Irlands Trainer Giovanni Trapattoni:Es gibt nur einen Trap

Der irische Nationaltrainer Giovanni Trapattoni ist mit 73 Jahren der älteste Teilnehmer der EM. Auf der grünen Insel wird der italienische Mister verehrt, er nimmt ein Fläschchen Weihwasser mit auf die Bank - und verfährt nach einer einfachen Devise: Jeder nach seinen Möglichkeiten, man wurschtelt sich so durch. Ob das auch gegen Kroatien klappt?

Birgit Schönau

Er ist der älteste Teilnehmer des Turniers und seine Fans sind überall. Der Trap ist jetzt 73 Jahre alt, er hat schlohweiße Haare und er könnte ein Guru des Fußballs sein, wenn er nicht so unnachahmlich witzig wäre. Gurus haben immer etwas Wichtigtuerisches, auch wenn sie nur halb so viel gewonnen haben wie Giovanni Trapattoni reden sie gern klug, geschwollen und endgültig daher.

Ireland team training

Jedes Training zum Happening: Irlands Coach Giovanni Trapattoni.

(Foto: dpa)

Der Trap aber ist das, was man im alten Europa einmal "orthoprax" nannte, ein beruhigend pragmatischer Anhänger des Effizienzfußballs. Leisetreterisch wie immer hat er sich mit Irland zur EM gehievt und charmant wie immer macht er auch in Polen jedes Training zum Happening.

Neuerdings rennt Trapattoni nicht mehr mit seinen Spielern um die Wette, das überlässt er Assistent Marco Tardelli, 57. Der Trap sagt, er wolle sich vor seinen Spielern nicht lächerlich machen "mit meiner Großvaterkondition". Natürlich wird er in Irland verehrt, und er fühlt sich zu Hause, "weil ich ja nicht von ungefähr am St.-Patricks-Tag geboren bin".

Als irischer Nationalcoach nimmt er selbstverständlich sein Fläschchen Weihwasser mit auf die Bank wie einst als Coach der Azzurri. Man weiß ja nie. Den Iren schärfte er vor dem Auftakt gegen Kroatien am Sonntag ein: "Wer nicht verteidigt, ist Pontius Pilatus."

Mehr muss man eigentlich nicht hinzufügen. Denn wenn einer unermüdlich den Beweis antritt, wie völkerverständigend Fußball sein kann, dann ist es dieser immer etwas verschmitzte italienische Signore. Der Trap muss keine Fremdsprachen können, weil ihn sowieso alle verstehen. Auf Deutsch, auf Englisch ("with more calm") und sogar auf Italienisch, wo seine Wortneuschöpfungen so legendär sind wie seine immer wieder erstaunlichen Taktikvorgaben: "Offensiv und defensiv gibt es nicht. Es gibt nur einen Ball."

Trap will offensiv spielen lassen

Man kann sich also vorstellen, wie sich Irland gegen Kroatien und Spanien an die eigene Torlatte pappen wird, um im Trap-Idiom zu bleiben, "weil diese Mannschaften uns strategisch überlegen sind. Wir haben ja noch nicht mal eine richtige Profiliga." Gegen die Squadra Azzurra seines einstigen Zöglings Cesare Prandelli will Trapattoni dann beweisen, wie offensiv Irland spielen kann, wenn erst einmal der Ball ergattert ist.

Als ein irischer Journalist ihm im Trainingslager in der Toskana neulich zurief, Irland würde Gruppenzweiter hinter Spanien, da stand der Trap auf und drehte sich um. "Ich musste mich kratzen", unterwies er die wartende Weltpresse. Die Italiener wussten, wo. Aus Aberglaube, denn zur Schau getragener Siegeswille bringt bekanntlich Unglück.

Trapattoni war noch nie siegesgewiss. Als Opernfreund weiß er, das man in der Favoritenrolle direkt Richtung Abgrund fahren kann - und sympathisch ist man den anderen auch nicht. Also hält der Trap den Ball ganz flach. Jeder nach seinen Möglichkeiten, das ist die Devise. Man wurschtelt sich so durch, wie im richtigen Leben. Zu den Sektierern des schönen Spiels hat Trapattoni nie gehört, weil ihm jeder Fanatismus vollkommen abgeht. Sollen andere die Welt mit dem Offensivdogma beglücken, ihm liegt das nicht - "wer nicht verteidigt, ist Pontius . . .". So einfach kann Fußball sein.

Und um Missverständnissen vorzubeugen, hat Trapattoni einen Verteidiger vor der EM ausgemustert: Kevin Foley vom FC Wolverhampton. Wutschnaubend gab der bekannt, er würde nie wieder für die Nationalmannschaft spielen, so lange Trapattoni Trainer sei. Da zuckte der Trap die Achseln und sprach: "Ich habe einen irischen Spieler gegen einen anderen ausgetauscht. Das ist alles."

Der Trap ist wieder einmal auf einer EM. Es könnte seine letzte sein. Kratzen wir uns lieber alle.

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