Großer Preis von Belgien:Nervöses Fahrerkarussell

Japan Formula One Grand Prix - preview

Alle strecken die Hände aus: Wenn nun wieder die Teams für die kommende Saison zusammengestellt werden, spielt Urgestein Jenson Button eine zentrale Rolle.

(Foto: Franck Robichon/dpa)

Die verrückte Jahreszeit in der Formel 1 hat wieder begonnen. Alles dreht sich um die Frage: Wer fährt bald wo?

Von Elmar Brümmer, Spa

Wer die Formel 1 seit der Jahrtausendwende verfolgt, der kann sich die Königsklasse des Motorsports gar nicht ohne Jenson Button vorstellen. Der Brite fährt seine 17. Saison, und ist inzwischen der Branchensenior. Schon im vergangenen Jahr hatte man (und auch er selbst) damit gerechnet, dass er ausrangiert wird. Aber McLaren entschied sich angesichts der enormen technischen Anlaufschwierigkeiten vom Motorenlieferanten Honda noch einmal für die Erfahrung und das Verständnis Buttons. Die Situation von Honda hat sich etwas verbessert, das verschlechtert die Ausgangslage des Überraschungs-Weltmeisters von 2009. Auch wenn dieser beim Großen Preis von Belgien betont: "Ich werde auch nächstes Jahr wieder in Spa zu sehen sein." Die beste Alternative zu McLaren ist der Williams-Rennstall.

Sein härtester Konkurrent ist der 24 Jahre alte Belgier Stoffel Vandoorne, momentan Reservepilot beim Perfektionisten-Rennstall. Das Talent wird seit Jahren von McLaren nach dem Schema Hamilton zum Champion ausgebildet - und kann nicht noch mal ein Wartejahr einlegen. "Mein Vertrag läuft Ende 2016 aus, ich bin also eigentlich in einer guten Position. Wenn mir McLaren kein Cockpit für 2017 garantieren kann, kann ich woanders hingehen. Es gibt noch immer freie Plätze, mehr kann ich nicht verraten...", sagt Vandoorne selbstbewusst.

Der Mix aus Hoffnungen, Wünschen, Überlegungen bestimmt die Gespräche

Diesem Spiel kann man viele Namen geben, Poker, Geschacher, silly season. Es ist deshalb die verrückte Jahreszeit der Formel 1, weil sich alle Beteiligten - Journalisten inklusive - ihr eigenes Wunschfeld zusammenstellen können. Dieser Mix aus Hoffnungen, Wünschen, Finten, Optionen und Überlegungen bestimmt auch jetzt nach der Sommerpause beim Großen Preis von Belgien die Gespräche im Fahrerlager, obwohl die begehrtesten Arbeitsplätze bei den drei Top-Rennställen Mercedes (Lewis Hamilton und Nico Rosberg), Red Bull (Daniel Ricciardo und Max Verstappen) und Ferrari (Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen) längst vergeben sind. Dahinter dreht sich das Fahrerkarussell aber heftiger denn je. Im Rahmen der Interpretations-Weltmeisterschaft wird deutlich, dass der Cockpit-Markt vor großen Veränderungen steht, die Frage ist nur, welches Domino-Steinchen als erstes fallen wird.

Neben Button hat Sergio Perez eine Schlüsselrolle. Dabei hat der Mexikaner bereits einen Force India-Kontrakt für 2017 sicher. Hinter "Checo" aber stehen potente Sponsoren, und die Mischung Talent und Geld gibt es nicht so häufig. Die Selbstbeschleunigung entspricht dem Wunsch des impulsiven Mittelamerikaners nach einem schnelleren Vorwärtskommen. Auch für ihn ist das ein Unterfangen mit viel Risiko: "Die richtige Entscheidung zu treffen, ist die größte Herausforderung für einen Fahrer. Man will ja an die Spitze, aber dafür braucht man auch das Glück, zur richtigen Zeit im richtigen Team zu sein. Es ist sehr schwierig, das hinzubekommen."

Pascal Wehrlein wird noch ein weiteres Jahr im Manor verbringen müssen

Vor allem betrifft das ein paar sportliche Auslaufmodelle. Felipe Massa, der sich seit seinem in der letzten Kurve verlorenen Titel 2008 auf dem absteigenden Ast befindet, fehlt auch bei Williams die Fortune. Mit seinem finnischen Kollegen Valtteri Bottas sind die Briten sehr zufrieden, doch der von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gemanagte Rennfahrer könnte in Zukunft auch den Werksrennstall Renault verstärken, der zu seinen erhöhten finanziellen und technischen Aktivitäten jetzt noch zwei leistungsfähigere Fahrer sucht als die Übergangslösungen Kevin Magnussen und Joylon Palmer.

Für die Franzosen wäre natürlich ein Landsmann am interessantesten, weshalb der erst 19 Jahre alte Franzose Esteban Ocon seit diesem Wochenende im Manor-Rennwagen sitzt. Das kleine britische Team ist so etwas wie ein fahrendes Klassenzimmer. An Ocon, der in den Nachwuchsserien besser war als der aktuelle Shooting-Star Max Verstappen, haben sowohl Renault als auch Mercedes vertragliche Rechte. Neben Ocon sitzt der Mercedes-Azubi Pascal Wehrlein im anderen Manor, und er wird dort wohl auch noch ein weiteres Jahr verbringen müssen - bis man sich sicher ist, wie groß das Talent des ehemaligen DTM-Champions wirklich ist. Mercedes könnte tatsächlich vor 2018 wieder einen Platz zu besetzen haben, falls die fragile Zweierbeziehung Hamilton/Rosberg doch vorzeitig zerbröckelt. Die Formel 1 basiert schließlich stets auf dem Prinzip Hoffnung - wie jeder ordentliche Optionsschein-Handel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: