Hamburger SV:Das Aufstiegsgespenst ist da

Hamburger SV: Zwei Garanten des Hamburger Aufschwungs: Trainer Tim Walter (3.v.l.) umarmt seinen Doppeltorschützen Robert Glatzel.

Zwei Garanten des Hamburger Aufschwungs: Trainer Tim Walter (3.v.l.) umarmt seinen Doppeltorschützen Robert Glatzel.

(Foto: Frank Molter/dpa)

Sollte der HSV am Ende wirklich ...? Die Hamburger melden sich zurück im Zweitliga-Aufstiegskampf - und müssen nun ihre Kommunikationsstrategie ändern.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Beinahe hätte Tim Walter es geschafft. Beinahe wäre er bei seinem Standardprogramm geblieben, von Anfang bis Ende, mit all seinen längst bekannten Hits. Seine "Jungs", sagte der Trainer des Hamburger SV, hätten beim 2:1-Heimsieg gegen Hannover 96 "alles reingeworfen", sie seien in jeder Sekunde "mutig" und "widerstandsfähig" gewesen. Und, na klar, die "Entwicklung" des jungen Teams sei am Samstag mal wieder in genau die richtige Richtung gegangen, so, wie sich im Übrigen auch die Saison in die richtige Richtung entwickle. Walter sagte also jene typischen Walter-Sätze, die bestimmt als Wandtattoo in seinem Schlafzimmer kleben.

Während der Pressekonferenz hielt sich der Coach so gewissenhaft ans HSV-Protokoll, dass er richtig ernst und konzentriert aussah. Nur war die Nachricht da schon in der Welt, denn in einem Fernsehinterview war ihm kurz vorher ein Wort rausgerutscht, das eigentlich auf der vereinsinternen Sanktionsliste steht. Walter hatte gesagt: Ja, wir wollen aufsteigen.

HSV-Coach Tim Walter macht vieles anders als seine Vorgänger

Moment mal: Aufsteigen? Das ist definitiv neu in der Hansestadt, denn mehr als "Ambitionen" wollten sie sich dort lange Zeit nicht nachsagen lassen. Es handelte sich um eine etwas eigentümliche Kommunikationsstrategie, an der sich alle im Klub beteiligten oder noch beteiligen, vom Greenkeeper bis zum Sportvorstand Jonas Boldt. Doch Fakt ist: Wenn so am Ende der erste Aufstieg in der HSV-Geschichte gelingt, dann haben diese Leute alles richtig gemacht.

Hamburger SV: Tat seinem Ex-Klub Hamburg einen großen Gefallen: Düsseldorfs Coach Daniel Thioune.

Tat seinem Ex-Klub Hamburg einen großen Gefallen: Düsseldorfs Coach Daniel Thioune.

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Auch non-verbal lief es am Wochenende super für den HSV, es fügten sich einige Fäden in einen riesengroßen Zweitliga-Wollknäuel, aus dem der Traditionsklub als einer der Gewinner des Spieltags hervorging. Los ging es am Freitagabend, als ausgerechnet Daniel Thioune, der in der Vorsaison als HSV-Coach am Projekt Aufstieg gescheitert war, mit seinem neuen Team Fortuna Düsseldorf gegen den Mitkonkurrenten Darmstadt 98 gewann. Dank dieser gütigen Vorarbeit war für die Hamburger auf einmal wieder der Sprung auf den Relegationsplatz drei möglich, der von vielen bereits abgeschrieben worden war, mitunter auch vom eigenen Personal. Und der HSV sprang drauf, weil er genau das zeigte, was der Trainer Walter immerzu herunterbetet: Engagement, Mut, Widerstandsfähigkeit, und ja - auch eine sportliche Entwicklung ist zu erkennen.

"Das war ein großes Fußballfest", sagte Walter über die Atmosphäre im Hamburger Volkspark

Das ist der Unterschied zum Wirken seines Vorgängers. Auch der Trainer Thioune fiel seinerzeit mit großem Sachverstand auf, er genießt in der Hansestadt auch weiterhin hohe Beliebtheitswerte. Doch ihm passierte, wie übrigens allen seinen Zweitliga-Vorgängern, im Endspurt genau das, was einem HSV-Coach niemals passieren darf: Thioune wurde selbst nervös, als seine Mannschaft eine miese Phase hatte. In Hamburg wird so eine miese Phase schnell zum Dauerzustand.

Insofern ist es gut für den HSV, dass es dem Trainer Walter piepegal ist, was andere von ihm halten. Er machte auch nach Niederlagen weiter sein Ding, er redete das Team stark, er forderte und förderte seine Spieler. Und dieser Optimismus, so scheint es, überträgt sich nun auf die anspruchsvolle Anhängerschaft. Schon den gesamten Samstagvormittag war in der Hansestadt eine besondere Atmosphäre zu spüren gewesen, mit dem Anpfiff türmte sie sich bis unters Stadiondach - und heraus kam "ein großes Fußballfest", wie Walter sagte.

Die Mannschaft hielt dem Druck im Spiel gegen Hannover stand - anders als in den Vorjahren

Das ließ sich nicht bestreiten, zumindest was die Kulisse im bis zum Rand gefüllten Volkspark anbelangt. Beachtlich ist überdies die Verfassung des HSV-Stürmers Robert Glatzel, der am Samstag mit zwei Treffern die frühe Führung schoss, es waren seine Saisontore Nummer 20 und 21. Und mindestens erstaunlich war, dass die Hamburger nach dem prompten Anschlusstreffer der Gästeelf nicht die seit Jahren institutionalisierte Flatterhaftigkeit befiel. Der HSV wankte zwar hin und wieder. Aber einen Schiffbruch erlitt er nicht.

Auch deshalb fand Glatzel diesen Samstagnachmittag "unbeschreiblich schön". Noch viel schöner wird es aus HSV-Sicht, wenn am letzten Spieltag ein Sieg bei Hansa Rostock rausspringt. Denn dieser würde aufgrund des deutlich besseren Torverhältnisses im Vergleich zur Konkurrenz die Teilnahme an der Relegation sichern. Sogar der direkte Aufstieg ist rechnerisch noch möglich, obwohl der Nordrivale Werder Bremen mit einem 3:0-Sieg am Sonntag bei Erzgebirge Aue den alten Drei-Punkte-Vorsprung herstellen konnte.

Der HSV hat aber vorerst andere Sorgen: Das Aufstiegsgespenst ist da. Und diese Tatsache kann jetzt nicht länger verheimlicht werden.

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