Bayern-Sieg gegen Stuttgart:Coolness trotz Chaos

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Ron-Robert Zieler verpasst eine Flankem Leon Goretzka kann einköpfen. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern schlägt den VfB Stuttgart mit 4:1.
  • Thiago, Leon Goretzka und Robert Lewandowski sowie Christian Gentner mit einem Eigentor erzielen die Tore für die Münchner. Anastasios Donis trifft für den VfB.
  • Zwischenzeitlich waren die Gäste aber dem Ausgleich nahe. Lewandowski vergibt zudem einen Elfmeter.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn, München

Manuel Neuer wusste, welche Maßnahme die Situation erforderte. In dieser Situation war keine Schönheit gefragt, keine Kunstfertigkeit, und erst recht war es keine Situation für Geschwindigkeitsrekorde. Also sprang Neuer ab, er warf sich auf den Ball, drückte von oben seine mächtige Brust auf den Ball, von der Seite schob er noch seine kräftigen Oberarme zusammen, er vergrub den Ball unter sich. So blieb er liegen. Und er guckte. Und guckte.

Ruhe. Die Situation erforderte Ruhe.

Eine knappe halbe Stunde hatte der FC Bayern München in der Partie gegen den VfB Stuttgart hinter sich gebracht, eine Weile hatte es nach einem angenehmen Sonntagnachmittag ausgesehen, doch in diesem Augenblick, in dem Neuer den Ball beinahe erdrückte, war der FC Bayern tatsächlich in Gefahr. Es drohte der Rückstand. Gegen den Drittletzten der Liga. Gegen eine Mannschaft, die in der Anfangsphase noch heillos überfordert gewirkt hatte. Also blieb Neuer auf dem Ball liegen, Sekunden, nachdem er den Rückstand vermieden hatte, mit einer Parade nach einem Schuss von Anastasios Donis. Dann, nach wenigen Sekunden, richtete sich Manuel Neuer wieder auf. Die Gefahr war jetzt wohl überstanden.

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Aus dem Stadion von Tim Brack

4:1 (1:1) gewann der FC Bayern sein Heimspiel gegen den VfB, es war ein mitunter mühsamer, aber nicht unverdienter Sieg, der nun siebte in Serie. Und es war ein ungemein wichtiger Sieg, nachdem Tabellenführer Dortmund am Tag zuvor mit einem 5:1 gegen Hannover vorgelegt hatte. Der Rückstand der Bayern beträgt weiterhin sechs Punkte.

"Wir kommen gut ins Spiel, haben dann aber 35 Minuten überhaupt nicht stattgefunden", sagte Trainer Niko Kovac später. "In der zweiten Halbzeit ist es viel besser gelaufen, und wir haben es geschafft, unsere individuelle Klasse mehr ins Spiel zu bringen."

VfB-Trainer Weinzierl setzt auf Geschwindigkeit - also vor allem auf Donis

Trainer Niko Kovac vertraute gegen Stuttgart der identischen Startelf, die eine knappe Woche zuvor 3:1 in Hoffenheim gewonnen und teilweise brilliert hatte. Leon Goretzka spielte also direkt hinter Stürmer Robert Lewandowski, Thomas Müller auf rechts, in der Abwehrmitte verteidigten Mats Hummels und Niklas Süle. Auf der Bank saßen James Rodríguez und Jérôme Boateng. Und die Startelf, für die sich Kovac entschieden hatte, legte erst einmal los, als wolle sie keinerlei Zweifel daran lassen, dass der Trainer seine erste Elf endgültig gefunden hat.

Der FC Bayern war sicher in seinen Abläufen, die Bewegungen der Spieler harmonierten miteinander, viele Pässe kamen an, außerdem unterstützte der VfB die Münchner Bemühungen zunächst durch freundliche Lücken in der Defensive und fragwürdige Ballverluste. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Gastgeber führte. Immer wieder war ein Bayern-Spieler einen Tick schneller gewesen, erst Kingsley Coman gegen VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler, dann Thomas Müller mit einem Pass in die Mitte, dann Lewandowski mit seiner Fußspitze, dann Thiago, der in diesem Chaos mit all seiner Coolness traf.

Nach der Führung spielte der FC Bayern weiter gefällig, aber zunehmend behäbig, und so erzielte er kein zweites Tor, er kam nicht mal zu einem weiteren Torschuss.

"In der ersten Halbzeit waren, wenn überhaupt, zehn bis 15 Minuten in Ordnung", sagte Kovac. Es war eine Behäbigkeit, die sich rächen sollte.

VfB-Trainer Markus Weinzierl hatte auf Mario Gomez als Stoßstürmer verzichtet, er wollte das Spiel seiner Elf maximal beschleunigen, er setzte ganz auf die Geschwindigkeit. Er setzte also vor allem auf Donis, jenen Spieler, der im Mai die Bayern beim 4:1 fast im Alleingang besiegt hatte. Auch an diesem Sonntag ärgerte der Grieche die Münchner wieder wie kein Zweiter.

In der 26. Minute spielte Thiago einen schlampigen Ball auf Joshua Kimmich, der zu energisch nach vorne preschte. Ballverlust. Konter VfB Stuttgart. Thiago verweigerte den Zweikampf gegen Donis, und der hatte plötzlich Platz. Und traf mit einem Kunstschuss in den Winkel.

Im Herbst, als der FC Bayern in eine tiefe Krise gerutscht war, hatte oft eine Kleinigkeit gereicht, um dem Team den Schwung zu nehmen, so war das zunächst auch an diesem Sonntag. Stuttgart verteidigte nun mutiger und weiter vorn, zwang den Gastgeber zu Fehlern. "Da sind uns schon ein paar Szenarien aus der Hinrunde durch den Kopf gegangen", gestand Goretzka. Sechs Minuten nach dem Ausgleich parierte Neuer dann den Schuss von Donis, er warf sich auf den Ball. Ruhe. Das brauchte es jetzt. An diesem Tag zerbrach der FC Bayern nicht.

Im zweiten Durchgang erkämpfte sich der FC Bayern seine Dominanz zurück, in der 55. Minute klärte Zieler noch mit dem Fuß gegen Lewandowski. Wenige Sekunden später schoss der eingewechselte Serge Gnabry, und VfB-Kapitän Christian Gentner lenkte den Ball ins eigene Tor ab. "In der zweiten Halbzeit haben wir sehr viel schneller Fußball gespielt, sehr viel vertikal gespielt, und wir haben es geschafft, unsere individuelle Klasse ins Spiel zu bringen", lobte Kovac.

Nur kurz durfte der VfB noch an die Sensation glauben, nach einem Ping-Pong-Pfostentreffer von Nico Gonzalez (64.), der das 2:2 gewesen wäre. Der FC Bayern glänzte nicht, aber er ließ sich auch nicht verunsichern, nicht mal durch einen verschossenen Elfmeter von Lewandowski (65.). In der 71. Minute flog Zieler unter einem Eckball hindurch, Goretzka traf mit dem Kopf, Lewandowski erhöhte später (84.). Zumindest für die letzten Minuten wurde es doch noch ein ruhiger Nachmittag.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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