Doping-Diskussion um Bluttransfusionen:Deutsche Nadel-Mentalität

Der Bericht des Pharmakologen Fritz Sörgel für den Bundestags-Sportausschuss birgt große Sprengkraft. Die am Olympiastützpunkt Erfurt jahrelang mit Bundesmitteln praktizierten Eigenblutbehandlungen sind demnach als Doping anzusehen. Für die betroffenen Sportler könnte nun die Argumentationslinie zusammenbrechen. Auch das Innenministerium muss sich Fragen gefallen lassen.

Thomas Kistner

Der Nürnberger Professor Fritz Sörgel ist sehr bewandert auf den Feldern des Leistungsbetrugs. Deshalb birgt die Expertise des Pharmakologen für den Bundestags-Sportausschuss große Sprengkraft: Die am Olympiastützpunkt Erfurt jahrelang mit Bundesmitteln praktizierten Eigenblutbehandlungen mit UV-Licht seien als Doping anzusehen. Die vom Sportarzt und den Athleten bemühten Argumente zerpflückt der Experte dabei mit leichter Hand.

Doping - Beutel mit Eigenblut liegen in einem Kühlfach

"Jede Blutentnahme ist ein ärztlicher Eingriff": Fritz Sörgel nennt Eigenblutbehandlungen Doping

(Foto: dpa)

Es braucht kein Medizinstudium, um Sörgels Kernvorbehalte zu teilen. "Jede Blutentnahme ist ein ärztlicher Eingriff", sagt er, der Verweis auf geringe Mengen ziele da ebenso ins Leere wie die Wortklauberei, ob geringe Blutrückführungen als Injektion (grundsätzlich erlaubt) oder Infusion (verboten) zu gelten haben.

Sörgel verweist auf winzige Flüssigkeitsmengen mit Hormonen, die als Infusion gelten. Auch stellt das Öffnen des Blutkreises per se, unabhängig von der Entnahmemenge, einen massiven Eingriff dar. Und was immer ein Arzt mit Nadel erzählen mag: Gemäß der im Sport geltenden Beweislastumkehr ist der Athlet allein verantwortlich für seinen Körper und dafür, was damit geschieht.

Mit feiner Klinge ficht der Experte an der sensibelsten Stelle. Das ist die Mentalität, die hinter dieser im nationalen Sport erstaunlich verbreiteten Methode steht: Wenn die Betreiber schon behaupten, sie hätten die UV-Bestrahlung ihres Bluts reinsten Gewissens ausgeübt, dann müssen sich diese Praktiken ja in den bei Dopingtests auszufüllenden Nada-Fragebögen der Athleten wiederfinden. Denn meldepflichtig ist "jede medizinische Maßnahme".

Das könnte noch spannend werden im Fortgang der Causa Erfurt: Die mysteriöse Häufung von UV-Blutbestrahlungen bei deutschen Kaderathleten war ja nicht der Nada aufgefallen, ins Rollen brachten den Fall mit Dopingermittlungen befasste Staatsanwaltschaften.

Sollten sich im Nada-Archiv Fragebögen von UV-bestrahlten Athleten finden, auf denen zwar brav Nahrungsergänzungsstoffe bis hin zur Calciumtablette aufgelistet sind, nicht aber die (zeitlich ja nun zuzuordnende) Öffnung des Blutkreislaufs samt Re-Injektion: Dann zerfällt die gesamte Argumentation.

Das Innenministerium darf sich indes bereits fragen, ob es seine selbsterklärte Rolle als "Partner des Spitzensports" etwas zu einseitig im Geiste einer Zeit ausübt, als sich politische Systeme über den olympischen Medaillenspiegel definierten.

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