Afrika-Cup:Trauer statt Brückenbauer

Afrika-Cup: Gedenkaktion: Ägyptische Fans erinnern mit dem Licht ihrer Handys des Stadion-Unglücks von Port Said 2012.

Gedenkaktion: Ägyptische Fans erinnern mit dem Licht ihrer Handys des Stadion-Unglücks von Port Said 2012.

(Foto: Hassan Ammar/AP)

Korruptionsvorwürfe, Rücktritte, das frühe Aus des Gastgebers: Der kontinentale Fußball-Wettbewerb in Ägypten fordert das leidgeplagte Land.

Von Paul-Anton Krüger

Die Vorrunde hatte Gastgeber Ägypten beim Afrika-Cup noch makellos überstanden: drei Siege, fünf Tore, kein Gegentreffer. Doch spielte die Mannschaft um den Stürmerstar Mohammed Salah schon gegen die schwächeren Teams aus Simbabwe, Kongo und Uganda nicht überzeugend. Die als Mitfavorit gehandelten Pharaonen hätten sich kaum Torchancen herausgearbeitet, klagte die staatliche Zeitung al-Ahram. Auch habe es Ägypten an einer stabilen Defensive gefehlt, über die man unter Trainer Héctor Cúper noch verfügt habe, der nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 geschasst wurde. Das rächte sich am Sonntag bei der Niederlage im Achtelfinale gegen Südafrika. Das aus einem Konter resultierende 0:1 von Stürmer Thembinkosi Lorch in der 85. Minute stürzte Ägypten in Schockstarre und Trauer - und den Fußballverband ins Chaos und eine tiefe Krise.

Der mexikanische Cheftrainer Javier Aguirre trat zurück, sein gesamter Stab wurde entlassen, nachdem "die Hoffnungen der ägyptischen Fans zerstört wurden", wie Verbandschef Hany Abo Rida sagte. Er selbst folgte der "moralischen Verpflichtung", sein Amt aufzugeben, und der gesamte Vorstand schloss sich an.

Der stellvertretende Parlamentspräsident Soliman Wahdan forderte indes, gegen die Funktionäre wegen Korruption zu ermitteln und warf ihnen Unfähigkeit vor - auch im Umgang mit der Affäre um Mittelfeldspieler Amr Warda. Er war zunächst wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung aus dem Kader geworfen worden, nur um später zurückgeholt zu werden. Salah und Mannschaftskapitän Ahmed el-Mohamady hatten sich öffentlich mit ihm solidarisiert. In Ägypten, wo sexualisierte Belästigung ein großes Problem ist, führte dies in den sozialen Netzwerken zu wilden Debatten - und zu Unruhe in der Nationalmannschaft im aktuellen Turnier.

Diesmal ist nur große Enttäuschung geblieben, fast eine Art Gleichgültigkeit

El-Mohamady entschuldigte sich dafür auf Twitter bei den Fans mit keinem Wort, sondern nur für das schlechteste Abschneiden überhaupt bei einem Afrika-Cup. Er wünschte dem Team "alles Gute für die Zukunft", was Spekulationen über einen Abschied des Rechtsverteidigers auslöste. Und Mohammed Salah, nach der WM-Qualifikation noch als Volksheld gefeiert, twitterte: "So Gott will, werden wir von den Fehlern lernen, die wir gemacht haben."

Fußball ist Volkssport in Ägypten, die Helden der Fans spielen vor allem in der englischen Premier League - die ist in Kairo noch mehr ein Straßenfeger als die nationale Liga. Ganz Ägypten mit seinen bald 100 Millionen Einwohnern, von denen viele unter zunehmend schwierigen Lebensbedingungen und politischer Repression leiden, hätte sich aufrichten können an einem Turniersieg im eigenen Land. Der Fußball vermag am Nil Gräben zu überbrücken zwischen Christen und Muslimen, zwischen Anhängern von Präsident Abdelfattah al-Sisi und seinen Gegnern. Doch jetzt ist nur große Enttäuschung geblieben, fast eine Art Gleichgültigkeit. Und die Frage, wie es weitergeht mit dem Nationalteam, ja mit dem Fußball in Ägypten.

Das Turnier sollte laut Sisi auch dazu dienen, das internationale Ansehen Ägyptens zu mehren, das vor allem wegen der systematischen Menschenrechtsverletzungen gelitten hat. Aber das Verhältnis zwischen der Staatsmacht und den Ultras ist angespannt, seit die Fußballfans bei den Protesten gegen das gestürzte Regime von Diktator Hosni Mubarak 2011 in den ersten Reihen standen. In Minute 20 und 72 des Matches gegen Südafrika strahlten auf den Rängen des Stadions in Kairo weiß die Lichter Zehntausendender Mobiltelefone. Es war ein stilles Gedenken an die Toten, ein stiller Protest gegen die Gewalt der Polizei. "Das Blut unserer Märtyrer hat nichts damit zu tun, ob wir Ahly oder Zamalek unterstützen", sagte ein Fan mit Blick auf die beiden rivalisierenden Kairener Klubs.

Der zunehmend paranoide Überwachungsstaat will auch den Fußball kontrollieren

Im Jahr 2015 waren vor einem Stadion in Kairo 20 Menschen, laut manchen Berichten 22, getötet worden, als die Polizei mit Tränengas und wohl auch scharfer Munition ins Gedränge vor dem einzigen Einlass-Tor feuerte - die meisten, wenn nicht alle, die totgetrampelt oder erstickt wurden, waren Zamalek-Fans. Es hätte das erste Spiel der Liga sein sollen, das wieder vor Publikum ausgetragen wird. Denn die Liga spielte vor leeren Tribünen, seit im Februar 2012 in Port Said 72 Menschen getötet worden waren - nach anderen Berichten 74 -, die meisten Ahly-Ultras. Fans des Gastgeber-Klubs al-Masry hatten sie attackiert mit Steinen, Knüppeln, Flaschen. Die Polizei schritt nicht ein und hielt die Stadiontore geschlossen. Die Saison wurde abgebrochen, die Liga zwei Jahre ausgesetzt.

In der neuen Saison sollen Ägyptens Fans zurück in die Stadien dürfen - doch für Tickets muss man sich elektronisch mit dem Personalausweis registrieren, sich einem Backgroundcheck durch den Inlandsgeheimdienst unterziehen. Der zunehmend paranoide Überwachungsstaat will auch den Fußball kontrollieren. Für viele Ultras ist das indiskutabel, und so könnten auch künftig die Tribünen leer bleiben.

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