. An zwei Rennwochenenden ist er gefahren. Und nun gibt er vor dem dritten gleich zwei Presserunden, eine auf Englisch, eine auf Deutsch.

Mick Schumacher, der sich den Rummel um seine Person weder ausgesucht noch gewünscht hat, ist exzellent auf diesen vorbereitet. Irgendwann sagt er: "Das Interesse an mir ist ja stetig gewachsen. Dadurch konnte ich mich gut dran gewöhnen. Aber es ist schon erstaunlich, wie viele Leute hier sind." Dann lächelt er. Wie sein Vater. Nicht nur mit dem Mund. Sein ganzes Gesicht lacht mit.

Am Donnerstagmorgen war eine beliebte Frage unter den Journalisten am Circuit de Catalunya bei Barcelona, wo denn wohl diese Vip-Hospitality der Formel 2 überhaupt zu finden wäre? Wer zur Formel 2 will, muss zunächst die Formel 1 verlassen. Er muss ein Drehkreuz passieren, dann betritt er eine Welt, in der alles so ähnlich aussieht wie in der Formel 1, nur kleiner. Die Lastwagen, die sich in der Königsklasse zu Palästen entfalten lassen, gibt es auch in der Formel 2. Dort entfalten sie sich allerdings nicht. Sie erhalten lediglich ein weißes Vordach, wie man sie von den Campingbullis kennt.

Mick Schumacher muss mit einer Bürde leben

Die Formel 2 ist der Kindergarten der Formel 1; elf der vergangenen 14 Meister der Nachwuchsserie schafften den Aufstieg. Lewis Hamilton. Nico Rosberg. Nico Hülkenberg. Und in den vergangenen zwei Jahren auch Charles Leclerc und George Russell. Mick Schumacher ist längst noch kein Meister der Formel 2. Aber es drängt sich der Eindruck auf, dass auch viele Menschen außerhalb der Vermarktungsetage des Formel-1-Rechteinhabers Liberty Media den Moment nicht abwarten können, in dem sich der nächste Schumacher in die Formel 1 erhebt. Sabine Kehm zählt nicht zu diesen Menschen. Im Gegenteil. Kehm moderiert den Rummel. Indem sie bremst. Indem sie Schumachers Auftritte dosiert. In Barcelona wird klar, warum.

Wer mitzählt, merkt, dass sich jede zweite Frage um seinen Vater dreht. Obwohl ja hier ein junger Rennfahrer zum Gespräch sitzt, der längst an einer eigenen Sportgeschichte schreibt. Neulich in Baku ist er vom aussichtslosen Startplatz 19 noch vorgefahren auf Platz fünf; in drei von vier Formel-2-Läufen hat er Punkte geholt, das ist beachtlich. Und danach wird er auch gefragt. Aber nicht nur danach.

"Was er getan hat, war außergewöhnlich"

Was er denn so in seiner Freizeit mache? "Ich schaue mir Rennvideos an. Vom Vorjahr. Um zu sehen, wo man gut überholen kann. Und welche Strategien gut sind auf der Strecke." Aha, sagt ein italienischer Journalist, der nun offenbar fette Reporterbeute wittert. Ob er sich auch ein Video ansehe von Michael Schumachers erstem Sieg im Ferrari? 1996 in Barcelona? Als sein Vater durch die Pfützen pflügte, was ihm im den Ehrentitel "Regengott" einbrachte? Mick Schumacher lacht. Murmelt sinngemäß, dass dieses Vorhaben ja wohl nicht viel einbringen könne. Die Autos seien nicht zu vergleichen. Er sagt nicht: nein. Ein unhöflicher Mensch hätte vielleicht gesagt: Die Formel 1 von 1996 hat nicht viel zu tun mit der Formel 1 von 2019. Warum sollte ich alte Videos schauen, die mich als Rennfahrer nicht weiterbringen? Nur, weil mein Vater damals mitgefahren ist?

Ob er denn jetzt, da er selber Rennfahrer sei, die Leistung seines Vaters noch einmal mehr zu schätzen wisse? "Was er getan hat, war außergewöhnlich. Das erkenne ich mit jedem Tag mehr." Schumacher bleibt stets höflich, charmant, schlagfertig. Auch in Momenten, in denen das nach menschlichem Ermessen kaum länger möglich ist. Ob er denn zu Hause auch gemeinsam mit seinem Vater die Videos von seinen Rennen anschaue, will einer wissen. "Also, wie gesagt", antwortet Schumacher, er errötet leicht, womöglich, weil er sich für die Frage fremdschämt: "Wir können besser wieder über Barcelona reden."

Es sieht so aus, als müsse Mick Schumacher mit der Bürde leben, niemals einfach nur über Barcelona reden zu dürfen.

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