Champions League:Turbulenzen bei den Bayern

  • Beim 3:0 des FC Bayern in der Champions League gegen Anderlecht sind atmosphärische Störungen unübersehbar.
  • Ribéry wirkt nach seiner Auswechslung sauer, Robben kritisiert Lewandowski - und auch Sportchef Salihamidzic ist unzufrieden.
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Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Als Arjen Robben seine Botschaft zum dritten Mal wiederholte, sah er einigen der Fragesteller tief in die Augen und beschloss, dass es nun alle kapiert haben sollten: "Wir müssen jetzt kritisch sein, aber wir müssen auch zusammenhalten." Zusammenhalten. Ja, tatsächlich das sagte Arjen Robben am Dienstagabend, als es Richtung Mitternacht ging. Drei Mal. Dann ging er hinaus aus dem Stadion und fuhr nach Hause. Er sah dabei nachdenklich aus.

Zuvor hatte Robbens FC Bayern zum Auftakt der Champions-League-Saison 3:0 (1:0) gegen den belgischen Meister RSC Anderlecht gewonnen. Ein schönes Ergebnis, eigentlich. Doch im Laufe des Abends offenbarten sich so viele kleine und größere Turbulenzen bei den Münchnern, dass der Eindruck hängen blieb, hier stimmen einige Dinge derzeit ganz und gar nicht. Sowohl sportlich als auch atmosphärisch.

Ribéry ist schlecht gelaunt

Zum Beispiel bei Franck Ribéry. Der Franzose ist nun 34 Jahre alt, seine Energie trägt ihn immer noch weit. Er verkniff sich auf dem Feld einige Male den Groll, nachdem ihn Mitspieler in aussichtsreicher Position schlampig angespielt hatten. Kam der Ball bei ihm an, durchbrach er das bayerische Einheitstempo und zog endlich mal einen Sprint an. Er gehörte zu den Besseren, dennoch holte ihn Trainer Carlo Ancelotti als Ersten nach 78 Minuten vom Platz.

Das Publikum grummelte, manche pfiffen in Richtung Trainer, Ribéry machte kein Hehl aus seinem Unmut, zog sein Trikot aus und schleuderte es auf die Ersatzbank. Später maßregelte ihn der neue Sportchef Hasan Salihamidzic: "Das darf nicht passieren beim FC Bayern München. Das ist nicht okay. Da werden wir sprechen drüber." Während Ancelotti Nachsicht walten ließ: "Manchmal verstehen es die Spieler nicht, wenn ich wechsle. Ribérys Leistung war gut, daran lag es nicht. Er hat Sonntag nicht trainiert, darum wollte ich ihm eine Pause geben." Also alles bestens?

Zuvor hatte sich Arjen Robben unübersehbar bei Sturmpartner Robert Lewandowski beschwert, weil dieser gedribbelt hatte, statt ihm den Ball vor das leere Tor zu passen. Lewandowski ignorierte Robben zuerst, dann bedeutete er dem Niederländer aufreizend stolz, er solle sich nicht so aufregen. Klub-Archivare könnten hier daran erinnern, dass sich Lewandowskis Berater Maik Barthel am Ende der vergangenen Saison massiv darüber beschwert hatte, die bayerischen Mitspieler hätten seinem Klienten am letzten Spieltag nicht oft genug den Ball aufgelegt, wodurch der Pole die Torjägerkanone verpasste. Sind hier noch Rechnungen offen?

Das Spiel gegen Anderlecht hat die Problemlage rund um Lewandowski nicht entschärft. Eher im Gegenteil. Nach seinem Interview im Spiegel, in dem er die Einkaufsstrategie des Klubs kritisierte und die Macht der Spieler bei Vereinswechseln betonte, verortete seine Körpersprache auf dem Spielfeld nahe an der Arroganz-Linie. Er holte nach zehn Minuten einen Elfmeter und eine rote Karte für den Gegenspieler heraus, verwandelte den Strafstoß sicher zum 1:0 - doch danach fiel der Pole vor allem mit Anweisungen an seine Mitspieler und häufigem Abwinken auf. Der Auftritt hatte bisweilen etwas von einem Sturmkönig, der sich über den Dingen wähnt. Mit einem Lächeln im Gesicht und den Daumen in den Rucksack-Riemen eingehakt, ging er nach dem Duschen fast im Laufschritt durch die Katakomben und erklärte, erst das nächste Mal wieder sprechen zu wollen.

Salihamidzic wirkt unvorbereitet

Auf das Interview angesprochen, reagierte Sportchef Salihamidzic genervt. Und unvorbereitet. "Ach komm jetzt, jetzt fängst du schon wieder damit an", antwortete er und wollte am liebsten nichts dazu sagen. Er verwies dann auf seine Chefs Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, die sich ja schon geäußert hatten. Er selbst spreche zwar jeden Tag mit Lewandowski, aber zuletzt nur über die Niederlage in Hoffenheim und über das Spiel gegen Anderlecht. Ein geglücktes Ausweichmanöver sieht anders aus.

Ob der Novize Salihamidzic schon etwas beitragen kann, um die offensichtlich angespannte Lage beim FC Bayern zu beruhigen? Neben Ribéry, Robben und Lewandowski war zuletzt auch Thomas Müller eher unzufrieden mit seiner Rolle, diesmal saß er wieder auf der Bank. Dazu entfacht das Spiel der Münchner wenig bis keine Euphorie. Obwohl der ohnehin namenlose RSC Anderlecht schon nach zwölf Minuten 0:1 zurücklag und in Unterzahl spielte, sah es lange Zeit nach einer knappen Niederlage für die Belgier aus. Bei zwei Chancen kurz vor und kurz nach der Pause (Nicolae Stanciu traf den Pfosten) hätte sogar der Ausgleich fallen können.

"Da musst du Bock haben, die wegzuschießen"

Arjen Robben erklärte: Zu Hause vor eigenem Publikum und dann gegen zehn Mann, "da musst du Bock haben, die wegzuschießen". Diesen Bock habe er aber nicht gesehen. Stattdessen fiel der weitgehend seelenlose Vortrag einiger Spieler auf sowie eine Mannschaft ohne gruppendynamische Strategien. Manchmal blieben bei eigenem Angriff sechs Spieler hinten stehen, ein anderes Mal verweigerten bei Ballbesitz der Belgier fünf Münchner den Weg in die Defensive. Oft blieb das Gebilde zweigeteilt (ein Teil vorne, ein Teil hinten), was immer ein schlechtes Zeichen ist für eine Mannschaft. Dazu verfestigte sich das Unvermögen der vergangenen Bundesliga-Partien, gegen tief stehende Abwehrreihen zu Chancen zu kommen. Einige haben das Spiel nach der frühen roten Karte für den Gegner offenbar als besseres Schaulaufen verstanden und spielten im Energiesparmodus.

Es könnte aber auch so sein, dass es eben nur ein erstes Champions-League-Gruppenspiel gegen zehn Belgier war, das die Bayern immerhin 3:0 gewannen. Und dass alle Anzeichen und Indizien, nach denen es im Verein durchaus brodelt, völlig missverstanden werden. Oder um es mit Verteidiger Niklas Süle zu sagen: "Die Stimmung ist überragend."

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