Formel 1:Der gut gelaunte Verlierer

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Der Zweite und der Sieger in Spa: Sebastian Vettel (l.) und Lewis Hamilton. (Foto: Dan Istitene/Getty Images)
  • Lewis Hamilton verkleinert den Rückstand in der Gesamtwertung der Formel 1 auf Sebastian Vettel auf sieben Punkte.
  • Vettel spricht hinterher dennoch von einem "insgesamt guten Tag".
  • Der Ferrari-Pilot freut sich über einen neuen Vertrag - und ein Auto, das schneller ist als vor der Sommerpause.

Von Philipp Schneider, Spa-Francorchamps

An dieses Rennwochenende in Belgien wird man sich am Ende der Saison möglicherweise erinnern als an jenes, an dem es für alle Protagonisten ein paar kleine Geschenke gab. Selten jedenfalls standen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel so zufrieden nebeneinander auf dem Podium. Hamilton ganz oben, nachdem er sämtliche Angriffe des WM-Führenden in den Schlussrunden von Spa abgewehrt und so seinen Rückstand in der Gesamtwertung auf sieben Punkte verkleinert hatte. Vettel wiederum, der später zwar erzählte, er habe einmal vor Wut ins Lenkrad beißen müssen, referierte ebenfalls über einen "insgesamt guten Tag". Dafür gab es zwei Gründe.

Erstens hatte Ferrari auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in den Ardennen ein wesentlich besseres Bild abgegeben als zuletzt noch auf der vom Profil ähnlichen Strecke in Silverstone. "Es gab keinen Moment, in dem ich mich hätte entspannen können", sagte Hamilton. "Ich habe auf den einen Fehler von Lewis gewartet, aber den hat er nicht begangen", sagte Vettel. Zweitens hatte Vettel bei der Scuderia endlich seine Unterschrift unter einen neuen Vertrag gesetzt. Auch wenn der Zeitpunkt der Verkündung sehr merkwürdig war.

"Nach dem Restart habe ich ins Lenkrad gebissen"

Ausgerechnet den 26. August 2017 wählten sie - und damit jenen Samstag, an dem Hamilton in seinem 200. Grand Prix wenig überraschend Michael Schumachers Rekord von 68 Pole-Positions egalisierte. Am Donnerstag noch hatte Vettel gesagt, in den nächsten zwei Wochen sei mit "keinen News" zu rechnen. Nur 48 Stunden später gab es dann doch News. Neuigkeiten, die im Detail überraschten: Gleich für drei weitere Jahre hat sich Vettel an den Rennstall aus Maranello gebunden - bis Ende 2020. Er habe gedacht, es sei noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, sagte Vettel. "Aber dann fügten sich die Dinge zusammen und wir haben das Ding durchgezogen."

Am Tag von Vettels Vertragsverlängerung wurde die längste Zeit über Hamiltons Rekord und die Karriere von Michael Schumacher geredet, der vor 25 Jahren in Spa sein erstes Rennen gewonnen hatte. Dieses Jubiläum wiederum bot den Anlass, Schumachers 18-jährigen Sohn Mick, der seit diesem Jahr in der Formel 3 fährt, vor dem Rennen eine Ehrenrunde drehen zu lassen: im Benetton Ford B 194 von 1994, mit dem Schumacher erstmals Weltmeister wurde. "War leider nur eine Runde. Ich wäre gerne länger gefahren", sagte Mick Schumacher. "Spa ist ja das Wohnzimmer von meinem Papa. Insofern ist es für mich angemessen gewesen, hier zu fahren."

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Vettel parkte zwischen den Mercedes von Hamilton und Valtteri Bottas, von Platz vier ging Kimi Räikkönen in seinem Ferrari ins Rennen. Den besten Start legte Fernando Alonso hin. Dann allerdings überholte seinen kräftemäßig weit unterlegenen McLaren Honda zunächst der Renault von Nick Hülkenberg, dann die Force India von Esteban Ocon und Sergio Perez, was Alonso den Hinweis an sein Team funken ließ, die Situation sei "peinlich, sehr peinlich". Als ihn auch der Haas von Romain Grosjean passierte, scherzte Alonso: "Mir ist das vollkommen egal. Es ist eh alles nur ein Test." Nach 18 Runden, inzwischen durchgereicht auf Platz 13, war ihm nicht mehr alles egal. "Funkt mich bitte nicht mehr an", funkte Alonso. Nach 28 Umdrehungen stieg Alonso entnervt aus seinem Cockpit. Er hatte merkwürdige Geräusche aus seinem Motor vernommen.

Ferrari, das war die größte Überraschung von Spa, hat in Bezug auf die maximale Renngeschwindigkeit aufgeschlossen zu Mercedes. Die Teams hatten neue Teile nach Belgien gebracht, die die Aerodynamik in den schnellen Kurven von Spa verbessern. "Unsere Geschwindigkeit hier war sehr gut, wir können uns auf Monza freuen", sagte Vettel. "Ferrari hat einen großen Sprung gemacht. Es ist für uns ganz wichtig, dass wir auf Strecken wie Spa, die uns liegen, gewinnen", sagte Mercedes Motorsportchef Toto Wolff und er klang dabei tatsächlich etwas besorgt. So jedenfalls kam es, dass es Hamilton nie gelang, den Abstand zu Vettel auf beeindruckende Größe zu bringen. Nach zehn Runden klaffte dafür eine Lücke von drei Sekunden hinter den WM-Konkurrenten.

Pascal Wehrlein musste seinen Sauber nach einem Defekt nach der zweiten Runde abstellen und sagte später, er glaube nicht daran, "nächstes Jahr in einem Sauber zu sitzen". Ansonsten bestimmte den Rennauftakt der sechste Ausfall von Max Verstappen im zwölften Rennen. Nachdem er seinen Wagen am Straßenrand geparkt hatte, rollte der Red-Bull-Pilot auf einem Quad vorbei an den in Orange getauchten Tribünen. 80 000 Holländer waren ja nach Spa gereist wegen ihm, Max Verstappen, 19 Jahre alt, einem in Belgien geborenen Holländer, dem zugetraut wird, irgendwann mal Weltmeister zu werden.

Nach 13 Runden kam Hamilton als erster Fahrer der Spitzengruppe an die Box und wechselte von der weichsten Reifenmischung auf die etwas härteren Pneus. Zwei Runden später folgte Vettel. Als er zurück auf die Strecke bog, sortierte er sich wieder hinter dem Briten ein, der mit seinen frischen Reifen in der Zwischenzeit sogar Räikkönen überholt hatte, den Ferrari etwas länger auf der Strecke belassen hatte. Kurz darauf fiel der Finne zurück auf Platz sieben, nachdem ihn die Rennleitung mit einer Parkstrafe belegt hatte, weil er zu schnell gefahren war, als nach Verstappens Ausfall gelbe Flaggen geschwenkt wurden. "Was soll das?" fragte Räikkönen. "Sein Auto stand doch am Straßenrand!"

Dann krachte es zwischen den Force India Piloten. Zunächst verlor Ocon seinen Frontflügel, in der gefährlichen Kurve Eau Rouge kam es zur zweiten Karambolage, nach der Perez seinen rechten Hinterreifen vermisste. Das Safety Car bog auf die Strecke, das Feld rückte wieder zusammen. Hamilton holte sich einen Satz der zweitweichsten Reifen, Vettel die weichsten. "Wieso bleibt das Safety Car so lange auf der Strecke. Die Teile sind längst weggeräumt", ärgerte sich Hamilton. Er wusste: Je kürzer das Rennen nach Wiederstart dauert, desto größer wäre Vettels Vorteil auf den weicheren Mischungen.

Es ging wieder los, Vettel beschleunigte, war fast vorbei. Doch nur fast. "Ich hatte zwei Chancen zu überholen. Eine beim Start und eine beim Restart. Nach dem Restart habe ich ein bisschen ins Lenkrad gebissen, weil ich zu nah dran war an Lewis." Zu nah, um mit Geschwindigkeitsüberschuss aus dem Windschatten zum Überholmanöver anzusetzen. Daniel Ricciardo nutzte die Situation dagegen spektakulär, er überholte Bottas, der auch Räikkönen passieren lassen musste - und wurde Dritter. Vettel fuhr immer wieder ins DRS-Fenster, also dicht genug auf, um den Heckflügel abklappen zu dürfen. Für den Sieg reichte es nicht mehr.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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