Fußball: Confed-Cup:Der geflüsterte Strafstoß

Ein Fall für den Videobeweis? TV-Bilder am Spielfeldrand sollen zum Elfmeter vor dem 4:3 der Brasilianer gegen Ägypten geführt haben. Die Afrikaner protestieren.

Jonas Beckenkamp

Die Szene, die seit dem gestrigen 4:3-Sieg Brasiliens gegen Ägypten den internationalen Fußball bewegt, dürfte so gar nicht nach dem Geschmack von Fifa-Boss Joseph Blatter gewesen sein. Ein Handspiel des Ägypters Ahmed Al Muhamadi auf der Linie in der letzten Minute war von Schiedsrichter Howard Webb übersehen worden. Dass es schließlich doch die berechtigte rote Karte und den siegbringenden Elfmeter für die Seleção gab, lag an einem vermutlich irregulären Vorkommnis: Matthew Breeze, der vierte Offizielle, hatte laut Aussage ägyptischer Beobachter von der Spielerbank nach einem Blick auf einen Monitor am Spielfeldrand seinem Chef per Funk zugeflüstert, auf Elfmeter zu entscheiden.

Fußball: Confed-Cup: Der britische Schiedsrichter Howard Webb wehrt sich nach seiner Elfmeterentscheidung gegen die wütenden Ägypter.

Der britische Schiedsrichter Howard Webb wehrt sich nach seiner Elfmeterentscheidung gegen die wütenden Ägypter.

(Foto: Foto: dpa)

Da ein solcher Videobeweis nicht zugelassen ist, hat die ägyptische Delegation jetzt Protest gegen die rote Karte eingelegt. "Wir protestieren nicht gegen den Elfmeter, das war die richtige Entscheidung", sagte Verbandspräsident Samir Zaher: "Aber der Schiedsrichter hat nicht sofort so entschieden. Dann hat er zwei oder drei Minuten gewartet, zeigte die rote Karte und gab Elfmeter", sagte Zaher. Diese Regelauslegung gibt es aber im konservativen Fußballkosmos nach wie vor nicht - und genau da liegt das Problem für Joseph Blatter, der einer der entschiedensten Gegner des Videobeweises ist. Er möchte das Spiel nicht technisieren und wehrt sich seit Jahren vehement gegen den TV-Beweis.

Die ewige Diskussion

Was im Eishockey (Torkamera, Videobeweis) und im Tennis mit dem sogenannten Hawk Eye längst praktiziert wird, stößt bei den Oberen der Fifa immer wieder auf Ablehnung. Die Diskussionen um nachträgliche Betrachtung der TV-Bilder durch den Schiedsrichter ziehen sich wie ein roter Faden durch die Historie der Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern und immer wieder steht der Fußball am Rande systemgefährdender Präzedenzfälle.

Befürworter des Videobeweises wie der ehemalige deutsche Fifa-Referee Markus Merk weisen schon lange darauf hin, dass Fehler durch TV-Bilder korrigiert werden könnten. Merk selbst befand sich 2008 im Bundesligaspiel zwischen Werder Bremen und Borussia Dortmund (2:0) in einer für ihn skurrilen Situation: Er hatte das 1:0 für Werder durch Markus Rosenberg anerkannt, obwohl dieser klar im Abseits gestanden hatte. Der Referee bemerkte seinen Fehler unmittelbar danach, weil er die Bilder im Stadion gesehen hatte, war sich aber bewusst, dass er die Entscheidung jetzt nicht mehr zurücknehmen konnte. Ähnlich erging es drei Jahre zuvor Franz-Xaver Wack, der beim Spiel Leverkusen gegen Stuttgart (1:1) einen Abstoß für den VfB in eine Ecke für Bayer umwandelte, die zu einem Tor führte. Angeblich soll auch er von den Einblendungen auf der Videoleinwand beeinflusst worden sein.

Auf den nicht zugelassenen Videobeweis pochen auch die Ägypter. "Die Entscheidung wurde geändert, nachdem der vierte Schiedsrichter die Bilder auf der Leinwand gesehen hatte und das Handspiel feststellte. Dagegen protestieren wir, nicht gegen die eigentliche Entscheidung auf Strafstoß", so der ägyptische Ko-Trainer Chawki Gharib, der von der Bank aus alles gesehen haben will. Das Spiel wurde nach Ansicht der Afrikaner also durch einen Pfiff entschieden, der so nicht hätte stattfinden dürfen.

Strigel hält Protest für gerechtfertigt

Für DFB-Schiedsrichterlehrwart Eugen Strigel ist der Protest der Ägypter gerechtfertigt. Der 59-Jährige vermutet wie die Ägypter einen Regelverstoß. "Die Vermutung liegt schon sehr nahe, dass es über den vierten Offiziellen ging - durch die Ansicht der Fernsehbilder. Aber ich gehe davon aus, dass es nicht zu beweisen ist", sagte Stigel der Tageszeitung Die Welt. Ginge es nach den Regeln, wäre es so, dass "er nicht auf den Monitor schauen oder sich von irgendjemanden es sagen lassen darf. Er dürfte es nicht verwerten, das wäre nicht regelkonform", erklärte Strigel.

Doch nach wie vor gilt im Fußball schlicht und einfach die Tatsachenentscheidung, was den Einspruch der Ägypter ziemlich chancenlos erscheinen lässt. "Wir haben den Protest erhalten und werden die Angelegenheit prüfen", sagte Fifa-Sprecher Nicolas Maingot am Dienstag in Johannesburg. Nähere Details wollte der Fußball-Weltverband wegen des laufenden Verfahrens nicht mitteilen. Da es sich aber letztlich um einen richtigen Pfiff handelt, kann es gut sein, dass die Fifa keine weiteren Schritte einleiten wird, selbst wenn sich bewahrheiten sollte, dass der vierte Offizielle von den Videobildern beeinflusst wurde. Um Fälle wie diesen zu vermeiden, werden normalerweise keine strittigen Szenen auf den Stadionleinwänden oder Monitoren gezeigt. Dass die Partie Brasilien gegen Ägypten ein Riesenspiel war, scheint unterdessen keinen so recht zu interessieren.

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