Bayern-Profi Franck Ribéry:Schmerzende Pfiffe in der alten Heimat

Lesezeit: 3 min

Allein gegen ganz Marseille: Beim Sieg des FC Bayern bekommt Franck Ribéry den Zorn seiner Landsleute zu spüren. Mit dem Ergebnis, dass dem Franzosen kaum etwas gelingt. Der Zuspruch, den er daraufhin von den Bayern erfährt, dürfte ihn in seinen Plänen bestärken.

Carsten Eberts, Marseille

Frank Ribéry brauchte ein Weilchen, bis er die Katakomben des "Stade Vélodrome" endlich verließ. Der Mannschaftsbus war längst in Richtung Hotel abgefahren, während Ribéry und Mario Gomez, dessen Dopingkontrolle sich ungewöhnlich lange hinzog, noch im Stadion blieben.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Rustikal Richtung Real

Manuel Neuer hätte sich nach Marseille mal lieber Ohrstöpsel mitgenommen, der souveräne Holger Badstuber sichert sich mit fehlerfreiem Stellungsspiel seine Planstelle für die kommende Spielzeit und Mario Gomez lässt mit seinem 37. Pflichtspieltor nun wirklich gar keine Fragen mehr offen. Die Bayern beim 2:0 in Marseille in der Einzelkritik.

Andreas Burkert und Carsten Eberts, Marseille

Ribéry gab Interview um Interview, beantwortete geduldig die Fragen der französischen Fernsehjournalisten. Als Ribéry und Gomez endlich mit dem Auto im Bayern-Hotel ankamen, hatte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge seine Bankettansprache bereits gehalten. Die Mannschaftskollegen saßen an den Tischen, manch einer war bereits fertig mit seiner mitternächtlichen Stärkung, als sich die Nachhut zu ihnen gesellte.

Dass Ribéry den französischen Sendern so viel Interview-Zeit einräumte und dafür sogar den Mannschaftsbus abfahren ließ, erstaunte ein wenig, schließlich waren es seine Landsleute (wenn auch die auf den Rängen), die ihm das Champions-League-Auswärtsspiel des FC Bayern bei Olympique Marseille zu einem unvergesslichen Erlebnis werden ließen. Unvergesslich nicht, weil Ribéry bei seiner Rückkehr nach Marseille so freundlich empfangen wurde, dass er nie wieder weg wollte. Sondern weil er ausgepfiffen wurde, bei jedem Ballkontakt.

Nach der Partie spielte der Franzose die Geschehnisse herunter. "Die Pfiffe sind mir egal, es war lustig", sagte Ribéry, der von 2005 bis 2007 in Marseille gespielt und nicht nur eine gute Zeit hatte, sondern den Klub mit der Ablösesumme von 25 Millionen Euro wohl auch halb sanierte. Wer Ribéry an diesem Mittwochabend jedoch spielen sah, der merkte schnell: Die Pfiffe waren ihm nicht egal. Sie schmerzten ihn, sogar ziemlich. Er war einmal der Liebling der hysterischen Fans gewesen - und nun das.

Seit Wochen ist Ribéry in der Bundesliga einer der stärksten Bayern-Akteure. Doch in Marseille gelangen ihm selbst die einfachsten Übungen nicht. In der Anfangsphase lief er sich an jedem französischen Bein fest, das sich auch nur halbherzig in seinen Laufweg streckte. Später brachte er selbst einfache Bälle nicht zu David Alaba, seinem Kompagnon auf der linken Seite. Einfach deshalb, weil Alaba nur drei oder vier Meter von ihm entfernt stand. Und die Franzosen? Sie johlten - und pfiffen weiter.

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Andreas Burkert und Carsten Eberts, Marseille

Gewiss, eine solche Situation war neu für Ribéry. Mit den Bayern muss er höchst selten gegen einen ehemaligen Klub antreten, in Frankreich hat der 28-Jährige derzeit ohnehin einen schweren Stand. In der Nationalelf hat der Mittelfeldspieler lange nicht mehr überzeugt, während der WM 2010 galt er als einer der Rädelsführer gegen Trainer Raymond Domenech, was daheim weniger gut ankam. Ribéry wurde damals gar für drei Spiele ausgeschlossen. Und schließlich war da noch die unschöne Rotlichtaffäre, die im aufgeregten Paris noch viel größere Wellen aufwarf als im beschaulichen München.

Allein gegen ganz Marseille: Franck Ribéry musste nicht nur mit zahlreichen Gegenspielern umgehen, sondern auch mit der Ablehnung der französischen Fans. (Foto: AP)

So tat es zeitweise weh, zu sehen, wie sich Ribéry in seiner alten Heimat mühte, ihm jedoch nichts gelang. "Er ist wie blockiert, wenn er in Frankreich spielt", erklärte der frühere Münchner Bixente Lizerazu, sein Landsmann, der Ribéry seit Jahren kennt. Nach dem 1:0 für die Bayern durch Mario Gomez war Ribéry der Erste, der vor Erleichterung an Gomez' Hals hing. War es die Erlösung? Mitnichten. Der bayerische Franzose stolperte weiter - und die "OM"-Fans pfiffen.

Im Rückspiel am kommenden Dienstag wird Ribéry gewiss ein anderer sein. Dann darf er in Deutschland antreten, seiner Wahlheimat, zudem in der Münchner Arena, wo er sich so wohl fühlt. Unlängst hatte Ribéry bekannt, wie gut es ihm in München geht, dass er sich sogar vorstellen könne, seine Karriere beim FC Bayern zu beenden. "Sie sind da, wenn man sie braucht", sagte Ribéry über die Mächtigen im Verein, nannte insbesondere Präsident Uli Hoeneß, ohne den er heute nicht mehr bei den Bayern wäre. In München weiß jeder: Ribéry ist ein Gefühlsmensch, der nur gut spielt, wenn er ausreichend Rückhalt verspürt.

Das wussten auch die mitgereisten Münchner Fans in Marseille - und so entwickelte sich auf den Rängen ein interessanter Schlagabtausch. Pfiffen die Franzosen Ribéry nieder, besangen die Münchner ihren Liebling mit Sprechchören ("Ribéry, Ribéry"), gelang ihm doch einmal eine Aktion, jubelte der Münchner Block so laut auf, als hätte der FC Bayern gerade mindestens das 1:0 im Champions-League-Finale geschossen.

Manch einer übertrieb es dann aber doch mit der Fürsorge - vor allem, als es nach der Bewertung von Ribérys Leistung des Abends ging. Sportdirektor Christian Nerlinger hatte etwa eine "kämpferisch und spielerisch eine tolle Leistung" gesehen, was zumindest bezüglich des spielerischen Aspekts ein kleiner Scherz gewesen sein muss.

Als Ribéry nach 78 Minuten gegen Danijel Pranjic ausgetauscht wurde, pfiffen die Franzosen zum letzten Mal nach Kräften. Ribéry fand nun Gefallen an der Szenerie, er applaudierte aufreizend in Richtung des Bayern-Blocks, trottete nur langsam zur Auswechselbank. So schlimm der Abend für ihn als Fußballer verlief: Ribéry dürfte sich bestärkt darin sehen, dass es gut für ihn sein könnte, wenn er noch ein paar Jährchen bei diesem Klub bleibt.

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