Deutsche Nationalmannschaft:Boateng spricht wie ein Kapitän

Pressekonferenz Nationalmannschaft Deutschland

Jérôme Boateng: Hat viel vor bei der WM.

(Foto: dpa)
  • Am Dienstag trifft die deutsche Mannschaft zum ersten Mal seit dem 7:1 im WM-Halbfinale wieder auf Brasilien.
  • Jérôme Boateng hat damals wie heute in der Nationalmannschaft gespielt und tritt vor der neuerlichen Begegnung als Taktgeber auf.
  • "Brasilien hat sich entscheidend verbessert, es herrscht eine andere Mentalität", meint Joachim Löw, der einigen Spielern Pausen verordnet.

Von Max Ferstl

Bevor es um die Nationalmannschaft ging, sprach Jérôme Boateng erst mal über seinen eigenen Traum. Der Traum spielt in Berlin, der Stadt, in der Boateng am 3. September 1988 geboren wurde, wo er aufwuchs und für den Verein Tennis Borussia erstmals gegen einen Fußball trat. Woran er sich nun auch zurückerinnerte, wie er da saß bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Brasilien am Dienstag (20.45 Uhr) und sagte: "Davon habe ich als Kind sicher mal geträumt: Im Olympiastadion gegen Brasilien zu spielen."

Natürlich ist die Begegnung gegen Brasilien nur ein Testspiel, vor der anstehenden WM in Russland aber kein unbedeutendes. Und für die Brasilianer klafft da eine riesige Wunde, bei der auch Boateng eine Rolle spielt. Es ist das erste Wiedersehen seit jenem surrealen WM-Halbfinale in Belo Horizonte, das Deutschland 7:1 gewann und das in Brasilien seitdem als Trauma gilt. Wie sehr, das zeigten die vielen Nachfragen brasilianischer Journalisten am Montagmittag in Berlin. "Das 7:1 spielt in Brasilien eine viel größere Rolle als hier", befand allerdings Bundestrainer Joachim Löw: "Für uns war es am nächsten Morgen fast schon abgehakt."

An die erschütternden Gesichter der brasilianischen Fans erinnert sich Boateng noch heute, mit viel Fein- und Mitgefühl sprach er nun also, um die Gastgeber-Seele von damals nicht noch mehr zu belasten. "Wenn sowas in Deutschland passiert wäre, wäre es, glaube ich, ähnlich gewesen", sagte der 29-Jährige und Löw attestierte der Mannschaft von Trainer Tite eine Wandlung. "Brasilien hat sich entscheidend verbessert, es herrscht eine andere Mentalität", sagte Löw, "sie sind insgesamt als Mannschaft extrem diszipliniert geworden".

Damit zurück zu Boateng, der mehr denn je als wichtiger Taktgeber in der Mannschaft auftritt. Nach schwierigen Jahren hat er sich in dieser Saison seiner starken Form vergangener Tage angenähert. Er gehört längst wieder zu den prägenden Akteuren im Verein und der Nationalmannschaft. Deshalb hatte es durchaus Gewicht, was Boateng am Freitag nach dem 1:1 im Testspiel gegen Spanien zu sagen hatte. Viele hatten die Partie für sehr gut befunden, beide Seiten überhäuften sich anschließend mit Lob. Doch Boateng lobte nicht, er kritisierte. "Wir wollten besser hinten rausspielen, eine bessere Aufteilung hinbekommen", hatte er moniert, "auch das Umschalten muss besser werden. Wir kriegen drei oder vier Konter, das geht nicht."

Pause für ter Stegen

Eine Wortmeldung, die Boateng auch am Montag verteidigte. "Wir wollen im Sommer erfolgreich sein, da müssen wir die Dinge klar ansprechen", sagte er, "das ist besser, als wenn man es verstreichen lässt und wir uns alle blöd angucken, wenn es darauf ankommt." Bundestrainer Löw legitimierte seine Äußerung nachträglich. "Ein Spieler soll nach dem Spiel äußern, was sein Gefühl war", sagte Löw. "Deutschland kann, muss und wird sich auch noch steigern", sagte er, die Kritik sei sogar "wünschenswert".

Die deutsche Mannschaft könnte zum ersten Mal nach 38 Jahren einen alten Rekord von 23 Spielen ohne Niederlage einstellen. Eine Tatsache, die Matthias Ginter als "schönen Nebeneffekt" beiseite wischte. Ohnehin neigt man hier trotz der 7:1-Demütigung der Brasilianer vor vier Jahren nicht dazu, das Spiel zu überhöhen. Ausruhen dürfen sich Thomas Müller und Mesut Özil. Auch Torhüter Marc-André ter Stegen bekommt eine Pause, da das Knie zwickt. Löw plant, dass sich die beiden verbliebenen Torhüter, Bernd Leno und Kevin Trapp, jeweils eine Halbzeit lang abwechseln. Nicht sicher ist, ob Mittelfeldspieler Sami Khedira mitspielen kann. Ihn plagen leichte muskuläre Beschwerden.

Es könnte also gut sein, dass Boateng die Mannschaft als Kapitän anführt. Gesprochen hat er schon wie einer.

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