Karim Bellarabi bei Bayer Leverkusen:Lieber Junge

Lesezeit: 3 min

Leverkusens Karim Bellarabi ist eine der Entdeckungen des Saisonstarts. (Foto: AP)

Flügelstürmer Karim Bellarabi von Bayer 04 Leverkusen passt ideal in das Offensivkonzept seines Trainers Roger Schmidt. Bereits nach zwei Spieltagen wecken seine Leistungen weltweit Begehrlichkeiten.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Es gab Kaffee und Käsekuchen, und auch das Kaffeehaus als solches ist Rudi Völler in angenehmer Erinnerung geblieben. Roger Schmidt hatte es aus gutem Grund für das Treffen gewählt - es gehört seinem damaligen Chef, dem bekanntlich recht wohlhabenden Getränkefabrikanten Dietrich Matteschitz, "dem ja wohl die halbe Stadt gehört", wie Völler witzelt. Als also vor ein paar Monaten der seinerzeit noch amtierende Trainer von Red Bull Salzburg und der Sportchef von Bayer Leverkusen so gemütlich beisammensaßen und über die Mannschaft sprachen, die Schmidt in der nächsten Saison betreuen sollte, da kam die Rede auch auf Karim Bellarabi.

Der 24-jährige Flügelstürmer würde zur neuen Spielzeit aus seinem Leih- Engagement in Braunschweig nach Leverkusen zurückkehren, das stand fest. Aber ob er auch für Leverkusen spielen würde, stand nicht fest. Es gab eine Reihe von Angeboten für ihn, "wie das bei einem Spieler mit seinen Eigenschaften üblich ist", so Völler. Schmidt wusste nicht allzu viel über Bellarabi. "Schau ihn dir erst mal zehn Tage im Training an. Ich glaube, du wirst Gefallen an ihm finden", empfahl Völler.

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Keiner der beiden hatte zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass es mit dem harmlosen Begriff "Gefallen" schon bald nicht getan sein würde. Derzeit bewegt Bellarabi mit seinem aufregenden Stil nicht nur die Bundesliga-Gemeinde, auch in Marokko und Ghana ist Interesse entstanden und in dessen Folge eine gewisse Hektik.

Am Donnerstag meldete eine spanische Sportzeitung unter Berufung auf Quellen im marokkanischen Fußballverband, dass sich der Nationaltrainer Badou Zaki schleunigst auf den Weg nach Deutschland machen wolle, um Bellarabi rechtzeitig vor dem im kommenden Januar in Marokko stattfindenden Afrika Cup für sein Team zu gewinnen.

Das dürfte Unruhe im ghanaischen Verband hervorrufen, wo ebenfalls der Wunsch besteht, den schnellen Leverkusener zu vereinnahmen. Bellarabis Vater stammt aus Marokko, die Mutter aus Deutschland, aber es gibt auch einen ghanaischen Stiefvater. Geboren ist Bellarabi in Berlin, zuletzt spielte er für die U21 des DFB. Der Bundestrainer hat sich zu dem Thema noch nicht geäußert. Doch auch beim DFB redet man über Bellarabi.

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Völler sieht es gelassen. "Das muss er selbst entscheiden", sagt er, "Karim befindet sich in einer komfortablen Situation." Erst mal, so meint der Bayer-Sportchef, geht es ohnehin darum, die überschwänglichen Kritiken zu rechtfertigen, die einerseits Bellarabi und andererseits Bayer 04 zuletzt erhalten haben. Nicht, dass Völler der Sache nicht trauen würde. Aber die fünf Siege zum Saisonstart haben ihn in Anbetracht der Gegner in Pokal, Liga und Champions-League-Qualifikation nicht überrascht - mit Ausnahme des 2:0 in Dortmund, "da haben wir verdient gewonnen, das waren keine Glückspunkte".

Beim SV Werder Bremen, der sich am Freitag als nächster Gegner in Leverkusen vorstellt, gibt es beim Blick auf den Leverkusener Kader schon vor der Partie Anlass zu ein wenig Katerstimmung. Sowohl Bellarabi als auch das 18-jährige Leverkusener Spitzentalent Julian Brandt gingen Werder in jungen Jahren verloren.

Der Kreiszeitung Syke erzählte Brandt jetzt davon, wie er als Junge in der Fankurve des Weserstadions gestanden hatte und wie ihm einmal Frank Rost seine Torwarthandschuhe vermachte ("Die waren so groß wie mein ganzes Bein"). Anstatt zum SV Werder ging er zum VfL Wolfsburg, bis er sich im Alter von 17 Jahren den Leverkusenern anschloss, bei denen er die exzellenten Prognosen prompt bestätigte. Am Freitag allerdings fehlt er verletzt.

Schwere Zeit in Braunschweig

Der in Bremen aufgewachsene Bellarabi gehörte sechs Jahre der Werder-Jugend an, er durfte Marco Bode und Ailton ins Weserstadion geleiten, doch dann zog er Eintracht Braunschweig vor, wo ihm Torsten Lieberknecht ein strenger Lehrherr war. Nicht immer ging es harmonisch zu - "Der Trainer nimmt seine Arbeit sehr ernst", sagte Bellarabi mal -, im Vorjahr schickte Lieberknecht seinen gefährlichsten Stürmer mitten in der spannendsten Phase des Abstiegskampfes nach Hause, weil er drei Minuten zu spät zum Mannschaftsfrühstück gekommen war.

Auch wegen solcher Geschichten heißt es jetzt in Leverkusen öfter, Bellarabi gehöre zur Sorte der schwierigen Spieler, doch da widerspricht Völler energisch: "Das täuscht! Im Gegenteil: Er ist sogar total einfach. Karim ist ein ganz lieber Junge." Außerdem besitzt er mit seinen Tempodribblings, seinem technischen Geschick und seiner Einsatzfreude die idealen Eigenschaften für Roger Schmidts anspruchsvolles Offensivpressing. Bellarabi habe das System "von Anfang an verinnerlicht", lobt Schmidt: "Er hat aus unserer Spielidee seine Spielidee gemacht und hat gemerkt, dass er nicht nur mit Ball schnell ist, sondern auch gegen den Ball, und dass er viele Bälle erobern kann. Dadurch macht er mit Mitte 20 noch einmal einen richtigen Sprung."

Völler und Schmidt hätten es sich nicht schöner ausmalen können. Damals bei Kaffee und Käsekuchen.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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