Arminia Bielefeld:"So etwas führt irgendwann zum Kollaps"

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Ungewisse Zukunft mal wieder für Arminia Bielefeld (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Erneut plagen Arminia Bielefeld finanzielle Schwierigkeiten.
  • Bis zum kommenden Montag hat der Verein Zeit, um einen Punktabzug zu vermeiden.
  • Für den neuen Geschäftsführer Markus Rejek ist die angespannte Situation keine ganz ungewohnte Herausforderung.

Von Ulrich Hartmann

Die Mannschaft des Zweitligisten Arminia Bielefeld verfügt über mehr als nur fußballerisches Knowhow. Der Stürmer Fabian Klos zum Beispiel hat früher Versicherungen verkauft. Der Abwehrspieler Florian Dick beherrscht seit der Jugend magische Taschenspielertricks. Derlei Zusatzqualifikationen haben den Klub aber nicht vor wirtschaftlichen Problemen bewahrt. Müsste die aktuelle Mannschaft ihrer Trägergesellschaft DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA dabei helfen, bis zum 15. Januar geschätzte zweieinhalb Millionen Euro lockerzumachen, um bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) einen Punktabzug zu vermeiden, dann wäre dies gleichbedeutend mit qualitativen Einbußen.

Der Torjäger Andreas Voglsammer etwa könnte für rund eine Million Euro verkauft werden - der FC Ingolstadt gilt als Interessent -, und für den erst 17 Jahre alten Nachwuchsstürmer Roberto Massimo aus der A-Jugend soll es ein lukratives Angebot vom FC Schalke 04 geben. Beide Spieler will die Arminia jedoch behalten. Die kurzfristige Etatlücke will man anderweitig schließen, die Rede ist von der Ausgabe von Genussscheinen.

Vom Ausmaß der Probleme will der Chef nichts geahnt haben

Finanzsorgen im frühen Jahr sind längst ein Running Gag in Bielefeld - bloß, dass darüber hier niemand mehr lachen kann. 2009 ist Bielefeld letztmals aus der Bundesliga abgestiegen, während der Neubau einer sündteuren Haupttribüne den Traditionsklub beinahe in den Ruin gestürzt hätte. 2012 hat man das Stadion an eine eigens gegründete Stadion-GmbH verkauft und die Schulden dadurch weitergereicht. Gebracht hat die Transaktion nicht viel, die Stadion-GmbH soll mittlerweile wieder vor der Auflösung stehen. Von der Tilgung der gesamten Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 22 Millionen Euro spricht bei der Arminia derzeit niemand, man benötigt vielmehr wieder einmal kurzfristig Geld, um von der DFL im Nachlizenzierungsverfahren grünes Licht zu bekommen.

Die Fehlsumme ergibt sich dem Vernehmen nach dadurch, dass der Klub weniger Fanartikel verkauft und weniger als erwartet beim Sponsoring eingenommen hat. Für den neuen Geschäftsführer Markus Rejek, der am Montag genau hundert Tage im Amt war, ist die angespannte Situation keine ganz ungewohnte Herausforderung, war er bis zum Sommer 2016 doch zweieinhalb Jahre lang Manager beim damaligen Zweitligisten TSV 1860 München.

Der gebürtige Rheinländer aus Mülheim/Ruhr hat einst Marketing für Borussia Dortmund gemacht und kennt die westfälische Seele. "Die Löwen leben von einer Überemotionalität, die Ostwestfalen prägt Bodenständigkeit und Zuverlässigkeit", hat er neulich gesagt und damit versucht, Bielefelder Medien den Unterschied zwischen Traditionsfußball in München und Bielefeld zu verdeutlichen. Über Zahlen und Fakten spricht Rejek zurzeit nicht. Nur so viel: Bei der Arminia habe sich in den vergangenen Jahren ein "Konstrukt" gebildet, in dem zur Finanzierung der "Gegenwart" immer "ein Stück Zukunft" habe verkauft werden müssen, "und so etwas führt irgendwann zum Kollaps".

Bis zum kommenden Montag muss Rejek der DFL detailliert Rechenschaft ablegen, damit es keine Strafe gibt. Vier Punkte Abzug hat Arminia Bielefeld vor acht Jahren schon einmal erlebt. Damals wurde das Team am Saisonende Siebter, der Abstieg in die dritte Liga ereilte den Klub erst ein Jahr später, als er mit Abstand Letzter wurde und aufgrund seiner finanziellen Nöte auch noch 1,25 Millionen Euro aus dem Sicherungsfonds der DFL mit in die dritte Liga hinunter nahm. Nach einer kurzen Rückkehr in die zweite Liga in der Saison 2013/14 spielt Bielefeld jetzt die dritte Saison nacheinander wieder zweitklassig, wäre aber im vergangenen Frühjahr um ein Haar schon wieder abgestiegen. Die Mitgliederversammlung am 28. Januar droht mal wieder turbulent zu werden.

Dass der Arminia außer dem sportlichen auch der finanzielle Balance-Akt chronisch anhaftet, will Markus Rejek nicht geahnt haben, als er im Oktober anheuerte. "Dieses Ausmaß war mir nicht bewusst", erklärte er und schob hinterher: "Sonst wäre ich mit meinem Koffer wohl in München geblieben."

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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