Franz Beckenbauer:Vom Kaiser und stinkenden Lügen

Sport: Bayerischer Sportpreis

Franz Beckenbauer mit seiner Auszeichnung als Bayerns Jahrhundertsportler, neben ihm Laudator Günter Netzer (r.) und Moderator Markus Othmer.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Franz Beckenbauer tritt bei der Ehrung zu Bayerns Jahrhundertsportler nach langer Zurückhaltung wieder öffentlich auf - und wehrt sich gegen die Vorwürfe in der WM-Affäre. Der Abend wird zur Gratwanderung.

Reportage von Sebastian Fischer

Franz Beckenbauer hatte lange keine Bühne mehr betreten, vielleicht ging er deshalb vorsichtig hinauf, beinahe tastend. Die Menschen applaudierten, sie standen erst recht von ihren Plätzen auf, als er ihnen mit erhobenen Händen bedeutete, sitzen zu bleiben. Er sah nicht ungesund aus, nicht unzufrieden. "Ich lebe noch, das ist das Entscheidende", sagte Beckenbauer, womit schon mal Wichtiges gesagt war.

Aber dann ging es darum, wie viel von der Größe des größten deutschen Fußballers der Geschichte übrig geblieben ist.

Beckenbauer, 72, wurde seit 2016 zweimal am Herzen operiert, ihm wurden vier Bypässe gelegt, im März ließ er sich eine künstliche Hüfte einsetzen. Über seinen Gesundheitszustand wusste man aus der Bild-Zeitung Bescheid, dort sprach er auch vor Kurzem über das Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft in Russland, "so kann man keine WM spielen". Beckenbauer hat sich rar gemacht, auch weil er die offenen Fragen über die Geldbewegungen vor der Vergabe der WM 2006 nicht beantworten will, die inzwischen berühmten 6,7 Millionen Euro, die 2002 von einem Konto des WM-Organisationschefs Beckenbauer über die Schweiz nach Katar an eine Firma des damaligen Fifa-Funktionärs Mohamed Bin Hammam flossen. Für die NDR-Doku "Der Fall des Kaisers" trafen ihn Reporter einmal vor einem Münchner Restaurant, er trug eine Schiebermütze und lehnte ein Interview ab. Im Sommer stand er bei der Meisterfeier des FC Bayern im Legendenjanker auf dem Rasen. Nun gibt es neue Bilder, seit er am Samstagabend in München als Bayerns Jahrhundertsportler geehrt wurde. Und es gibt neue Sätze.

Die Vorwürfe gegen ihn seien "erstunken und erlogen", sagt Beckenbauer

Er sagte sie auf Nachfrage des Moderators, er wirkte vorbereitet. Die Vorwürfe gegen ihn seien "erstunken und erlogen, das habe ich immer schon gesagt. Man bildet sich sein eigenes Bild, du hast gar keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen, das habe ich dann aufgegeben." Es sei müßig darüber zu reden, es sei ihm auch "mehr oder weniger wurscht". Er habe nur den Leuten Auskunft gegeben, "die es von mir verlangt haben", den Ermittlern aus Deutschland, der Schweiz und den USA also. Inzwischen gibt es ja sogar Indizien, aus Sicht der Bundesermittler relevante, die neben den Bestechungsvorwürfen den Verdacht nahelegen, dass Beckenbauer die Millionen womöglich in ein privates TV-Rechte-Geschäft investiert haben könnte.

Der Abend war eine Gratwanderung. Vor seiner Ehrung lief ein Film über Beckenbauer, sein Leben in wenigen Minuten. Beckenbauer, wie er als Münchner Libero majestätisch Fußball spielt, für Deutschland den WM-Pokal 1974 reckt, 1990 als Weltmeistertrainer über den Rasen von Rom schreitet. Beckenbauer, wie er für New York Cosmos aufläuft und auf der Anzeigetafel "The Kaiser" leuchtet. Beckenbauer, wie er über die Stimmung bei der WM 2006 spricht und sagt: "So stellt sich der liebe Gott die Welt vor." Dazu aus dem Off nur Worte aus Zucker und zwei schnelle Sätze zur WM-Affäre. Der erste: "Da fällt in der Retrospektive Schatten auf die Lichtgestalt, erstmals in der Karriere." Der zweite: "Der Zweck heiligt alle Mittel, der WM-Macher agiert pro Fußball."

Spätestens da musste man sich die Frage stellen: Wie viel euphorischer Franz-Jubel ist 2018 eigentlich noch möglich?

Sein Ex-Mitspieler Pelé schickt Beckenbauer eine Videobotschaft

Es waren viele Weggefährten gekommen, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nahmen einen Jahrhundertpreis für den FC Bayern entgegen - Jahrhundertpreis übrigens deshalb, weil der Freistaat 100 Jahre alt ist. Paul Breitner mutmaßte über die Ermittlungen gegen seinen früheren Mitspieler: "Das ist der Punkt, mit dem er die kleinsten Probleme hat." 2015, auch das gehört zu Beckenbauers traurigen vergangenen Jahren, starb sein Sohn Stephan.

Günter Netzer, 73, war als Laudator geladen. Wie Beckenbauer dürfte auch er wohl mehr über die WM-Affäre wissen, als er öffentlich sagt. Er war Botschafter des Bewerbungskomitees und Geschäftspartner des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus, der die 6,7 Millionen Euro vorstreckte und 2005 falsch deklariert zurückbekam. Wofür das Geld ursprünglich verwendet wurde, ist nach wie vor ungeklärt.

Doch wer Netzer und Beckenbauer zusammen sieht, der muss auch immer an die EM 1972 denken, an das 3:1 gegen England und den Mythos der besten deutschen Nationalelf der Geschichte. "Ramba Zamba" nannte der Boulevard das Zusammenspiel der beiden. Am Samstag erzählten sie Witze wie früher, als man es noch "franzeln" nannte, wenn Beckenbauer erzählte, weil er immer einfach erzählen konnte, was er wollte. Beckenbauer habe mit Eleganz und Leichtigkeit den Fußball in die Nähe der Kunst gebracht, sagte Netzer.

Pelé, einst Mitspieler in New York, schickte eine Videobotschaft, für die er sich feierlich unter ein Bild des jungen Pelé gesetzt hatte. Es gebe zwei exzellente Menschen auf der Welt, sagte er: "My brother Beckenbauer" und ihn selbst. Ja gut, Pelé, sagte Beckenbauer, der habe Fußball immer wie ein Künstler interpretiert.

Fußballer als Künstler, die ihre Kunst sprechen lassen und über den Schmutz schweigen - es wird wohl so bleiben. Netzer sprach später am Buffet über seine Gesundheit und die seines Freundes, auch Netzer musste ja operiert werden, sechs Bypässe. Beckenbauer habe sich bei ihm "eingehend informiert, über das, was ihm bevorsteht. Wir haben das beide recht gut überstanden." Demütig seien sie, dankbar. Und: "Wenn jemand kommt und will von früher was wissen, dann stehe ich selbstverständlich zur Verfügung." Bis auf eine Ausnahme, die WM 2006. "Der Franz hat alles gesagt, was zu sagen ist."

Der Franz war da schon weg, zurück bei einem Golfturnier in Bad Griesbach, das er veranstaltet. Er ließ sich auf dem Weg nach draußen fotografieren, die Weinprinzessinnen aus Kitzingen kreischten, er unterschrieb auf Autogrammkarten. Dann ging er mit einem Schirm in den Regen und schwebte in einem Helikopter davon, über den Dingen.

Zur SZ-Startseite

WM-Affäre
:Anklage gegen Niersbach und Zwanziger wegen Steuerhinterziehung

19,2 Millionen Euro musste der DFB bereits nachzahlen in der Aufarbeitung der WM-Affäre. Nun werden die ehemaligen Verbandspräsidenten von der Staatsanwaltschaft angeklagt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: