2. Liga: TSV 1860 München:Kopfarbeiter im Salzburger Land

Zwischen Life Kinetik und Kaderausdünnung: 1860-Trainer Ewald Lienen strebt im Trainingslager eine ganzheitliche Fortbildung an.

Gerald Kleffmann

Ewald Lienen kann reden, er kann erklären, erläutern, analysieren, kommentieren, präzisieren, palavern, frotzeln, loben, schwärmen, sich herrlich aufregen, kurz: Er ist ein Freund, ja ein Liebhaber des gesprochenen Wortes, selbst nach einem belanglosen Testspiel wie dem am Samstagabend in Rottach-Egern, als der TSV 1860 München vor 3000 zumeist bierseligen Zuschauern dem Premier-League-Klub Manchester City (ohne 15 Stammkräfte) ein 1:1 abtrotzte, stellte er sich, die Stimme sichtlich mitgenommen, heiter den Pressevertretern zur Verfügung und gab über alles Auskunft, was ihm in den Bauch gefragt wurde.

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(Foto: Foto: dpa)

Ihre Eindrücke nach dem Remis? Es folgte eine Antwort von fünf Minuten Länge, mit dem Fazit: Passt alles, geht voran. Nächste Frage, wieder eine Minimarathonreplik, ein Paradies für Reporter. Die Blöcke wurden voller mit Inhalten, nicht alles, klar, war wichtig. Dann: Was den Spielern im Trainingslager so blühe? Lienen antwortete, diesmal boulevardesk prägnant: "Da kriegen sie einiges vor den Kopf geknallt." Der Trainer meinte das absolut ernst. Wenn er Ironie anwendet, was er gerne genüsslich macht, kriegt Lienen so einen frechen Blick. Diesmal fehlte er, der Blick.

Ab diesem Montag beginnt also die zweite Phase der Löwen-Vorbereitung auf jene Saison, die ihnen die Rückkehr in die erste Liga bescheren soll, plakativ zugespitzt verschiebt sich nun der Schwerpunkt der Ausbildung von den Beinen in die Köpfe. Die ersten zwei Wochen verbesserten die Spieler vor allem ihre Ausdauer, wohl kaum eine Formulierung fiel so oft wie die, dass die Profis "dicke Beine" hätten. Und jetzt? "Jetzt werden wir auch am Abend viel reden, über das Training, über Taktik, über Essgewohnheiten und vieles andere", verriet Lienen, der das schmucke Hotel, in dem 1860 in St. Johann im Pongau wohnt, demnach in ein ganzheitliches Fortbildungszentrum umfunktionieren wird.

Dazu passt, dass auch Bernhard Winkler neuerdings zum Trainerstab zählt, der ehemalige Löwen-Stürmer lehrt etwas, das Life Kinetik heißt und - laut Homepage - eine "Schnittstelle zwischen sanfter sportlicher Bewegung und lebenslangem Lernen" sein soll. Wie auch immer, die Profis werden aufgeklärt werden, was sich dahinter verbirgt, und Lienen ist froh, sich mit seinem Tross ins Salzburger Land zurückziehen zu können.

"Wir haben die Laufstrecke vor der Nase, die Strecken sind exakt abgemessen, wir haben ein Entmüdungsbecken, wir kriegen immer sofort etwas zu essen, und ich habe alle Spieler jeden Tag länger als sonst zur Verfügung", schwärmte er am Samstag, und so wie er klang, wollte er am liebsten gleich aufbrechen. "Doch vier Wochen Trainingslager geht ja nicht", daher sind die folgenden zehn Tage vollgepackt und durchstrukturiert bis ins letzte Detail. Kein Moment soll vergeudet werden, selbst die Minuten des Müßiggangs sind gezielt platziert, stets nach Phasen der hohen Belastung.

Bei diesen handelt es sich vor allem um die drei angesetzten Testspiele, die die Löwen absolvieren (am 16. Juli in Kirchanschöring gegen Lech Posen, am 18. Juli in Bad Wimsbach gegen FC Abderdeen, am 21. Juli in St. Johann gegen Iraklis Saloniki), wobei natürlich der eine oder andere dringender eine Pause benötigen dürfte. Die Partie gegen Manchester (Ludwig schoss das 1:0 mit einem Freistoßtor/39., Waleri Bojinow glich aus/60.) hat gezeigt, dass Lienen die Spielzeiten für viele verlängert, er nennt das "60:30"-Einsatzzeiten, einer spielt 60 Minuten, dessen Ersatzmann 30. Dahinter steckt die Idee, dass sich jeder mal zeigen darf. Lienen hat die Kader- und Hierarchieplanung ja längst nicht abgeschlossen. Tendenzen sind dennoch erkennbar.

Mit deutsch-albanischem Testspieler

Die Startelf gegen City (Kiraly - Rukavina, Felhi, Ghvinianidze, Holebas - Ignjovski, Bender - Pappas, Ludwig - Rösler, Mansiz) dürfte schon ziemlich an jene herankommen, die die ersten Pflichtspiele bestreiten wird; Mansiz freilich ist ein großer Wackelkandidat, er röchelt eher über den Platz, aber kein Wunder, nach drei Jahren Fußballabstinenz.

Wenn noch der weiterhin gesuchte Mittelfeldspieler sowie ein Stürmer kommen sollten, könnte es weitere Verschiebungen geben. Ansonsten haben jene wie Daniel Bierofka, Benjamin Schwarz oder Stefan Aigner noch einen Trainingsrückstand, der ihnen zumindest einen signifikanten Wettbewerbsnachteil verschafft. Benjamin Lauth wäre selbstverständlich gesetzt, aber auch er ist noch angeschlagen - so der Stand der Dinge.

Miki Stevic war natürlich auch in Rottach-Egern, man merkt ihm vor allem in der Rhetorik an, wie wichtig ihm das Anliegen ist, diesen Kader perfekt zusammenzustellen, mit dem er sich erstmals als eigenverantwortlicher Sportchef auf dem Markt positioniert. Seine neuesten Eingriffe sehen vor, dass er mit Lienen den Kader etwas ausdünnen wolle, 1860 werde zudem "weitere Spieler im Trainingslager testen". Namen nannte er nicht, aber kein Geheimnis ist, dass Bierofka nicht mitreist, seine Schambeinverletzung ist eine langwierige. Lauth und Schwarz zählen dafür zum Österreich-Aufgebot, dem überraschenderweise der Deutsch-Albaner Kushtrim Lushtaku angehört.

"Er hat sich angeboten", sagte Lienen über den Testspieler, der in der vergangenen Saison noch im Kosovo gestürmt hatte und zuvor bei einem deutschen Landesligisten im schwäbischen Raum aktiv gewesen war. Viel mehr wissen die Löwen-Offiziellen nicht, aber es geht Lienen ohnehin nur um Qualität, diese sieht er sich genauer bei Lushtaku an - und bei allen anderen natürlich auch ständig.

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