Hertha BSC:Mehr Erfolg mit Heizung und Champagner

Berlin - Olympiastadion

Übersicht über das Olympiastadion in Berlin.

(Foto: dpa)
  • Die Hertha träumt schon seit Jahren von einem neuen Stadion - nun ist der favorisierte Bauplan gescheitert.
  • Dabei wäre eine neue Spielstätte laut den Verantwortlichen vital für den Weiterbestand des Vereins.
  • In Berlin gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Standort allerdings ähnlich schwierig wie die Fertigstellung des Flughafens.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es hat, zugegeben, schon katastrophalere Wochen gegeben in der Geschichte des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC. In den 1970er-Jahren war der Klub in den Bundesligaskandal verwickelt, zwischenzeitlich drittklassig, die Geldlage war irgendwann prekär genug, dass sich der Klub einer Heuschrecke an den Hals werfen musste - Hertha halt.

Nun also diese Woche: Erst das Debakel bei RB Leipzig (0:5), womit für die Mannschaft der Traum von der Europa League zerstob. Und als wenige Tage später das Viertelfinale im DFB-Pokal anstand, saßen die Berliner vorm Fernseher: Die Teams mit "H" waren die Zweitligisten Heidenheim und Hamburg, nicht die Hertha, die seit Jahren vergeblich einer Finalteilnahme im Berliner Olympiastadion nachläuft, ihrer Heimstatt und traditionell Austragungsort des Endspiels. Dann platzte eine Meldung in die Nachrichtenlage, die Hertha um die eigene Nachhaltigkeit fürchten lässt: Die seit Jahren gehegten Pläne für das neue Stadion, für das Hertha sogar schon einen Eröffnungstermin benannt hatte - 25. Juli 2025, 18.30 Uhr - müssen überdacht werden. Es wurde bislang keine Einigung über den Baugrund erzielt. Und nein: Es war kein Trost, dass ein existenzbedrohtes Wesen, ein Eisbär, der im Berliner Tierpark lebt, nun "Hertha" heißt.

Dass die Hertha das Olympiastadion verlassen will, hat Gründe, die sich besonders jenen Zuschauern erschließen, die die Arena eine ganze Saison lang besuchen. Die Vorzüge des Runds beschränken sich nämlich auf die wenigen Tage, in denen Sommer ist, die Sonne scheint und das annoncierte Spiel gut genug ist, 75 000 Leute anzuziehen. Am Samstag wird das nicht der Fall sein. Der Bundesligagegner heißt Fortuna Düsseldorf, nicht Dortmund oder Bayern: Sollten 50 000 Zuschauer kommen, dürften die Verantwortlichen bei Hertha BSC zufrieden sein - und doch etwas neidisch in die Welt schauen.

Zum Beispiel nach London: Dort wurde gerade in Tottenham eines dieser modernen Stadien eröffnet, die wie Genusstempel funktionieren und in denen der gut betuchte Teil des Publikums für viel Geld in wohltemperierten Logen sitzen und Champagner trinken kann. Die Erlösstruktur sei in solchen Arenen besser, heißt es im Managerdeutsch. Das sportliche Argument für eine neue Heimat lässt sich aber auch von Ungarn aus erklären. Herthas Trainer Pal Dardai, 43, hat es vor dem Spiel gegen Düsseldorf versucht, auf eine unprätentiöse und passionierte Art.

"Wenn du eine andere Atmosphäre hast, sieht auch ein Scheißspiel besser aus"

Pal Dardai, Herthaner durch und durch, aber nach eigener Definition noch immer ein "Junge aus Pecs", war eine Zeitlang der Nationaltrainer seines Heimatlandes Ungarn. Er erzählte von der Qual, in einem übergroßen Stadion mit Laufbahn und schlecht gelaunten Fans zu spielen. Dazu muss man wissen, dass Ungarn einmal eine der innovativsten Fußball-Nationen der Welt war und dass jede Generation, die auf Puskas, Czibor oder Hidegkuti folgte, am brillanten Erbe aus den 1950er-Jahren gemessen wurde. "Ébresztö! Ébresztö!", hätten die Leute auf den Rängen gerufen, erzählte Dardai: "Aufwachen!" Ungarns Nationalelf zog dann in ein neues, kleineres, engeres, steileres Stadion um - so wie es der Hertha in Berlin vorschwebt - und siehe: Ende März hat Ungarn sogar gegen den WM-Finalisten Kroatien gewonnen.

"Wenn du eine andere Atmosphäre hast, sieht auch ein Scheißspiel besser aus", sagte Dardai also. Er ist sicher, dass sich ein Umzug des Berliner Bundesligisten in ein anderes Stadion in zehn Punkte mehr pro Saison umrechnen ließe. Hertha, der Tabellenzehnte, hat zurzeit nur einen Punkt mehr als Aufsteiger Fortuna auf dem Konto; in der Heimtabelle liegen die Düsseldorfer sogar einen Punkt vorn. In der vergangenen Saison sah es noch schlimmer aus: Hätten nur die Heimspiele gezählt, wären die Berliner am Saisonende auf dem 16. Platz gelandet, einem Relegationsrang. Auch deshalb sagt der Klub-Geschäftsführer Ingo Schiller, die Idee mit dem neuen Stadion sei "für den Weiterbestand Herthas" vital.

Der denkmalgeschützte Olympiapark als Utopie

Doch das Vorhaben will in Berlin nicht verfangen. Möglicherweise hat das auch mit dem strategischen Vorgehen des Klubs zu tun: Zunächst versuchte Hertha, mit einem Umzug aus Berlin ins nahe Brandenburg zu drohen. Das belastete jedoch das Verhältnis zur eigenen Gefolgschaft - und verfehlte das Ziel, die Politik einzuschüchtern. Ablesen lässt sich dies an der fraktionsübergreifenden Gleichgültigkeit, mit der nun das Scheitern des von Hertha favorisierten Bauplans quittiert wurde. Der Klub hatte rund 50 mögliche Standorte geprüft und war schließlich im weitläufigen Olympiapark gelandet - auch wenn das konkret bedeutete, ein neues Stadion neben dem alten Stadion zu bauen. Dafür spricht Folgendes: Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist grandios, am S-Bahnhof Olympiastadion können in 60 Minuten 50 000 Zuschauer abgefertigt werden. Allerdings ist Berlin klamm, und das Land will das Olympiastadion schon aus ökonomischen Gründen nicht verrotten lassen. Deshalb sähen es viele lieber, Hertha bliebe Hauptmieter und würde keine Konkurrenz-Immobilie schaffen.

Zumal für ein neues Stadion am geplanten Bauort 24 Wohnungen mit 80 Mietern abgerissen werden müssten. Und zwar zu einem Zeitpunkt, da in der Stadt Wohnraummangel und horrende Mieten beklagt werden. Hertha rief unter der Woche lokale Journalisten zusammen und erläuterte, alles richtig gemacht zu haben.

Alter Flughafen oder Status Quo?

Das sieht man an anderer Stelle anders: Hertha habe vorgeschwebt, die betroffenen Mieter in einem Areal anzusiedeln, wo den Behörden zufolge "Erdkröten überwintern und der Teichfrosch zu Hause ist", schrieb die Zeitung BZ. Der Baustadtrat des Bezirks Charlottenburg, Oliver Schruoffeneger, sagte gar, von Hertha erst in diesen Tagen eine Skizze mit der Information erhalten zu haben, wo der gewünschte Baubereich sein soll: "Ein bisschen spät", fand er. Klaus Teichert, Geschäftsführer der Hertha BSC Stadion GmbH, widerspricht Schruoffenegers Darstellung, nennt sie "wahrheitswidrig". Fakt ist derweil: Die Eigentümergesellschaft der betroffenen 24 Wohnungen teilte mit, diese nicht verkaufen zu wollen

Die Folge? Hertha muss sich wohl ein neues Areal für sein Stadion suchen. Man würde gern an anderer Stelle im Olympiapark bauen, dort aber ist so gut wie jeder Quadratmeter denkmalgeschützt. Auch über Tegel wird spekuliert, dort aber müsste erst einmal der Flugbetrieb eingestellt werden, worauf man wegen der Posse um den neuen Airport BER lieber nicht warten sollte. Oder Hertha arrangiert sich doch mit dem Status Quo und dem Spott der Presse. "Hertha spielt im Tierpark", titelte der Berliner Kurier, als Herthas Stadiontraum in seiner bisherigen Form begraben und der Eisbär getauft worden war.

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