Eishockey-WM:Draisaitl beult die Delle wieder aus

Germany v Great Britain: Group A - 2019 IIHF Ice Hockey World Championship Slovakia

Patzte erst, traf dann aber noch: Leon Draisaitl.

(Foto: Getty Images)
  • Lange zittert das deutsche Eishockey-Team im ersten WM-Spiel gegen Außenseiter Großbritannien, setzt sich aber letztlich 3:1 durch.
  • Ausnahmekönner Leon Draisaitl macht erst einen Fehler vor dem Gegentor, repariert den Schaden jedoch später.
  • Ab Montag verstärkt das DEB-Team zudem einer der stärksten Torhüter der Welt: Philipp Grubauer.

Von Johannes Schnitzler, Kosice

Was soll schon an einem Tag schief gehen, der mit der Verkündigung beginnt: "Philipp Grubauer bestätigt WM-Teilnahme"? Am Samstagmorgen hatte der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) die sehnlichst erwartete Zusage von Torhüter Philipp Grubauer für die Weltmeisterschaft in der Slowakei gemeldet. Der 27-Jährige, der in der Nacht zu Donnerstag mit der Colorado Avalanche im Viertelfinale der nordamerikanischen Profiliga NHL ausgeschieden war, wird am Sonntag in Kosice eintreffen.

Am Montag soll der zurzeit beste deutsche Keeper erstmals mit der Mannschaft trainieren und stünde dann für das dritte Gruppenspiel der Deutschen am Dienstag gegen Frankreich zur Verfügung. "Wir bekommen einen Spieler, der in den vergangenen Monaten einer der besten Torhüter der NHL war, eine starke Persönlichkeit, die für unsere Kabine gut ist und die Mannschaft dadurch unterstützt", sagte Bundestrainer Toni Söderholm.

Der Finne, seit Januar als Nachfolger von Marco Sturm im Amt, war vor der WM für seine Entscheidung kritisiert worden, auf Routinier Dennis Endras vom deutschen Meister Mannheim zu verzichten. "Philipps Zusage ist auf allen Ebenen eine sehr gute Sache für uns", sagte Söderholm nun - und ging zur Tagesordnung über: zur deutschen Auftaktpartie Partie am Samstag gegen den Aufsteiger und krassen Außenseiter Großbritannien, der erstmals nach 25 Jahren wieder bei einer Weltmeisterschaft der Top-Division dabei ist. Und bei allem Respekt: Söderholm erwartete bei seinem WM-Debüt als Trainer einen Sieg.

Söderholms Premiere hätte schief gehen können

Die richtig schweren Gegner kommen noch. Und so, wie der Tag begonnen hatte, ging er dann auch zu Ende, mit einer guten Nachricht: Deutschland startete mit einem hart erarbeiteten 3:1 (0:0, 1:0, 2:1)-Sieg ins Turnier. "Ich glaube, es war nicht nur ein schweres Stück Arbeit, sondern auch ein gutes", sagte Söderholm. "Die Jungs haben viel gearbeitet, aber sich nicht die letzte Belohnung geholt in Form von Toren. Aber wir sind geduldig und im Plan geblieben." Dass seine Premiere auch schief hätte gehen können, wollte der 41-Jährige nicht verhehlen. "Es gab Momente, in denen wir zu offensiv gespielt haben", sagte er.

Anders als die englischen Fußballer ("Three Lions") trägt das vereinte britische Eishockeyreich aus England, Schottland, Wales und Nordirland nur einen Löwen auf dem Trikot. Es hätte aber schon mehrerer Rudel und deren Beißkraft bedurft, um die Deutschen ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Nach nervösem Beginn bekamen die Deutschen mehr Struktur in ihr Spiel. In Überzahl kamen sie dem Führungstreffer erstmals nahe. Aber so richtig zwingend waren sie lange nicht.

Im Tor stand am Samstag der Düsseldorfer Mathias Niederberger. Der 26-Jährige bekam wenige Gelegenheiten, sich auszuzeichnen, musste aber in der letzten Minute des ersten Drittels nach einem Puckverlust von NHL-Verteidiger Korbinian Holzer zwei Mal das torlose Remis retten. Die Briten wurden eigentlich nur nach Scheibenverlusten der deutschen Mannschaft gefährlich. "Die haben das gut gemacht, die neutrale Zone und die Schussbahnen dicht gemacht", sagte Holzer. "Und die meisten Chancen, die sie hatten, haben wir ihnen gegeben." Anders als noch im letzten Test vor der WM gegen die USA (2:5) zeigte sich das DEB-Team im defensiven Umschaltspiel aber verbessert. Am Ende lautete das Schussverhältnis 35:17 für Deutschland. "Ich habe nichts anderes erwartet", sagte Söderholm.

Auffälligster Spieler neben NHL-Profi Leon Draisaitl, der erwartungsgemäß die meiste Eiszeit bekam, war Moritz Seider. Der 18-jährige Verteidiger aus Mannheim agierte defensiv erstaunlich abgeklärt und kam im ersten Drittel sogar zu einem Torabschluss. Aber nach 20 Minuten stand es noch immer 0:0. Ein Achtungserfolg für die Mannschaft von Peter Russell.

Seider wird im ersten WM-Spiel bester Spieler der Partie

Zu Beginn des mittleren Abschnitts war Niederberger wieder gegen Ben Davies gefragt. Auf der anderen Seite rettete Ben Bowns gegen Leo Pföderl und Yasin Ehliz. Die Deutschen waren bemüht, mehr Druck auf den britischen Torhüter auszuüben, hatten aber Glück, als wieder Davies die Scheibe und den Führungstreffer für den Aufsteiger um Zentimeter verpasste. Auf der deutschen Bank dämmerte allmählich auch den Geduldigsten, dass sie dieses Großbritannien nicht so leicht besiegen würden wie in der anderen Gruppe die Schweiz Mitaufsteiger Italien (9:0). Dass es nach 40 Minuten nicht mehr 0:0, sondern 1:0 stand, war das Verdienst von Seider: Der jüngste Spieler auf dem Eis schoss den Puck nach einer Druckphase 39 Sekunden vor der Sirene einfach mal ins Tor. Für Seider, der als nächster deutscher NHL-Export gilt, war es bei seinem WM-Debüt in seinem gerade einmal zweiten Länderspiel überhaupt der erste Treffer. Und was für ein wichtiger. "Wir haben es uns selbst schwer gemacht", sagte Ehliz. "Der Moritz hat uns da die Last von den Schultern genommen." Seider, später zum besten Spieler der Partie gewählt, selbst nahm sein Tor gelassen: "Es ist natürlich schön, dass es der erste Knotenlöser war."

Die Erleichterung war allerdings trügerisch. Ausgerechnet Draisaitl, die Führungsfigur, an der sich alle ausrichten, verlor in Tornähe den Puck, was Mike Hammond, Stürmer von Manchester Storm, mit dem 1:1 (44.) bestrafte. Die Erleichterung über die Führung wich der Angst vor der Blamage. Die gute Nachricht in der schlechten: Die Deutschen wirkten plötzlich aggressiver. Und sie blieben ruhig. Matthias Plachta hatte in der 49. Minute bei einem Pfostentreffer noch Pech. Ehliz reparierte den Schaden aber zügig mit seinem Powerplaytreffer im Nachschuss zum 2:1 (51.). Und auch Draisaitl beulte seine Delle wieder aus: Nach schöner Kombination über Plachta und Markus Eisenschmid schickte er den Puck zum 3:1 (53.) ins Netz. Die Entscheidung. "Ich glaube, wir brauchten einfach diesen ersten Sieg, damit alles mental etwas lockerer wird", sagte Söderholm. Am Sonntag, 16.15 Uhr, wartet schon Dänemark. Im Spiel eins vor Grubauer.

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