Formel 1:Im Fahrerlager bricht eine Revolution aus

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Einfach davonrollen lassen geht auch nicht: Sebastian Vettel muss weiter mit den ungeliebten, aktuellen Renn-Pneus fahren. (Foto: imago images / Rene Schulz)
  • Die Formel-1-Piloten verlangen Sofortmaßnahmen gegen die Langeweile durch die Mercedes-Dominanz.
  • Doch das ist nicht so einfach.

Von Philipp Schneider, Spielberg

Wer beim Großen Preis von Österreich ins Fahrerlager strebt, um sich dort von Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel erklären zu lassen, welches Heilmittel es gebe gegen die Monotonie, die von der Formel 1 Besitz ergriffen hat, der läuft vorbei an Rennfahrern, die den Rennsport noch in einem anarchischen Zustand erlebt haben. An Jack Brabham. Niki Lauda. Nelson Piquet. An Jackie Stewart, Jochen Rindt, Alain Prost und Ayrton Senna. Jeder hat auf dem "Walk of Legends" ein Portrait erhalten und einen Knopf. Auf die Knöpfe kann man drücken, dann beginnt der Rennfahrer zu sprechen.

Die Rennfahrer reden über das Wesen ihres Sports, über Existenzielles. Sie reden sehr viel über die Gefahr und den Tod.

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Der frühere Nationalspieler hatte sich Mitte Mai entschieden, seinen auslaufenden Vertrag bei Werder Bremen nicht zu verlängern. In Istanbul soll er einen Dreijahresvertrag unterschreiben.

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"Meine größte Sorge ist, dass am Auto nichts bricht", sagt Rindt: "Ich fühle, dass ich persönlich gut genug bin, um keinen Fehler zu machen. Ich bin aber nicht sicher, ob ich das Auto kontrollieren kann, falls etwas am Auto schiefgeht." Rindt starb 1970 in Monza. An seinem Lotus war die vordere rechte Bremswelle gebrochen. Stewart erzählt, dass es für ihn, sollte er mal in einen Crash geraten, "keine große Sache wäre, zu sterben". Weil er in dem Moment viel zu beschäftigt wäre, das Auto abzufangen. "Es würde alles ganz schnell gehen und ich würde nichts fühlen."

Zu viel Ungemach kommt gerade zusammen

Wer weiß. Vielleicht erhalten Hamilton und Vettel irgendwann auch mal einen Knopf in Spielberg. Der Vettel zum Abspielen würde nicht über Gefahr und Tod reden, sondern sagen: "Verbrennt das Regelbuch und fangt von vorne an!" Und nach einer Kunstpause: "In unserem Sport kann man nicht für alle Fälle eine Regel festlegen. Man sollte den Fahrern die Freiheit geben, gegeneinander zu racen."

Ein Hauch von Revolution hat in diesen Tagen das Fahrerlager ergriffen. Nicht nur Vettel hinterfragt die Fundamente der Formel 1. Seine Kollegen unterstützen ihn. Zu viel Ungemach kommt gerade zusammen. Erst gab es das umstrittene Urteil der Kommissare in Kanada, das Vettel den Sieg kostete. Dann folgte jenes meditativ-hypnotische Schnarchrennen in Le Castellet, das manche Beobachter als den langweiligsten Grand Prix - es war der 1005. - der Geschichte bezeichneten. In Frankreich hatte Hamilton den sechsten Sieg im achten Rennen der Saison eingefahren, und zwar auf so gemütliche Weise, dass sich vermutlich nicht einmal Protest regen würde, würden die Weltmeisterpokale 13 Rennen vor Saisonende überreicht. Er sehe "den Schlamassel, in dem wir stecken", bekannte Hamilton. Es sei nicht die Schuld der Fahrer.

Am Freitag trafen sich die Teamchefs zu einer Sitzung, um gegen den Schlamassel anzugehen. Angeregt hatten diese die unterlegenen Teams Ferrari und Red Bull. Aus Verzweiflung. Der einzige Tagesordnungspunkt illustrierte das alte Dilemma der Formel 1: Es sollte die Technik verboten werden, in deren Abhängigkeit sich der Sport begeben hat. Genauer: Es sollten die 2019 eingeführten Reifen abgeschafft werden. Ferrari wollte, dass die Formel 1 wieder auf Gummis rollt, die denen der Vorsaison ähneln. Auf denen war die Scuderia zwar auch schon langsamer als Mercedes. Aber, hey! Ferrari war immerhin nicht so viel langsamer wie jetzt.

Der Plan der Verlierer barg Zeichen von Aktionismus. Und er schlug fehl. Fünf Teams stimmten dafür, fünf votierten dagegen. Es werden also nicht Gummimischungen mit einer breiteren Lauffläche unter die Autos geschraubt. Es bleibt bei den Reifen mit der schmaleren Spur, mit der eigentlich nur Mercedes und seine Kundenteams zurechtkommen.

Verteilung des Preisgelds nach Gutsherrenart

Es hat in der Vergangenheit öfter Phasen gegeben, in denen Teams die Formel 1 über Jahre dominierten. Aber nun, da sich Mercedes und Hamilton anschicken, im sechsten Jahr nacheinander beide Pokale einzuheimsen, ist auch das Geschäft mit der Formel 1 bedroht. Die Einschaltquoten brechen ein, der Unterhaltungskonzern Liberty Media, Eigner der Formel 1, muss aus eigenem Interesse handeln. Im Hintergrund wird am Reglement ab 2021 gearbeitet. Irgendwie muss es gelingen, das Prinzip der technologischen Führerschaft zu unterbinden, das Hamilton als "Kreislauf" bezeichnet, der auf das Wirken Bernie Ecclestones zurückzuführen sei.

Ein gravierendes Problem, das Hamilton meinte, ist die Verteilung des Preisgelds nach Gutsherrenart: Jedes Team erhält für die kommende Saison einen Sockelbetrag in Höhe von etwa 35 Millionen Dollar. Dazu gibt es eine Konstrukteursprämie, die sich am Ergebnis der Vorsaison orientiert. Nebenbei fließen intransparente individuelle Prämien, die Ecclestone festgelegt hat. Schön mit Handschlag. Ferrari, Mercedes, Red Bull und McLaren erhalten einen "Constructors' Championship Bonus" (CCB) - und Ferrari bekommt zusätzlich noch einen Ferrari-Bonus von rund 70 Millionen Dollar, der mal damit begründet wurde, dass die Scuderia das älteste Team der Formel 1 ist. Fair ist das nicht, sondern das Ergebnis von Machtpolitik.

Ab 2021, danach sieht es nun aus, soll der CCB entfallen und der Ferrari-Bonus halbiert werden. Auch der seit Jahren geforderte Budget-Deckel soll 2021 endlich kommen, auch wenn er wohl deutlich zu hoch angesetzt sein wird: bei 175 Millionen Dollar. Und es wird noch verhandelt, welche Kosten nicht mit dieser Summe bestritten werden müssen. Etwa Managergehälter, Fahrergehälter und die Kosten für Unterkunft und Reisen. Klar ist: Geldflüsse müssen reduziert werden und die Technik vereinfacht. Und die Fahrer sollten gehört werden, bevor das Reglement angepasst wird.

Im Bestreben, für jede mögliche Rennsituation eine klare Handreichung für die Kommissare zu verankern, hat der Weltverband Fia immer mehr Vorschriften erlassen. Herausgekommen ist ein allumfassendes Kompendium, das den Kommissaren wenig Raum für Auslegungen lässt. So kommt es, dass die Zuschauer sehen, wie es Vettel nach einem Fahrfehler in Kanada gelingt, sein Auto nach einem Ausflug über den Grünstreifen zurück auf die Strecke zu bringen. Sie sehen aber auch, wie er dafür nicht belohnt, sondern bestraft und um den Sieg gebracht wird - weil den Kommissaren nichts anderes übrig bleibt. Wenn der eine oder andere in so einem Moment den Fernseher aus- und eine Weile lang nicht mehr einschaltet, darf sich niemand wundern.

Verbrennt das Regelwerk, fangt von vorne an, fordert Vettel. Nicht der schlechteste Spruch, um ihn der Nachwelt auf Knopfdruck verfügbar zu machen. Als Vettelvermächtnis.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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