DFB-Elf beim Confed Cup:Schönspielen in der Stille

  • Beim Confed Cup gelingt der DFB-Elf der Auftakt mit einem 3:2 gegen Australien.
  • Die Stimmung im Stadion in Sotschi ist gewöhnungsbedürftig, aber dafür ist Bundestrainer Löw sehr zufrieden.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen des Confed Cups.

Von Martin Schneider, Sotschi

Die Atmosphäre, fand Sandro Wagner, war "sehr neutral" und weil keine Party, keine Feier, keine Veranstaltung der Welt als gelungen gilt, wenn irgendjemand danach sagt, es sei "neutral" gewesen, schob er noch hinterher, dass es trotzdem Spaß gemacht habe. Die Stimmung sei, obwohl das Stadion nicht ausverkauft war, "gut" gewesen, fügte der Stürmer noch hinzu. Lars Stindl gab an, dass er es nach den Vorberichten in der Presse schlimmer erwartet hätte. Es sei doch "insgesamt absolut okay" gewesen, es habe auch eine Laola gegeben.

"Neutral", "gut", "insgesamt absolut okay" sind ungewöhnliche Adjektive zur Beschreibung eines Fußballspiels, aber in dem Fall fassten sie das Ambiente des ersten deutschen Gruppenspiels insgesamt absolut okay zusammen. 3:2 hat die DFB-Elf gegen Australien gewonnen, es waren mindestens eineinhalb unglückliche Aktionen von Bernd Leno und mindestens zweieinhalb sehr gelungene Aktionen von Leon Goretzka dabei, aber vor dem Spiel sah es zunächst so aus, als würde am Ufer des Schwarzen Meeres das leiseste Spiel der internationalen Fußballgeschichte gespielt werden.

Auf dem Weg zum Stadion traf man viele fröhliche Menschen - allerdings nur vereinzelte deutsche Fans und gar keine Australier. Denen waren die 14 143 Kilometer zwischen Sydney und Sotschi offenbar zu weit für eine Auswärtsfahrt, also kamen hauptsächlich russische Fußballfans zu diesem Spiel. Viele hatten Trikots der russischen Nationalmannschaft an, manche trugen einfach das Fußball-Trikot, dass sie zu Hause hatten. Sergio Ramos von Real Madrid war mehrfach dabei, der FC Liverpool war oft vertreten, einer hatte noch ein BVB-Trikot von Mats Hummels im Schrank.

Dazu gesellten sich massive Sicherheitsvorkehrungen. Gefühlt kam auf einen Fan ein Helfer oder Polizist, ausnahmslos jeder musste bei Betreten des Stadions durch einen Metalldetektor wackeln, jede Tasche wurde gescannt. Wer russischer Staatsbürger war, der konnte zwar Tickets in der billigsten Kategorie für umgerechnet 15 Euro kaufen, auf diesen Plätzen hoch oben hinter den Toren saßen aber sehr wenige Menschen. Für einen normalen Sitzplatz auf der Gegentribüne musste man schon 9000 Rubel, umgerechnet ungefähr 140 Euro, hinlegen - insofern war es bemerkenswert, dass offiziell fast 28 000 Leute kamen.

Zu den Nationalhymnen waren noch nicht alle Zuschauer durch die Metalldetektoren durch, und weil eh niemand im Stadion eine Mannschaft anfeuern wollte, war in den ersten Minuten das lauteste Geräusch das Klatschen des Balles an der Innenseite von Fußballschuhen. Das meinte Sandro Wagner mit "neutral". Hätte Joachim Löw in dieser Phase Anweisungen gegeben, man hätte sie durch die Stille noch an der Schwarzmeerküste gehört. Die Stimmung änderte sich dann aber schlagartig, als auf dem Platz etwas passierte.

Man ist das in der Bundesliga wegen des sogenannten Dauer-Supports (ständiges Singen) der Ultra-Fans gar nicht mehr gewohnt, aber ein Stadion voller gewöhnlicher Zuschauer begeistert sich tatsächlich erst, wenn auf dem Platz etwas geschieht, worüber man sich begeistern kann. Das 1:0 der Deutschen durch Lars Stindl (5. Minute) wurde sehr laut bejubelt, ebenso der Ausgleich der Australier durch Rogic (41.).

Das Stadion raunt bei Draxler

Das Stadion raunte ehrfürchtig bei den Übersteigern von Julian Draxler, die Fans starteten eine Welle, als sie sahen, dass das Spiel noch mehr Tore zu bieten hatte (Draxler per Elfmeter, Goretzka nach Vorlage Kimmich), erlaubten sich aber auch, einfach mal still zu sein, wenn Antonio Rüdiger und Shkodran Mustafi sich den Ball zuschoben. Vielleicht feuerten die Neutralen am Ende ein bisschen mehr die Australier an, weil ein 3:3 natürlich irgendwie schön gewesen wäre.

Da das Spiel aber nicht 3:3 endete, konnten die Deutschen zufrieden rausgehen. Vorne waren sie schludrig mit den Chancen, hinten waren sie schludrig bei den Gegentoren - aber das Spiel dazwischen, das sah zuweilen sehr ordentlich aus. Kimmich parlierte in der Interview-Zone auf Deutsch und auf Englisch und erklärte bündig den Spielverlauf. "In der ersten Halbzeit war vieles sehr, sehr gut bis auf die Chancenverwertung. Da müssen wir - salopp gesagt - den Gegner einfach töten und mit zwei, drei zu null in die Halbzeit gehen. Dann musst du das 3:1 länger halten, stattdessen machen die das 3:2 und werden selber ein bisschen mutiger."

Vor dem 3:2 sprang dem Australier Tomi Juric der Ball an den Arm, Bernd Leno ließ den abgefälschten Schuss abprallen, Juric verwandelte (56.). Sandro Wagner erzählte, er habe dann höchstpersönlich beim Schiedsrichter um den Videobeweis gebeten. Der hatte nichts dagegen, checkte und kam nach Absprache mit den Assistenten vor den Bildschirmen zu dem Ergebnis: kein Handspiel.

Weil es keine spielentscheidende Szene wurde, reagierten auch alle Deutschen mit einem gewissen Gleichmut auf die nicht korrigierte Entscheidung. Löw bemerkte allerdings mit großer Freude, dass seine Schulklasse die Lerninhalte offenbar zügig umsetzt. "Es gab sehr, sehr gute Ansätze, damit bin ich absolut zufrieden. Ich erwarte nicht, dass nach nur zehn Tagen alles passt. Es ist bemerkenswert, dass die Mannschaft die zwei, drei Schwerpunkte, die wir gesetzt haben, so gut umsetzen kann. Das freut mich und das konnte man so nicht erwarten", dozierte er. Kapitän Julian Draxler sprach von fehlender Feinabstimmung und dass es auch eine Sache der Erfahrung sei, so ein Spiel souveräner über die Zeit zu bringen.

Aber gegen Chile, da waren sich alle einig, das werde eine Spiel auf einem "anderen Level". Tatsächlich hätte man die Australier, die in der Vergangenheit bei Weltmeisterschaften oft gute Auftritte hatten und auch nach ihrem Beitritt zur asiatischen Kontinentalzone (weil der Ozeanien-Meister keinen sicheren WM-Startplatz hat) Mannschaften wie Japan oder Südkorea hinter sich gelassen haben, ein bisschen aggressiver erwartet. Ein Fehler, den die Chilenen mit Sicherheit nicht begehen werden.

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