Zweite Liga:Sie bestrafen sich selbst

Zweite Liga: Kleeblatt obenauf: Der Fürther Oussama Haddadi (li.) behauptet gegen den Regensburger Kaan Caliskaner den Ball.

Kleeblatt obenauf: Der Fürther Oussama Haddadi (li.) behauptet gegen den Regensburger Kaan Caliskaner den Ball.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Das 1:2 in Fürth gibt einen Blick auf die Regensburger Psyche frei: Der seit einigen Wochen wie ausgewechselt wirkende Jahn hat das Zeug zur Rettung - aber hat er auch die Nerven?

Von Sebastian Leisgang

Das muss Jahn Regensburg erstmal einer nachmachen. Ein paar Wochen ist es nun schon her, dass der Zweitligist den Trainer ausgetauscht hat, ohne dass die Öffentlichkeit darauf aufmerksam geworden ist. Es gab keine Pressekonferenz und keine Sondersendung im Sportfernsehen, genau genommen kann man sich nicht einmal daran erinnern, dass der Jahn eine Pressemitteilung verschickt hat. Es war also ein Trainerwechsel, den die Regensburger still und heimlich in einem Hinterzimmer vornahmen - doch seitdem ist der Jahn ein anderer Jahn.

Am Freitagabend saß Mersad Selimbegovic im Medienraum des Fürther Stadions und leitete seinen Vortrag mit einer Abbitte ein. "Ich muss mich gleich entschuldigen, weil es schwierig wird, die richtigen Worte zu finden", sagte der Regensburger Trainer und wirkte angefasst - dabei hatte seine Mannschaft, die beim 1:2 als Verlierer vom Feld gegangen war, kaum etwas mit jener Mannschaft gemein, die zu Jahresbeginn ein Spiel nach dem anderen verloren hatte. Wer in Fürth sah, wie selbstverständlich und klar die Regensburger eine Stunde lang ihr Spiel aufzogen, der konnte eigentlich kaum anders, als zu glauben, dass da unten ein anderer Trainer an der Seitenlinie steht. Die Mannschaft definiert sich mittlerweile ja nicht mehr nur über ihre Kampfeslust, sondern auch über einen gepflegten Ball - und der auf die Wehrhaftigkeit bedachte Trainer ist gewichen und hat den Weg für einen Trainer freigemacht, mit dem der Jahn die Flucht nach vorne antritt.

Der Trainer hat sich gewandelt: Er hat sozusagen seinen Posten an einen anderen Selimbegovic übergeben

Selimbegovic, 40, hat sich also vor rund einem Monat zurückgezogen und den Posten an der Seitenlinie sozusagen an einen anderen Selimbegovic übergeben.

"Seit Kiel sind wir eine richtig gute Mannschaft", sagte Kaan Caliskaner nach dem Fürth-Spiel und bezog sich damit auf das 2:1 Mitte März, seitdem der Jahn wie ausgewechselt ist. Caliskaner sagte aber auch: "Es ist nicht so, dass die Gegner uns vorführen und wir wie ein Drittligist spielen, im Gegenteil. Wir spielen gerade wie ein guter Zweitligist, aber wir holen keine Punkte." Nach dem Sieg gegen Kiel ließ der Jahn zwar noch ein 1:0 gegen den SC Paderborn folgen, doch dann sprang nur noch ein einziger Punkt aus drei Spielen heraus - und nun bleibt den Regensburgern immer weniger Zeit, um den Relegationsplatz noch zu verlassen.

Auch in Fürth hatte sich der Jahn "nicht belohnt, sondern eher selbst bestraft", sagte Selimbegovic und berührte damit die zentrale Frage, die den Klub gerade umtreibt, kurz bevor die Saison auf die Zielgerade einbiegt: Was ist zu tun, wenn die Mannschaft - wie es in Fürth eine Stunde lang zu sehen war - nachweislich gut genug ist, um in der zweiten Liga zu bestehen, dann aber der Kopf ins Spiel kommt und die Beine auf einmal nicht mehr das machen, was sie machen sollen? "Aktuell", meinte Caliskaner am Freitagabend in den Katakomben des Fürther Stadions, "beflügelt uns das 1:0 nicht, sondern vermittelt uns unterbewusst eher das Risiko, es wieder verspielen zu können."

Als er das sagte, war zu spüren, wie sehr es in ihm arbeitete. "Was will man denn mehr?", fragte Caliskaner und hatte eine gewisse Hilflosigkeit in seiner Stimme: "Vielleicht ist es ein psychologischer Effekt, dass du 1:0 vorne bist und merkst: Jetzt kann ich was verlieren. Ich weiß es aber ehrlich gesagt nicht, was da bei den Einzelnen durch den Kopf geht." Sechs Spiele sind es jetzt noch. Sechs Spiele, in denen der Jahn nicht nur wie ein guter Zweitligist spielen, sondern auch punkten muss, um nicht bald ein Drittligist zu sein. Dass die Regensburger das Zeug zur Rettung haben, dokumentierten die 90 Minuten von Fürth - doch nun müssen sie zeigen, dass sie auch die Nerven haben, auf die es im Abstiegskampf ankommt. "Wir wissen, dass es ums große Ganze geht", sagt Caliskaner und schickt dann mit einem gewissen Trotz hinterher: "In der Liga frisst keiner so viel Dreck wie wir, aber es ist noch nicht zu Ende. Wir sind nicht tot." Tatsächlich war der Auftritt in Fürth zum Sterben zu viel - das Resultat zum Leben allerdings zu wenig.

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