Leichtathletik:Es braucht mehr Aufrechte im Sport

Hintergrundrauschen Olympia

Die olympischen Ringe in Sotschi, wo russische Athleten vom Staat gedopt antraten.

(Foto: dpa)

Die Leichtathletik war schon vor dem Olympia-Bann gegen Russland tot. Aber wo sind nur die sauberen Athleten, die sich dagegen wehren?

Kommentar von Claudio Catuogno

Die Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa ist die bekannteste Russin, die nun nicht nach Rio darf. Olympiasiegerin von 2004 und 2008, Weltrekordlerin. Rio sollte nach einer Babypause der glanzvolle Abschluss ihrer Karriere werden. "Danke an alle für diese Beerdigung der Leichtathletik", ätzte sie, als sie vom Spruch des internationalen Sportgerichtshofs Cas erfuhr.

Ganz falsch liegt Issinbajewa mit dieser Einschätzung nicht. Allerdings spricht ja nichts gegen ein ordentliches Begräbnis, wenn derjenige, der unter die Erde gebracht wird, nun mal tot ist. Und tot war die Leichtathletik lange vor der Kollektivsperre der Russen - oder jedenfalls im Kern unheilbar krank. Zugrunde gerichtet von der Medaillengier der Politiker und vom Wegschauen der Funktionäre, das Eingeweihte immer schon als verklausulierte Einladung zum Dopen verstehen mussten. Aber auch zugrunde gerichtet von den vielen Sportlern, die den Betrug aktiv betreiben - oder sich ihm unterwerfen. Deshalb ist dieser Spruch des Cas so wichtig. Manche Systeme sind nicht mehr in der Lage, von innen heraus zu genesen.

Bach hat das System erschaffen, abschaffen müssen es andere

Aber so hat Issinbajewa das mit der Beerdigung natürlich nicht gemeint. Für sie ist der Cas-Beschluss eine "rein politische Entscheidung". Die "maßgebliche Entscheidung", glaubt sie, müsse nun von Thomas Bach kommen. Vom deutschen IOC-Präsidenten also, der seit Jahrzehnten daran arbeitet, das System aufzubauen und am Leben zu erhalten. Dass Bach nicht der Mann ist für einen Neuanfang, darf niemanden verwundern. Was aber schon verwundert: dass sich so viele Sportler diese Art der Führung weiter gefallen lassen.

Die Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbunds hat an jenem Tag, an dem der Untersuchungsbericht der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada russisches Staatsdoping umfassend belegte, ein Statement herausgegeben (und später wieder zurückgezogen), das sich las, als habe es Bachs Pressestelle verfasst. "Nachweislich sauberen" russischen Sportlern müsse ein Start in Rio ermöglicht werden. Bloß: Nachweislich saubere Athleten gibt es leider nicht. Denn die einzige Möglichkeit, das zu beweisen, ist ja das hauseigene Anti- Doping-System, dessen Durchlässigkeit inzwischen so legendär ist wie seine Korrumpierbarkeit.

Aber das können auch deutsche Sportler so natürlich nicht sagen! Sie würden ja das System infrage stellen, das sie ernährt! Womöglich gäbe es eine Ermahnung aus der Frankfurter Sportzentrale! Nur: Man wünschte, es würden mal ein paar aufstehen und es einfach sagen. Einige Aufrechte gibt es schon. Aber es bräuchte noch viel mehr.

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