Amateurfußball:"Nicht sauber abgerechnet"

Gasthaus

Immer häufiger hört man von Schlägereien und gebrochenen Knochen im bayerischen Amateurfußball. Verband und Trainer fordern ein hartes Durchgreifen.

(Foto: Lukas Barth)

Mindestens 150 Millionen Euro: Vor der Verlängerung des Grundlagenvertrags mit der DFL kritisiert Engelbert Kupka die Spitze des DFB und fordert mehr Geld für den Amateurfußball.

Von Christoph Leischwitz

Engelbert Kupka hat eine ereignisreiche Karriere hinter sich. Der 77-jährige Rechtsanwalt war Landtagsmitglied (CSU) und Bürgermeister der Gemeinde Unterhaching, zudem 39 Jahre Präsident der dort ansässigen SpVgg. Für die finanziellen Rechte des kleinen Vorstadt-Klubs hat er sich schon zu Profizeiten immer wieder eingesetzt. Das alles liegt eigentlich hinter ihm. Doch nun hat sich Kupka wieder ins Gespräch gebracht, für einen Politiker ungewöhnlich laut und polternd.

Im Zusammenhang mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) benutzt er Begriffe "Turbo-Kapitalismus" oder "Vertuschung und Verschleierung". Sein Anliegen: Er findet, dass dem Amateurfußball mehr Geld zusteht. Sehr viel mehr.

"Herr Grindel hat sich von Herrn Rauball über den Tisch ziehen lassen", sagt Kupka

Laut des Grundlagenvertrags mit der DFL, dessen Verlängerung beim DFB-Bundestag an diesem Freitag in Erfurt abgesegnet werden soll, stehen den Amateurvereinen drei Prozent der Einnahmen aus Ticketverkauf und Verwertung der TV- und Radiorechte zu. Bis 2021 wird es sich dabei um jährlich 1,16 Milliarden Euro handeln. Die Regionalverbände würden für den Amateurfußball zweckgebunden jährlich 34,8 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Schon da beginnt Kupka zu poltern. Erstens glaubt er, dass "nicht sauber abgerechnet" wurde. Er gehe davon aus, dass die weltweiten, relevanten Einnahmen rund 1,5 Milliarden Euro betragen. Doch er geht noch weiter: Er fordert mindestens zehn Prozent, also 150 Millionen Euro - 40 Millionen für zweite und dritte Liga, 110 Millionen für die Amateure. Und mit Blick auf die lange Laufzeit des neuen Grundlagenvertrages bis 2023 - in dessen Verlauf die Einnahmen weiter steigen können - sagt Kupka: "Herr Grindel hat sich von Herrn Rauball über den Tisch ziehen lassen." Der DFB und sein Präsident seien "zu schwach", um gegen die DFL und deren Präsidenten ihre Interessen durchzusetzen.

Rainer Kochs Antworten fallen nicht so laut aus. Der DFB-Vize und Chef des bayerischen Landesverbandes sagte vor wenigen Tagen gegenüber dem WDR-Fernsehen: "Herr Kupka hat nicht Recht, wenn er glaubt, dass wir hier etwas mit Gewalt durchsetzen könnten."

Doch was würde passieren, würde sich Kupka mit den Forderungen durchsetzen? Wie verteilt man einen dreistelligen Millionenbetrag auf etwa 26 000 Vereine? Das Prinzip Gießkanne würde wenig Sinn ergeben. Demnach bekäme jeder einen jährlichen Zuschuss von 4200 Euro - Geld, das selbst in unteren Spielklassen schnell versickern würde. Außerdem darf es nicht dafür genutzt werden, den Kader einer ersten Mannschaft zu finanzieren.

Niemand kritisiert den BFV so scharf wie Kupka

Kupka könnte sich deshalb einen Fonds vorstellen: Vereine könnten zweckgebundene Anträge stellen, die dann bearbeitet werden müssten. Und rennt mit solchen Ideen bei den Vereinen offene Türen ein. Unter anderem bei jenen, die zurzeit allein aus finanziellen Gründen an einem Aufstieg scheitern. Dieses Problem besteht zurzeit vor allem zwischen Regional- und Bayernliga. In der vergangenen Saison hätten der VfB Eichstätt im Norden und der SV Pullach im Süden zumindest die Aufstiegs-Relegation spielen können. Doch beide traten gar nicht erst an, weil sie die BFV-Auflagen schlicht nicht erfüllen konnten.

Beim bayerischen Verband weist man darauf hin, dass "die Regionalliga Bayern für die Vereine deutlich günstiger ist als die damalige, dreigleisige Regionalliga" vor der Reform von 2012. Genau das sei übrigens auch einer der Gründe für die Regionalliga-Reform gewesen. Abgesehen davon sei es "natürlich das Ziel, auf höhere Geldzuweisungen hinzuwirken. Aber nicht durch Aufschreien und lautstarke Forderungen. Sondern durch Überzeugungsarbeit und Argumente", so BFV-Sprecher Thomas Müther.

In Eichstätt findet gerade ein Umdenken statt. Nach Jahren als Spitzenteam prüft der Verein zurzeit, wie viel ihn der Aufstieg kosten würde - es geht vor allem um Umbauten am und im Stadion. "Investitionen in die Infrastruktur - da wäre viel geholfen", sagt Thomas Hein, Präsident des VfB Eichstätt. Er würde für einen Kriterienkatalog plädieren, in den zum Beispiel das Engagement eines Vereins im Jugendbereich einfließen könnte.

"Die Herren von der Schlossallee haben den Kontakt zum Amateursport verloren."

Dem Regionalligisten SV Seligenporten würden das wiederum wenig helfen: In dem Ort mit 1000 Einwohnern fehlen die Jugendlichen, es gibt keine U19, U17 und U15. Das Problem: Diese Mannschaften zu unterhalten, ist Teil der Regionalliga-Auflagen. Für die laufende Saison wird Seligenporten eine Strafe von 3000 Euro zahlen müssen, im kommenden Jahr 6000 Euro, danach 12 000. Im vierten Jahr stünde dann der Zwangsabstieg.

"Wir müssten Jugendliche bei anderen Vereinen abwerben und würden unsere Nachbarn vergraulen", sagt Präsident Walter Eisl. Solche Kosten zu senken statt Einnahmen zu erhöhen, das würde dem SV auch schon helfen. Darüber hinaus plädiert Eisl für einen Anteil der TV-Gelder von 150 000 Euro pro Regionalliga-Team. Das Argument des BFV, die TV-Einnahmen aus Übertragungen auf Sport1 werde an alle Vereine der Liga ausgeschüttet, kontert Eisl mit dem Argument: "Aber eben auch an den FC Bayern II. Haben Sie das Gefühl, dass die das nötig haben?"

Niemand kritisiert den BFV so scharf wie Kupka. Doch eines haben der Ex-Präsident und viele aktuelle Vereinsvertreter gemeinsam: im Kern speist sich die Kritik an aus ihrer Sicht unnötigen Formalitäten und überzogenen Strafen, die ehrenamtliche Mitarbeiter frustrierten. Kupka selbst habe sein Engagement erst wieder hochgefahren, als ein 17-jähriger Spieler der SpVgg zum FC Ismaning wechseln wollte und wegen einer nicht eingehaltenen Frist für zwei Monate gesperrt worden sei. "Wo ist da die Sensibilität", empört er sich. Und nutzt ein turbokapitalistische Brettspiel für sein hartes Schlussurteil: "Die Herren von der Schlossallee haben den Kontakt zum Amateursport verloren."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: