EM-Qualifikation gegen DFB-Elf:Rätsel um den Rüpel

Aston Villa vs Manchester City

Co-Trainer mit Rauschebart (mittlerweile abrasiert): Roy Keane.

(Foto: dpa)

Irlands Co-Trainer Roy Keane provoziert seine Heimat mit seiner zweiten Biografie. Über die Partie gegen Deutschland redet plötzlich niemand mehr, obwohl die irische Mannschaft so gut spielt wie selten.

Von Sebastian Fischer

Die Fußball-Nationalmannschaft Irlands hat am Samstag die Mannschaft Gibraltars 7:0 geschlagen. Besonders aufregend war dabei die Leistung des Stürmers Robbie Keane, 34, der binnen zwölf Minuten drei Tore schoss. Nun, da Robbie Keane am Dienstag auf deutsche Verteidiger trifft, überlegen die Iren, ob er wieder treffen wird; sie wünschen es sich. Außerdem überlegt der irische Nationaltrainer Martin O'Neill, ob er gegen Deutschland Männer namens Jon Walters, Stephen Quinn und Glenn Whelan in die Startformnation berufen wird, die zuletzt noch auf der Bank gesessen haben.

Trotz der Tragweite der bevorstehenden Ereignisse für den irischen Fußball waren diese dort zuletzt nur am Rande interessant. Dass in Irland wieder über aktuelles Fußballgeschehen gesprochen wird, liegt weniger am aktuellen irischen Fußballgeschehen, sondern vor allem an einem Mann, der befohlen hat, dass es ausnahmsweise nicht mehr um ihn gehen soll: Roy Keane, Assistenztrainer der irischen Nationalmannschaft. Er sagte dies vor dem Abflug nach Deutschland, als er auf einem Trainingsplatz in Malahide nordöstlich von Dublin im Sonnenschein vor die Mikrofone trat, so schreibt es der Irish Examiner.

Die Biografie ist geprägt von einer eigenartigen Schizophrenie

Keane, 43, ist natürlich nicht nur der Assistent von Nationaltrainer O'Neill in Irland und beim Premier-League-Klub Aston Villa. Keane ist aufgrund seiner Vergangenheit als Kapitän von Manchester United und der irischen Fußballnationalmannschaft in Irland ein Held. Dieser Held hat in der vergangenen Woche seine zweite Biografie "Die zweite Halbzeit" vorgestellt, es gab dort dann kein anderes Thema mehr. So mancher warf Keane danach vor, sein Ziel erreicht zu haben: Trotz seiner Nebenrolle als Co-Trainer den anderen die Schau stehlen zu wollen; verzweifelt das Gesicht des irischen Fußballs bleiben zu wollen.

Liam Brady, ehemaliger irischer Nationalspieler und jetzt TV-Experte, nannte es "höchst unprofessionell", das Buch ausgerechnet in einer für Irland wichtigen Länderspielwoche vorzustellen. "Es ist Unsinn, dass irgendjemand davon abgelenkt war. Ich glaube nicht, dass es ein Problem war", sagte Keane. Vielleicht war es kein Problem. Aber Brady fragte auch: Was, außer einer großen Selbstinszenierung, war der Wert der Präsentation des Buches am Donnerstag im Dubliner Rugbystadion, zwei Tage vor dem Spiel gegen Gibraltar?

Roy Keane aus Cork im Süden Irlands war schon immer eine Persönlichkeit, die viele Rätsel aufgab.

Seinen Landsleuten ist er ein Idol, weil er seit seiner Jugend als Arbeiterkind auch als Fußballer ein Arbeiter blieb, von herausragender Qualität als Mittelfeldspieler, aber mit ausgeprägtem Hang zum Rüpelhaften. Gerne forderte er früher von seinen Kollegen und als Trainer von seinen Spielern professionelles Verhalten - und fiel selbst mit Eskapaden auf. Auch sein neues Buch, das Keane gemeinsam mit dem Schriftsteller und Drehbuchautor Roddy Doyle verfasst hat, ist von dieser eigenartigen Schizophrenie geprägt.

"Ich wollte ihm richtig wehtun"

Auf 304 Seiten gibt Keane ungeahnte Einblicke in Selbstzweifel; er habe vieles anders oder besser machen können, gesteht er gar. Auf der anderen Seite schreibt er die öffentlichkeitswirksame Debatte mit seinem ehemaligen Trainer Alex Ferguson fort, wegen der er 2005 Manchester nach zwölf Jahren verlassen hatte, und bestätigt alle Klischees.

So schreibt er über die hässlichste und gleichermaßen prägendste Szene seiner Karriere, als er 2001 dem Norweger Haland mit Anlauf und ausgestreckter Fußsohle auf dessen Knie sprang, sich dann über ihn beugte und ihn beschimpfte. "Ich wollte ihm richtig wehtun", schreibt er, nachdem er bereits in seiner ersten Biografie erklärt hatte, das Foul nicht zu bereuen. Ob ihm diese Aussagen wirklich so wichtig sind? Vielmehr scheint Keane zu wissen, was sich verkauft - und wie er es zu inszenieren hat. Dem Vernehmen nach erwartet er mit dem Buch Gewinne in Höhe von zwei Millionen Euro.

Als Robbie Keane, der Stürmer, gegen Gibraltar sein drittes Tor erzielte, brachte George Hamilton, der das Spiel für das irische Fernsehen kommentierte, den Rummel der vergangenen Tage auf den Punkt, wenn auch unfreiwillig. "Roy Keane stiehlt sich schon wieder davon", rief er, um sich gleich zu korrigieren: "Ich meinte Robbie Keane. Aber in der letzten Woche gab es auf diesem Planeten ja nur einen Keane."

Doch gegen Deutschland soll es nun tatsächlich um Fußball gehen, und um Robbie Keane, der mit seinen Toren am Samstag zum erfolgreichsten Schützen in der Geschichte der EM-Qualifikation aufgestiegen ist. Roy Keane hat sich seinen gefährlich aussehenden Vollbart, den er sich für die Buchpräsentation hatte wachsen lassen - mit pechschwarzem Haaransatz und weißgrauen Spitzen -, abrasiert, wie zum Zeichen, dass er vorerst nicht mehr im Mittelpunkt stehen will.

Robbie Keane hat er seine Anerkennung ausgesprochen: "Tore schießen", sagte er, "ist das schwierigste im Fußball."

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