Aus in der Champions League:"Ajax reißt Real das Herz heraus"

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Es dürfte eine titellose Saison werden für Karim Benzema (links) und Toni Kroos. (Foto: Sergio Perez/Reuters)
  • Real Madrid, zuletzt dreimal Sieger in der Champions League, scheitert diesmal schon im Achtelfinale.
  • Beim blamablen 1:4 im eigenen Stadion gegen Ajax Amsterdam werden die Schwächen der Mannschaft offengelegt.
  • Spielmacher Toni Kroos erwartet nun, "dass es Gegenwind gibt".

Von Carsten Scheele

An einem Morgen wie diesem lohnt sich der Blick in die spanischen Zeitungen besonders, denn die Blätter von AS bis El Mundo Deportivo gehen traditionell wenig zimperlich mit den Fußballern von Real Madrid um, wenn es bei denen mal nicht läuft. Einen "totalen Schiffbruch" hat El Mundo Deportivo am Dienstagabend beim schmerzlichen 1:4 gegen Ajax Amsterdam gesehen. Die AS schreibt dagegen: "Real war ein Desaster (...) so weich wie ein Pudding."

Wie schlecht es steht, lässt sich daran erkennen, dass sogar das Sportblatt Marca, das Real traditionell sehr nahe steht, von manchen gar als Hausblatt bezeichnet wird, in den Chor mit einstimmt. Mit traurigen Worten, allerdings ebenso drastisch: "Ajax reißt Real das Herz heraus." Nach dem "Fehlschlag des Jahrhunderts" würden bald "Köpfe rollen".

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:Ajax demütigt Real Madrid

Was für eine Pleite: Der Titelverteidiger scheitert im Achtelfinale der Champions League an Amsterdam - das Rückspiel endet 1:4. Die Krise in Madrid ist perfekt.

Mit erkennbar herausgerissenem Herzen stand kurz nach Spielschluss auch Daniel Carvajal vor den Mikrofonen. Es war eine schlimme Woche für den Real-Spieler: Erst die beiden Heimniederlagen gegen den FC Barcelona, mit denen Madrid zunächst die Chance auf den nationalen Pokalsieg, dann die wohl letzte Möglichkeit in der spanischen Meisterschaft verspielt hat. Nun das demütigende 1:4 (0:2) im Rückspiel des Achtelfinals der Champions League, die höchste Niederlage, die Real in diesem Wettbewerb im eigenen Stadion je erleiden musste. Nicht etwa gegen Barcelona, Bayern oder Manchester - sondern gegen das kleine Ajax Amsterdam.

Ajax feiert, Ramos gestikuliert

Diese "Scheiß-Saison" sei für ihn beendet, sagte Carvajal: "Ich glaube, das war mein schlimmstes Spiel als Profi. Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt." Die Zahlen verdeutlichen das Ausmaß dieser Tragödie: Dreimal hat Real zuletzt die Champions League gewonnen, seit der Spielzeit 2010/2011 immer mindestens das Halbfinale erreicht. Jetzt das "Desaster auf allen Ebenen", wie die AS es umschreibt.

Nach der Partie feierten die Angestellten von Ajax Amsterdam noch lange ausgelassen auf dem Rasen - da hatten die Madridista ihre Spieler schon ausgepfiffen und danach schnell das Stadion verlassen. Niemand hatte mit einer derartigen Niederlage gerechnet. Nach dem 2:1-Hinspielsieg in Amsterdam war das Viertelfinale schon als gebucht betrachtet worden - es kam völlig anders. Schon nach acht Minuten traf Hakim Ziyech nach einem Ballverlust von Toni Kroos zur Ajax-Führung, zehn Minuten später stand es bereits 0:2 durch David Neres (18.). Der wirklich überragende Dusan Tadic (62.) erhöhte auf 0:3. Als Marco Asensio (70.) verkürzte, dauerte es nur zwei Minuten, ehe Lasse Schöne eine Freistoßflanke direkt in den Winkel des Real-Tores zischen ließ (72.).

Vieles ging schief an diesem Abend. Lucas Vazquez und Vinicius Junior mussten schon in der ersten Halbzeit verletzt vom Platz, das machte es für Real nicht einfacher. Gareth Bale traf kurz vor der Pause nur den Pfosten (42.), auch beim Einsatz des Videoassistenten nach dem dritten Treffer von Tadic hatte Real Pech, weil der Ball zuvor möglicherweise im Aus gewesen war. Die Niederlage sei trotzdem "total verdient" gewesen, bemerkte Kroos. Real sei in beiden Spielen die schlechtere Mannschaft, viele Spieler nicht auf dem erforderlichen Niveau gewesen: "ich zuvorderst". Er erwarte, dass es nun "Gegenwind" geben wird in der Stadt.

Im VIP-Bereich der Arena gestikulierte der gesperrte Kapitän Sergio Ramos im weißen Hemd gegen die drohende Niederlage an, auch er war machtlos. Ramos hatte sich im Hinspiel - in Erwartung eines unkomplizierten Rückspiels - sicherheitshalber eine gelbe Karte abgeholt, um unbelastet ins Viertelfinale gehen zu können (was die Uefa mit einem weiteren Spiel Sperre ahndete). Sein Plan ging so oder so völlig schief. "Danke, Ramos", sangen die Ajax-Fans am Dienstagabend.

Er wolle "nicht schlecht über einen unserer Spieler reden, aber wir haben unseren Kapitän vermisst", sagte Real-Trainer Santiago Solari, seit Oktober im Amt, der nun den Reflex von Vereinspräsident Florentino Pérez fürchten muss, der nach missratenen Spielzeiten gerne als Erstes den Trainer austauscht - José Mourinho gilt als Nachfolge-Kandidat. Solari bezeichnete die Lage als "schwierig", persönliche Konsequenzen ziehen will er aber nicht: "Ich bin nicht hierhergekommen und habe den Klub in einer schwierigen Phase übernommen, um aufzugeben."

Pérez steht allerdings ebenfalls in der Kritik, ihm wird die fehlerhafte Personalpolitik nach dem Weggang von Cristiano Ronaldo im Sommer 2018 zur Last gelegt. In Sprechchören forderten ihn die Fans am Dienstagabend zum Rücktritt auf - dass Pérez (Vertrag bis 2021) diesen Wünschen nachkommt, ist allerdings nicht absehbar. Als wahrscheinlicher gilt, dass er der Demütigung in dieser Saison eine neue Transferoffensive folgen lassen wird - in der einige arrivierte Spieler, unter anderem Gareth Bale, den Klub verlassen müssen.

Und Ajax? Steht plötzlich im Viertelfinale. Hat nach dem furiosen 3:3 im letzten Vorrundenspiel gegen den FC Bayern ein noch größeres Spektakel folgen lassen. Der Telegraaf schrieb am Mittwoch vom "Mirakel von Madrid". Auch Kapitän Matthijs de Ligt jubilierte: "Wir wussten, dass es möglich war. Wenn man sich traut, Fußball zu spielen, kann man auch Madrid das Leben schwer machen." Insbesondere gegen ein Real Madrid, das gerade selbst nicht weiß, wofür es eigentlich steht.

Mit Material von dpa und sid

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