Bayern-Niederlage gegen den BVB:Die Angst vor dem Verlieren

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Altbekannte Fehler: Pep Guardiola. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Geht das so einfach, in der Liga gemächlich rotieren und dann wieder in den Champions-League-Modus hochfahren? Nach dem 0:3 gegen Dortmund treibt Bayern-Trainer Pep Guardiola die Sorge um, dass sich altbekannte Fehler aus seiner Zeit in Barcelona wiederholen.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Was war nur mit Matthias Sammer los? Diese Frage kreiste am Samstagabend durch die Münchner Arena, denn der Sportvorstand des FC Bayern stellte fest: "Unsere Spieler sind keine Roboter, keine Maschinen."

Wenn nicht alles täuscht, dürfte Sammer mit dieser Feststellung recht behalten. Doch ist nicht er es, der seit fast zwei Jahren die Spieler in den rot-weißen Trikots zum ständigen, ewigen Siegen antreibt? Der mit seinen Mahnungen und Warnungen eine, nun ja, roboterartige Siegesmaschine mit entworfen hat? Jetzt verlieren seine Bayern 0:3 zu Hause gegen Borussia Dortmund, und ausgerechnet Sammer bestätigt: Seine Spieler "haben Gefühle".

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Am 25. März sind die Nicht-Roboter des FC Bayern Deutscher Meister geworden, am 27. Spieltag und damit so früh wie noch kein Team zuvor. Sie hatten von diesen 27 Spielen 25 gewonnen und zweimal Remis gespielt. Eine Serie, von der man noch in Jahrzehnten sprechen wird. Und seitdem? 3:3 gegen Hoffenheim, 0:1 gegen Augsburg, 0:3 gegen Dortmund, dazwischen zwei überraschend zähe Partien gegen ein schwächelndes Manchester United.

Trainer Pep Guardiola schwankte am Samstagabend zwischen Verständnis, Beunruhigung und Selbstkritik. Seit dem Sieg in Berlin erzählt er, dass die Bundesliga für ihn und seine Mannschaft abgeschlossen sei, "wir haben gewonnen".

Welch Wunder also, dass er nach der Pleite gegen den BVB erklären muss: "Seit der Meisterschaft in Berlin ist bei uns die Luft raus." Seine Mannschaft habe den Rhythmus verloren. Nun wolle er sich bereits am Sonntag mit seinem Trainerteam zusammensetzen und beraten, wie erstens die Luft wieder reinkommt ins Team - und wie zweitens der Rhythmus wiedergefunden werden kann.

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Guardiolas Sorge: "Wenn wir so spielen, haben wir natürlich keine Chance in der Champions League gegen Real Madrid." Darauf liegt der Fokus, hier soll und muss sein FC Bayern wieder in dieser unwiderstehlichen Topform sein. Das Pokal-Halbfinale dazwischen gegen den Zweitligisten Kaiserslautern erwähnt der Katalane zwar, doch da sollte dann doch nichts schief gehen. Selbst in dem entspannten Frühlingstempo vom Samstagabend nicht.

Doch geht das so einfach? Hier ein bisschen rotieren gegen Augsburg und den anderen beim Feiern zuschauen, dort etwas zu langsam Fußballspielen und sich von Dortmundern ins Gesicht lachen lassen? Um dann gegen Real Madrid plötzlich wieder "hochzufahren", wie es Guardiola es nennt? Der Spanier zweifelt bereits und es ergreift ihn diese Angst vor dem Verlieren, etwas falsch zu machen, wie es so häufig bei ihm vorkommt. "Es kann sein, dass ich einen Fehler gemacht habe", sagt Guardiola: "Dass es ein Fehler war, nicht so weiterzumachen. Das ist mir auch in Barcelona passiert, nach den Liga-Siegen, da hatten wir Riesenmühe, wieder hoch zu kommen." Er müsse nun einen Trick finden, um die Entwicklung umzukehren.

Tatsächlich war es kaum zu übersehen, dass die Bayern gegen Dortmund zwar Fußballspielen wollten wie immer. Sie hielten sich an Guardiolas taktische Vorgaben, sie rannten und zweikämpften viel und erfolgreich. "Doch wir waren nicht so frisch und gierig wie wir sollten und wollten", erklärte Thomas Müller. Wobei das bei einigen mehr auffiel als bei anderen.

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Bedenklich weit entfernt von Normalform waren Bastian Schweinsteiger und Franck Ribéry, Dante wirkte im Spielaufbau unkonzentriert und ohne Inspiration, Mario Mandzukic konnte vorne keinen Ball halten. Rafinha meckerte ständig am Schiedsrichter herum und verlor in der Nachspielzeit die Nerven, als er Henrikh Mkhitaryan mit der Hand ins Gesicht griff wie ein Adler bei der Mäusejagd - der Brasilianer sah Rot. Doch selbst in diesem Fall spielte Matthias Sammer den Mister Gnädig.

Klar, Rafinha habe die Hand im Gesicht gehabt, "aber ich weiß nicht, ober er Crème dabei hatte, die er abgeben wollte", erklärte Sammer. In der Nachspielzeit, da hätte er Gelb gegeben und dem Übeltäter gesagt: "Raffa, normal ist das Rot." Der FC Bayern werde die rote Karte dennoch akzeptieren, wenngleich Sammer meine: "Sie war zu hart."

Die Münchner machten den Eindruck, als wäre ihnen diese Bundesliga nur noch lästig. Die rote Karte befreit Rafinha womöglich von der Pflicht, die letzten vier Partien gegen Braunschweig, Bremen, Hamburg und Stuttgart spielen zu müssen und erhöht damit vielleicht sogar die Chance, dafür gegen Real Madrid aufzulaufen. Wer weiß das schon.

Pep Guardiola sprach nach dem Spiel viel vom "unglaublichen Teamspirit", den seine Mannschaft habe. Und er vertraue diesen Spielern. Gut möglich allerdings auch, dass er nun im Training wieder etwas härter zu Sache geht, um so die nötige Spannung zu erzeugen, die seinen Profis abhanden gekommen ist.

Ein vorgefertigtes Rezept kennt allerdings auch Matthias Sammer nicht. "Es gab ja hier in Deutschland und ich weiß nicht wo und überhaupt auf der Welt noch nie eine Mannschaft, die so früh Meister geworden ist", sagte er. Auch damit könnte er vielleicht irgendwie recht haben.

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